Der Gerichtsgutachter sagt, Minna brauche 24-Stunden-Pflege. Die beklagte Versicherung sagt, in der Nacht, "wo geschlafen wird" , brauche sie überwiegend keine Betreuung.

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Im August wird Minna fünf. Wie gut ihr Leben und ihre Pflege finanziell abgesichert werden kann – das Mädchen ist seit seiner Geburt schwerstbehindert und hat die höchste Pflegestufe sieben – , das steht noch nicht fest. Das Gerichtsverfahren, in dem Minna und ihre Eltern diese Absicherung vom Geburtshelfer, dem sie einen Kunstfehler vorwerfen, bzw. von dessen Haftpflichtversicherer Donau einfordern, läuft noch. Mitte April soll die nächste Verhandlung am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien stattfinden.

Der Arzt, der die Geburt am 17. August 2018 geleitet hat, nach der Minna wegen schlimmer Komplikationen laut Gutachten "avital" auf die Welt kam, bestreitet einen Kunstfehler. Der Gerichtsgutachter hat einen solchen festgestellt. Der Geburtshelfer argumentiert, Minnas Mutter habe den von ihm angesichts immer schlechter werdenden Herztöne des Kindes angeratenen Kaiserschnitt abgelehnt. Minnas Eltern bestreiten das und die Hebamme sagte als Zeugin aus, sie habe nur vom Arzt erfahren, dass die Mutter keinen Kaiserschnitt wolle.

24-Stunden-Pflege ein Leben lang

Nach gescheiterten Versuchen einer außergerichtlichen Einigung haben Minna und ihre Eltern 2020 geklagt. Minna kann wie berichtet nicht krabbeln, nicht gehen, nicht sitzen, nicht essen; sie braucht laut Gerichtsgutachter rund um die Uhr Pflege. Und das wird sich auch nie ändern.

Die rechtliche Krux an der Sache: Haftpflichtversicherer Donau, eine Tochter der Vienna Insurance Group (VIG), steht für bis zu fünf Millionen Euro gerade – sollte das nicht reichen, um Minna auf Dauer abzusichern, tritt ein Deckungskonkurs ein. Und genau davon geht die Donau bislang aus; sie betont, bereits einmal eine "namhafte" Akontoleistung gezahlt zu haben (es geht um 500.000 Euro). Im Deckungskonkurs-Fall müsste der Arzt mitzahlen, vorausgesetzt, Minnas Eltern bekommen Recht.

Lebenserwartung: 24 Jahre

Um wie viel Geld es geht und ob so ein Deckungskonkurs eintritt, das hängt also davon ab, wie lange Minna leben wird. Und: Die Donau geht gemäß ihren Berechnungen davon aus, dass sie rund 81 Jahre alt werden wird. Ganz anders der Gerichtsgutachter, ein Kinderarzt: In seiner jüngsten Expertise von 20. Dezember schreibt er, Minna werde mit "sehr hoher, überwiegender Wahrscheinlichkeit das 25. Lebensjahr nicht erreichen". Im Jänner ergänzte er, er beziehe sich dabei auf internationale Studien, wonach mehr als die Hälfte von Kindern mit während der Geburt erlittenen schweren Hirnschädigungen ("Cerebralparese") ihr 20. Lebensjahr nicht erreichten.

Daran änderten auch der medizinische Fortschritt, verbesserte Pflegemöglichkeiten und Therapien nicht viel, so der Mediziner sinngemäß. Die Schäden am Gehirn seien "nicht heilbar, (…), nicht rückgängig machbar oder behebbar". Und es sei "realistisch nicht abschätzbar, ob es in den nächsten 20 Jahren möglich sein wird, durch medizinische Weiterentwicklungen sicherzustellen, dass Minna "auch länger als 25 Jahre leben wird". Er geht zudem davon aus, dass Minna immer 24 Stunden am Tag Pflege brauchen werde.

Erstes Vergleichsangebot

Vorige Woche kam erstmals außergerichtliche Bewegung in die Sache. Der Anwalt der Donau Versicherung, Herbert Salficky, präsentierte der Anwältin von Minnas Familie, Astrid Hartmann, "Vergleichs-Positionen, die sich meine Mandantin grundsätzlich vorstellen kann". Dabei geht es etwa um Einmalzahlungen für "Globalschmerzengeld" für Minna, Schmerzengeld für ihre Eltern, für Umbaukosten für die Wohnung und um eine Pflegegeldrente.

An diesem Punkt hakt es aber laut Anwältin Hartmann. Der Gerichtsgutachter habe einen 24-Stunden-Pflegebedarf festgestellt mit einem Stundensatz von 15 Euro; der Haftpflichtversicherer biete durchgerechnet zwischen 2,50 und drei Euro je Stunde. Unter anderem geht er nämlich davon aus, dass "während der Nachtzeiten, wo geschlafen wird, überwiegend keine Betreuung notwendig ist" und Minna ihre Vormittage in einer Therapieeinrichtung verbringe, was also den Pflegezeitaufwand verringere. Da werde die Pflegearbeit doch ziemlich unterschätzt, so Hartmann. