Wladimir Putin und Xi Jinping pflegen keine herzliche Allianz, aber ihre geostrategischen Interessen schweißen sie zusammen.

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Gerade erst hat sich der chinesische Präsident Xi Jinping auf dem Nationalen Volkskongress auf seine dritte Amtszeit vereidigen lassen. Nun ist er am Wochenende in Moskau eingetroffen, um dort seinen russischen Amtskollegen zu treffen. Darauf soll wohl auch ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj folgen. China will nach eigenen Angaben im Konflikt vermitteln, doch immer öfter wirft Washington China Parteinahme für Russland vor. Xi Jinping versucht sich dagegen, als dritte neutrale Kraft zu etablieren – und verfolgt dabei seine eigenen langfristigen Ziele.

Auf einer viel beachteten Rede auf dem Nationalen Volkskongress am vergangenen Montag setzte Xi neue Akzente in der Außenpolitik. "Sei proaktiv und erreiche Ziele" und "scheue keinen Kampf". Die Losungen ersetzen das alte Dogma von Deng Xiaoping, wonach China seine "eigene Stärke verbergen und sich Zeit erkaufen solle". Dies lässt im Westen nichts Gutes hoffen auf die Rolle Pekings im Ukraine-Konflikt und eines möglichen chinesisch-amerikanischen Krieges.

Wieviel wusste Peking?

Chinas Rolle im Ukraine-Konflikt war von Anfang unklar, und gab westlichen Strategen Rätsel auf. Wusste Xi vom Putins geplanter Invasion, als beide Staatsführer im Februar 2022 noch in Peking ihre "ewige Freundschaft" beschworen hatten? Oder war die chinesische Führung vom Angriff überrumpelt worden, wie es amerikanische Medien im vergangenen November kolportiert hatten? Später warnten amerikanische Geheimdienste sogar, Peking könne Waffen an Russland liefern.

Chinas exakte Position in diesem Konflikt bleibt rätselhaft, und das kann auch schlicht daran liegen, dass Xi Jinping und die oberste Führung der kommunistischen Partei von den Ereignissen überrumpelt wurden. Dauer und Härte des Krieges dürfte Peking überrascht haben. Ein schneller Sieg Putins hätte Xi wahrscheinlich auch für eine mögliche militärische Lösung der Taiwan-Frage motiviert. Ein Sturz Putins und ein überragender Sieg des Westens sind für China dagegen sicherlich kein Wunsch-Szenario. Mit dem russischen Präsidenten pflegt man seit Jahren zwar keine herzliche Allianz, aber immerhin eine Überlappung einiger geostrategischer Ziele: Dazu gehören das Ende des US-Dollars als globale Leitwährung und eine "multipolare Welt" – im Gegensatz zu einer amerikanischen Hegemonie.

Friedensbemühungen authentisch, aber nicht selbstlos

Andererseits belastet der lange Krieg die globale Wirtschaft und damit auch die Chinas. Lieferkettenengpässe, Inflation und teure Rohstoffe gehören zu den sekundären Folgen des Konflikts, die nicht im Sinne Pekings sind. Die heimische Wirtschaft leidet noch immer unter den Folgen der Zero-Covid-Politik und der schwelenden Immobilienkrise. Eine Beendigung des Konflikts oder zumindest ein Waffenstillstand dürfte im wirtschaftlichen Interesse Pekings sein.

Und nicht zuletzt lässt sich das vermeintlich neue diplomatische Gewicht Chinas gut dem eigenen Volk verkaufen: Die staatliche Presse feiert seit Tagen die eigene Regierung als Friedensmacht und kritisiert die USA, die die Bemühungen torpedieren würden. So gesehen sind die Vermittlungsbemühungen Pekings im Ukraine-Konflikt durchaus authentisch – selbstlos sind sie freilich nicht. (Philipp Mattheis, 18.3.2023)