Die ÖVP Niederösterreich macht Udo Landbauer zum neuen "Mister Europa".

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St. Pölten / Brüssel – Nach den ersten Aufregungen über den Koalitionspakt der ÖVP mit der FPÖ in Niederösterreich wegen eines umstrittenen Corona-Wiedergutmachungsfonds droht Johanna Mikl-Leitner das nächste Ungemach. In Teilen der eigenen Partei gärt es, weil die ÖVP-Landeshauptfrau bereit ist, einen Teil der Europa-Agenden in der Regierung an die EU-skeptischen Freiheitlichen abzugeben.

Nach Informationen des STANDARD soll FPÖ-Chef Udo Landbauer für diesen Bereich zuständig werden. Er wird Landeshauptfrau-Stellvertreter und gemäß der schwarz-blauen Abmachung neben dem Verkehrsdossier auch die EU-Regionalförderung verantworten. Bisher war dafür der ÖVP-Landesrat Martin Eichtinger zuständig, der aus der Regierung ausscheiden wird. Die Landeshauptfrau, die schon bisher für die Außenvertretung des Landes Niederösterreich, für EU-Integration und EU-Erweiterung zuständig war, teilt sich das Europadossier in Zukunft mit Landbauer.

Karas: "Das geht nicht"

Das wurde dem STANDARD am Sonntag aus ÖVP-Kreisen bestätigt. Diese Entwicklung sorgt bei der ÖVP-Jugend für Irritation. Deren Niederösterreich-Chef Bernhard Heinreichsberger sagt zum STANDARD: "Für uns Junge ist Europa von großer Bedeutung. Daher bin ich froh, dass die Europa-Politik in Niederösterreich weiterhin von unserer Landeshauptfrau wahrgenommen wird." Im Übrigen sei im Arbeitsübereinkommen "ein ganz klares Bekenntnis zu Europa" enthalten.

Othmar Karas, Erster Vizepräsident im Europäischen Parlament sagte allerdings in einer ersten Reaktion: "Das geht nicht." Er stammt selbst aus Niederösterreich. Eichtinger, so Karas, sei bisher der eigentliche Europalandesrat im Land gewesen, "der Koordinierer und Erlediger", auch derjenige, der die Regierung im Ausschuss der Regionen in Brüssel vertreten habe.

Sollte die Aufteilung tatsächlich so erfolgen, wie aktuell zwischen ÖVP und FPÖ paktiert, dann würde Landbauer einen wesentlichen Teil der EU-Politik der Regierung übernehmen. Für Agrarförderungen und Umwelt bleibe weiterhin der zuständige Vizelandeshauptmann Stephan Pernkopf zuständig.

ÖVP Niederösterreich bisher überzeugt proeuropäisch

Die bisherige Kompetenz von Eichtinger umfasst den Bereich der Regionalförderung, das Leader-Programm, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Nachbarschaftspolitik, etwa bei Spitälern. EU-Bürger können dies- und jenseits der Grenzen medizinisch problemlos behandelt werden. Das Europaforum Wachau in Stift Göttweig, das einst von Mikl-Leitner-Vorgänger Erwin Pröll ins Leben gerufen wurde, übernimmt Mikl-Leitner. Auch das fiel bisher in Eichtingers Bereich.

Die niederösterreichische Landespartei gehört traditionell zu den überzeugtesten Vertretern eines proeuropäischen Kurses. Nicht zuletzt war der frühere Außenminister Alois Mock, der "Mister Europa" und einer der Väter des EU-Beitritts des Landes, ein Niederösterreicher. Mikl-Leitners Vorgänger Erwin Pröll setzte diese Tradition mit Nachdruck fort. Jedes Jahr findet in Stift Göttweig ein Europasymposium mit prominenten Politikern aus EU-Institutionen statt.

