Johanna und Raphael möchten heiraten und eine Familie gründen. Das, was für viele mit Ende zwanzig selbstverständlich ist, ist bei ihnen mit Hürden verbunden.

Foto: NGF – Nikolaus Geyrhalter Film

Defizitorientiert sei das Denken über Menschen mit Down-Syndrom, sagte Regisseurin Evelyne Faye in einem Interview. Anstatt dass die Ärzte ihr bei der Geburt ihrer Tochter Emma-Lou aufgezeigt hätten, dass ihr Kind ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen könne, fokussierten sie auf die Hürden. Davon gibt es auch zuhauf. Mehr als die Mittlere Reife wird Jugendlichen mit Trisomie 21 nicht zugetraut. Der Schritt ins Berufsleben gestaltet sich dementsprechend schwierig.

Obwohl sie nach der Schule direkt eine unbefristete Stelle bekommen habe, sei sie nun nach einer beruflichen Umorientierung zur Betreuungsassistenz für Menschen mit Demenz arbeitslos, gesteht die Mittdreißigerin Andrea mit verletztem Blick. Ehrenämter mache sie nicht mehr. Ihre Coolness hat Andrea von ihren Eltern, die ihr mithilfe der Taktik "Anmelden, anzahlen, abstellen, abhauen" ein weitgehend inklusives Leben ermöglicht haben.

Gegen Schubladendenken

Andrea ist der Inbegriff einer verlässlichen Arbeitskraft, ihr Alltag ist perfekt durchorganisiert, ihr soziales Umfeld stabil. Gänsehaut bekommt die Opernliebhaberin, wenn die armenische Sängerin Hrachuhí Bassénz "Casta Diva" aus der Norma singt. An Selbstbewusstsein mangelt es ihr auch nicht. Sie fühle sich gut, sagt sie: "Eine hübsche junge, flotte Frau – mit Down-Syndrom."

Polyfilm Verleih

Für die politisch aktive Magdalena ist diese Bezeichnung eine Schublade: "Das Wort Behinderung geht mir am Kragen. Nur weil wir anders sind, sind wir behindert? Ich versteh das nicht." Magdalena ist Kundinnenrätin und kämpft für die Gleichstellung für Menschen mit Behinderung, mit Fokus auf die Tabuthemen Eheschließung, Sexualität und sexuelle Vielfalt. Daneben betreibt sie eine Tanzklasse, schreibt Gedichte und fühlt sich, trotz allem, oft unterschätzt, auch von den eigenen Eltern: "Die sehen mich fast nur als Kind, das noch viel zu lernen hat".

Golfen mit der Mutter

Raphael legt Wert auf seine Frisur, vor allem, wenn er mit seiner Mutter Golfen geht. Ihr Wunsch, dass ihr Sohn ein schönes Leben hat, wurde erfüllt. Raphael wird bald dreißig, arbeitet in der Gastronomie und lebt in einer hübschen Wohnung mit seiner Freundin Johanna zusammen, die er auch heiraten möchte – auf dem legalen Weg wird das nicht klappen, gibt Raphaels Mutter zu bedenken: "Aber wir finden eine Lösung."

Wie andere Beeinträchtigungen auch befindet sich Trisomie 21 auf einem Spektrum. Diese Bezeichnung, die etwa in der Netflix-Dokuserie Love on the Spectrum mit autistischen Personen durchgespielt wurde, zeigt auf, dass die Schublade für Menschen mit Behinderungen zu klein ist.

In ihrer Dokumentation, die mit persönlichen Botschaften an ihre zehnjährige Tochter versehen ist, führt Faye vor Augen, dass ein selbstbestimmtes Leben mit Trisomie 21 möglich ist. Dass sie hierfür Personen porträtiert, denen von Tanztherapie bis politischer Arbeit bereits vieles offensteht, kann man auch als mutmachenden Appell an Eltern sehen, ihren Kindern viel zuzutrauen. (Valerie Dirk, 18.3.2023)