Kampagnen- und Kommunikationsberater Yussi Pick plädiert in seinem Gastkommentar dafür, das Feld der Bewerberinnen und Bewerber zu erweitern, und er bringt selbst jemanden ins Spiel.

Bei all den Spins, die in den letzten Tagen umherfliegen, ist Transparenz umso wichtiger. Also vorab: Ich habe kein Beratungsmandat, bin nicht Parteimitglied, habe mit keinem der Genannten gesprochen. Der Grund für meinen Gastkommentar ist ein egoistischer: Ich benötige eine politische Option für die nächste Nationalratswahl.

Wieder Pamela Rendi-Wagner? Oder doch Hans Peter Doskozil? Da gibt es ja wohl auch noch andere, oder?
Foto: Heribert Corn

Pamela Rendi-Wagner wird als erste weibliche SPÖ-Vorsitzende Geschichte schreiben. Doch die erste sozialdemokratische Bundeskanzlerin wird jemand anderes sein. Wenn sie es in vier Jahren nicht schafft, einen parteiinternen Machtkampf zu beenden, wie soll ihr das dann mit einem – oder sogar mehreren – Koalitionspartnern gelingen?

Die dritte Option

Dass auch Hans Peter Doskozil nicht der richtige Kandidat ist, beweisen selbst Umfragen, die sein Umfeld lanciert: Zwar zeigen sie, dass Wählerinnen und Wähler anderer Parteien sich Doskozil an die Spitze wünschen, aber jeder vierte SPÖ-Kernwähler hält ihn für "sehr ungeeignet", weniger als die Hälfte für sehr oder eher geeignet. Selbst Rendi-Wagner schneidet da besser ab. Die SPÖ läuft Gefahr, durch einen derart polarisierenden Vorsitzenden Basiswählerinnen zu verlieren, selbst wenn Doskozil – so sein Argument – in anderen (FPÖ-)Wähler-Gruppen punktet. Es braucht also eine dritte Option, die die SPÖ in die nächste Wahl führt, vor allem jemanden, der oder die auch die Bundeskanzlerschaft übernehmen kann.

Natürlich haben weder Rendi-Wagner noch Doskozil Interesse an weiteren Kandidatinnen oder Kandidaten. Deshalb müssen jene Entscheiderinnen und Entscheider, die das Wohl der Bewegung im Blick haben, die Mitgliederbefragung öffnen.

Fauler Kompromiss

Die (Sozial-)Demokraten der USA, Deutschlands, ja sogar in Wien zeigten vor, dass mehr Parteidemokratie nicht schadet. Im Gegenteil: Je mehr Kandidatinnen und Kandidaten es gibt, desto weniger verkürzt ist die inhaltliche Debatte und desto weniger sind Mitglieder gezwungen, die eine Option zu wählen, um die andere zu verhindern. Wie etwa bei den US-Demokraten wäre es eine Möglichkeit, in der Öffentlichkeit zu zeigen, welche Persönlichkeiten die SPÖ hat, die sich vielleicht nicht für den Vorsitz qualifizieren, aber für das nächste Ministerinnen- oder Ministeramt. Jetzt ist die Chance, eine innerparteiliche Debatte über die Zukunft der SPÖ zu führen. Egal wie ein Zweikampf ausginge: Er beendet weder die inhaltliche Krise noch die organisatorische – selbst wenn der unterlegene Kandidat, wie in Vorwahlen üblich, die Niederlage eingesteht.

"Egal wie ein Zweikampf ausginge: Er beendet weder die inhaltliche Krise noch die organisatorische."

Vor lauter Angst vor öffentlicher Debatte versäumt die SPÖ die Gelegenheit, dass am Ende dieses Prozesses nicht nur ein fauler Kompromiss, sondern eine einende Kraft steht. Ein paar fähige Kandidatinnen und Kandidaten gäbe es ja – und ihre Namen sollten in den Ring geworfen werden.

Zum Beispiel Renate Anderl. Als Metallergewerkschafterin, Wienerin und Funktionärin der SPÖ-Frauen hätte sie parteiintern die besten Voraussetzungen, der größte gemeinsame Nenner zu sein. Als AK-Präsidentin hat sie bewiesen, dass sie durch Krisen führen kann. In den dunkelsten Tagen der Corona-Pandemie stand sie als Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Pressekonferenzen neben dem Bundeskanzler, verhandelte Kurzarbeit und Sonderfreistellungen. Während die Politik in einer Vertrauenskrise steckt, genießt die AK hohes Vertrauen über Parteigrenzen hinweg, von dem Anderl profitieren würde.

Die Zielgruppe

In einem Wahlkampf ist sie ein Angebot für alle für die SPÖ notwendigen Gruppen: die ehemaligen Wählerinnen und Wähler in den Industriegebieten Oberösterreichs und der Steiermark, urbane Linke und am wichtigsten: arbeitende Frauen. Umfragen zeigen, dass die vielbeklagte Politikverdrossenheit vor allem jüngere und weibliche Wählerinnen und Wähler betrifft. Um diese in den politischen Prozess zurückzuholen, braucht es ein personelles Angebot.

Die Anreize, sich den SP-Vorsitz anzutun, sind heutzutage eher rar. Wobei: An der Krise sind auch jene schuld, die sich des Problems bewusst sind, aber zu bequem waren, ihre derzeitige Funktion zu verlassen und den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Dazu kommt, dass, wer immer sich freiwillig meldet – wie das Beispiel Doskozil zeigt –, von den Verwalterinnen und Verwaltern des Stillstands nicht gerade mit offenen Armen empfangen wird.

Eine ernsthafte Diskussion darum, wer die SPÖ in die nächste Wahl führen soll, kann aber erst starten, wenn genau diese Stillstandsbewahrenden ihre Aversion gegen demokratische Prozesse ablegen und weitere Kandidatinnen oder Kandidaten zulassen. (Yussi Pick, 19.3.2023)