SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erweckte in Salzburg den Eindruck, als ob sie der nun offene Wettkampf um die Parteiführung nachgerade beflügeln würde.

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Am Ende sieht der ORF-Mitarbeiter seine Chance gekommen. Als Pamela Rendi-Wagner zum Ausgang des Saales schreitet, versucht er ein Gespräch in Gang zu bringen. "Das waren vier sehr schwierige Wochen", sagt der junge Mann, eine Anspielung auf Wahlergebnisse und den Machtkampf, der in der SPÖ tobt. Rendi-Wagner bleibt kurz stehen und sieht den Reporter an: "Vier Wochen? Das waren vier sehr schwierige Jahre!" Die Parteichefin lacht breit, ins Mikrofon will sie trotzdem nichts sagen.

Sie ist an diesem Freitagabend in den Westen gefahren zum Kampagnenauftakt der SPÖ vor der Landtagswahl am 23. April. Doch für die Parteichefin bedeutet der Auftritt sehr viel mehr. In den vergangenen Tagen hatte sie mit ihrem Rivalen Hans Peter Doskozil, dem burgenländischen Landeshauptmann, in Parteigremien hart gestritten, hatte unzählige Gespräche mit Funktionären geführt und sich zweimal in der ZIB 2 interviewen lassen. Es gibt angenehmere Wochen. Der Auftritt in Salzburg ist der erste größere Kontakt mit der Basis nach der Eskalation, ein Stimmungsmesser, auch eine Chance.

Roter Schal als verbindendes Element zwischen zwei Lagern

Rasch füllt sich der Veranstaltungsort in der Salzburger Altstadt, ein Saal für 600 Personen. Auch Gabi Burgstaller ist da. Die frühere Landeshauptfrau zeigt schon vor Beginn, wie sie zur Vorsitzenden steht: Sie legt Rendi-Wagner einen roten Schal um. Andere lassen gleich zu Beginn spüren, dass sie eher Doskozil präferieren: Der Beifall bei der Begrüßung fällt geringer aus als der für den Spitzenkandidaten David Egger und Ex-Kanzler Christian Kern.

David Egger, der Chef der Salzburger SPÖ.
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Um 19.24 Uhr steigt Rendi-Wagner auf die Bühne. Etwa eine Viertelstunde dauert ihre frei vorgetragene Rede, sie gerät zum kompakten Auftritt, bei dem die SPÖ-Chefin zunächst in der Rolle der Oppositionsführerin aufgeht. Mit Verve attackiert sie zunächst die ÖVP-geführten Regierungen in Bund und im Land Salzburg: Sie spricht von falschen Maßnahmen gegen die Teuerung, von steigenden Mieten, die "gerade hier in Salzburg ein Thema sind", sie warnt davor, dass das "gute Leben" in Gefahr sei. Stattdessen brauche es Maßnahmen wie eine Mietpreisbremse, es brauche einen "verantwortungsvollen und aktiven Staat". Es sind solide, frei vorgetragene, aber auch erwartbare sozialdemokratische Positionierungen.

Dann folgen die interessantesten Minuten, in denen es um die Macht und Abgrenzungen geht. Ziel sei eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung, sagt die SPÖ-Chefin. Doch um das zu schaffen "brauchen wir Glaubwürdigkeit und Stärke". Es folgt die markanteste Abgrenzung zu ihrem Parteifeind aus dem Burgenland: "Eine Partei wie die FPÖ ist für die SPÖ auf Bundesebene kein Partner," ruft Rendi-Wagner, man müsse sich "hetzerischer Ideologie mit aller Kraft entgegenstellen." Es sind Sätze, nach denen Applaus aufbrandet. In der SPÖ gebe es "immer Platz für unterschiedliche Meinungen".

