Im Wiener Landesgericht hätte der Prozess gegen Florian Teichtmeister längst stattfinden sollen. Doch der Große Schwurgerichtssaal blieb leer. Noch gibt es keinen neuen Termin für die Hauptverhandlung.

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Wann sich der ehemalige Burgschauspieler Florian Teichtmeister wegen des Besitzes von umfangreichem Material mit bildlichen Darstellungen von Kindesmissbrauch vor Gericht verantworten muss, ist weiterhin unklar. Christoph Zonsics-Kral, der Mediensprecher des Wiener Landesgerichts, erklärte am Freitag im Gespräch mit dem STANDARD, dass es noch keinen neuen Termin für eine Hauptverhandlung gebe. Wie berichtet, war der erste Termin am 8. Februar dieses Jahres wegen einer Erkrankung des Angeklagten abberaumt worden.

Auch Rechtsanwalt Michael Rami, der gemeinsam mit seinem Kollegen Philipp Wolm die Vertretung von Teichtmeister übernommen hat, weiß nicht, wann der Prozess losgehen könnte. "Da bin ich überfragt", teilte er auf Anfrage mit.

Richter muss nachfragen

Art und Verlauf einer Erkrankung betreffen den höchstpersönlichen Lebensbereich und sind grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Der zuständige Richter hat aber das Recht und die Pflicht, sich regelmäßig über den Zustand eines krankgemeldeten Angeklagten zu informieren. Eine ärztliche Bestätigung darüber, dass ein Angeklagter nicht verhandlungsfähig ist, reicht im Regelfall aus. Wird die Unpässlichkeit aber zum Dauerzustand oder hat das Gericht Zweifel, werden ärztliche Gutachterinnen oder Gutachter damit beauftragt, zu prüfen, ob nicht doch eine Verhandlung zumutbar wäre.

"Animo et corpore"

Der Begriff Verhandlungsunfähigkeit kommt in der heimischen Strafprozessordnung (StPO) gar nicht vor. An einer Stelle ist von einem "unabwendbaren oder doch sehr erheblichen Hindernis" die Rede, das die Vertagung einer Hauptverhandlung rechtfertige. Ein allen Gerichtsentscheidungen zugrunde liegender Rechtssatz lautet aber: "Verhandlungsfähigkeit liegt vor, wenn der Angeklagte animo et corpore dem Verhandlungsverlauf folgen kann." Man muss also geistig und körperlich in der Lage sein, "dem Verlauf der Verhandlung ohne Gefahr für seine Gesundheit zu folgen, sich verständlich zu äußern und seine Rechte sinnvoll wahrzunehmen", wie es der Oberste Gerichtshof ausdrückt.

Eigene Privatgutachten

Die Entscheidung ist also vorrangig eine medizinische. Deshalb legen Betroffene häufig auch selbst ein ärztliches Gutachten vor. In den großen Wirtschaftsverfahren (Bawag-Skandal, Causa Buwog) plädierten etliche Angeklagte zumindest zeitweise darauf, dass sie nicht verhandlungsfähig seien. In vielen Fällen kamen die entscheidenden Gerichtsgutachten aber zu anderen Ergebnissen.

Praktisch jede Richterin und jeder Richter hatte schon Verfahren, die sich um Monate oder Jahre verzögerten, weil Angeklagte krank waren. "Und in den allermeisten Fällen steht die medizinische Indikation auch außer Zweifel", betont ein Richter. "Bei krebskranken Patienten, die sich mitten in einer Chemotherapie befinden, muss die Justiz natürlich warten." Auch die Diagnose eines Gehirntumors, der die Gehirnleistung eines Angeklagten beeinträchtige, mache eine Verhandlung unmöglich, so der Richter. Meist werde Verhandlungsunfähigkeit mit psychischen Erkrankungen begründet.

Kein Urteil wegen Demenz

Zu den Angeklagten, die zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig waren und denen später aus Krankheitsgründen ein Urteil erspart blieb, zählte Heinrich Gross. Der Arzt, der während der Nazi-Zeit für die Ermordung behinderter Kinder an der Wiener Euthanasieklinik Am Spiegelgrund verantwortlich war, wurde im Jahr 2000 zwar angeklagt. Die Verhandlung dauerte aber nur 30 Minuten, weil ihm ein Gerichtsgutachter Demenz bescheinigte. Er starb fünf Jahre später als unbescholtener Bürger. (Michael Simoner, 19.3.2023)