Wie das in Zukunft mit den Freiheitlichen, die einen scharfen EU-skeptischen Kurs fahren, weitergehen soll, darüber rätseln nun manche in der Landespartei. "Die Außenbeziehungen Niederösterreichs inklusive Europäischer Union sind und bleiben Chefsache in Niederösterreich, diese Zuständigkeit ist in der Geschäftsordnung ganz eindeutig geregelt", sagt Jochen Danninger in einer Stellungnahme an den STANDARD. "Auch das Europa Forum Wachau kommt in die Zuständigkeit unserer Landeshauptfrau."

Eine Sprecherin von Außenminister Alexander Schallenberg wollte die Personalie am Sonntag nicht kommentieren.

Karner verteidigt Bündnis

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat am Sonntag das auf zunehmende Kritik stoßende Bündnis in Niederösterreich verteidigt. Man soll die Zusammenarbeit "an ihren Taten messen", plädierte er am Sonntag in der "ORF-Pressestunde". Dass das Vorhaben, verfassungswidrige Corona-Strafen zurückzuzahlen, rechtlich schwierig werden könnte, räumte Karner ein. Es gehe aber darum, in der Pandemie entstandene Gräben zuzuschütten.

Er habe "Hochachtung" vor Mikl-Leitner, dass sie diesen schwierigen Weg gegangen sei. Schließlich sei sie im Wahlkampf mit Worten bedacht worden, "die unter der Gürtellinie waren". Die Freiheitlichen wären aber egal ob mit oder ohne Arbeitsübereinkommen Teil des Proporzregierung gewesen, argumentierte Karner. Zudem erinnerte er daran, dass es etwa auch im Burgenland Rot-Blau gegeben habe. Ob die schwarz-blaue Zusammenarbeit auch ein Modell im Bund sein könnte, wollte Karner nicht beantworten.

Finale Kompetenzverteilung am Donnerstag

Die Angelobung der neuen Regierung soll diese Woche nach der Konstituierung des Landtages erfolgen. Bis dahin muss endgültig geklärt werden, wer in der neunköpfigen Regierung welche Zuständigkeit erhält. Die ÖVP hat vier Regierungssitze, die FPÖ drei, die SPÖ zwei, gemäß dem Wahlergebnis und dem in der Verfassung verankerten Proporz zur Machtaufteilung.

Dementsprechend muss auch die SPÖ noch mit Kompetenzen bedacht werden – wobei ÖVP und FPÖ die wichtigsten Themen bereits untereinander aufgeteilt haben. Was für die Roten übrig bleibt, soll am Montag geklärt werden: Da gibt es ein Gespräch zwischen dem designierten ÖVP-Klubchef Danninger und dem designierten SPÖ-Klubchef Hannes Weninger. Eine Schlüsselfrage wird dabei sein, ob die Roten die Aufsicht über "ihre" Gemeinden behalten dürfen. Aktuell prüft ein ÖVP-Regierungsmitglied die schwarzen Gemeinden und ein SPÖ-Regierungsmitglied die roten.

Laut der schwarz-blauen Vereinbarung verteilen sich die wesentlichen Kompetenzen in der Landesregierung künftig so:

  • Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Kultur, Personal, Außenbeziehungen (inklusive EU), Bedarfszuweisungen an Gemeinden, Wirtschaft, Tourismus, Natur im Garten
  • Stephan Pernkopf (ÖVP): Raumordnung, Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Wissenschaft und Forschung, Regionalinitiativen
  • Ludwig Schleritzko (ÖVP): Finanzen, Gemeindeaufsicht (ÖVP-Gemeinden), Landeskliniken, Initiative "Tut Gut"
  • Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP): Bildung, Soziales, Wohnbau
  • Christoph Luisser (FPÖ): Asyl, Sicherheit, Staatsbürgerschaft, Zivilschutz, Naturschutz, Tierschutz
  • Udo Landbauer (FPÖ): Verkehr (Straße und Öffis), Sport, Geschäftsstelle EU-Regionalpolitik und INTERREG Österreich-Tschechien
  • Susanne Rosenkranz (FPÖ): Arbeitsmarkt, Hilfsfonds Corona, Behindertenhilfe, Konsumentenschutz, NÖGUS (Gesundheits- und Sozialfonds)

(Thomas Mayer, Sebastian Fellner, 19.3.2023)