Der ungenannte Dritte

Den Namen Doskozil erwähnt sie ebenso wenig wie Christian Kern, der anschließend auf die Bühne klettert. Rendi-Wagners Vorgänger im Parteivorsitz zerpflückt ÖVP und FPÖ gleich zu Beginn mit pointiertem Spott. Er sagt Sätze wie: "Die Bundesregierung leidet unter ihrer Verantwortung – die muss man davon befreien." Und mit Blick auf die Freiheitlichen, die in Niederösterreich allen Beteuerungen zum Trotz nun doch Johanna Mikl-Leitner ermöglichen, weiter als Landeshauptfrau zu amtieren: "Die FPÖ startet im Tigerkostüm und landen als Bettvorleger."

Die ÖVP koaliere in Niederösterreich nun mit einer Partei, die Mitglieder an prominenter Stelle haben, "die den Holocaust leugnen", kritisierte Kern und ergänzte: "Und die sich letztendlich nach drei Bier spätestens in den Armen liegen und den Hitlergruß deuten."

Impfschwurbel im niederösterreichischen Gesundheitsressort

Einigermaßen fassungslos zeigte sich Kern über die die Ressortverteilung. Die ÖVP überlasse ausgerechnet das Gesundheitsressort "der Partei der Impfschwurbler und Entwurmer" und wolle Geld für "Opfer" der Coronamaßnahmen springen lassen. "Nicht für die Opfer, sondern für die Opfer der Maßnahmen, also diejenigen, die ein Wimmerl unter der Maske bekommen haben", sagte Kern.

Ex-Kanzler und Ex-Parteichef Christian Kern.
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Der Ökonomie-versierte Ex-Kanzler geißelt eine "riesige Gewinnverschiebung in Richtung der Banken" während der Corona-Jahre. Diejenigen hingegen, die während der Pandemie in den Spitälern und Supermärkten das Land am Laufen gehalten hätten, "schauen durch die Finger". Mit Blick auf die politischen Entwicklungen spricht Kern auch davon, dass er Sorge um die Demokratie habe. Kern wünscht sich auch, dass seine Partei wieder regiere, aber warnt vor Populismus: Man müsse das "Herz bei den Menschen" haben, man müsse "klar sagen, was ist", und "ehrlicher Makler sein". Bei der Salzburg-Wahl gehe es nicht nur um das Bundesland, ruft der Ex-Kanzler. Sein Vortrag ist der beste der Veranstaltung, sie endet im großen Jubel.

Der "liebe Christian" geißelte die Freiheitlichen

Der "liebe Christian, er kann es einfach", ruft David Egger anschließend. Der Salzburger Obergenosse soll eher als Doskozil-nah gelten, doch eine Präferenz zeigt er an diesem Abend nicht. Stattdessen geißelt er die Freiheitlichen. Diese seien immer "zum billigsten Preis zu haben". Die Sozialdemokratie habe ihre roten Linien, "und denen bleiben wir treu". Großer Applaus.

Die gute Stimmung der Salzburger Genossen lässt am Ende der Veranstaltung nicht vermuten, dass die Landes- SPÖ in Umfragen derzeit unter 20 Prozent dümpelt.

So geht der Abend in Salzburg mit mehreren Erkenntnissen zu Ende. Die Abgrenzung zur FPÖ emotionalisiert die SPÖ-Basis beträchtlich, gerade wegen des Schwenks der ÖVP zu den Rechten. Pamela Rendi-Wagner tritt souverän und abgeklärt vor das Parteivolk, die Eskalation im Machtkampf mit Doskozil scheint bei ihr befreiend zu wirken. Und das kommt an: Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung bildet sich eine Traube um sie, man bittet um Fotos und Autogramme, manche Genossen umarmen sie.

Egal ob sie oder der Burgenländer am Ende die Kanzlerkandidatur erringen: Auch auf Christian Kern sollte die SPÖ Wahlkampf setzen: als Anheizer, als "Rampensau". In Salzburg klang bei manchen unverhohlen Bedauern durch, dass er 2018 die Politik verlassen hat. (Oliver Das Gupta, 18.3.2023)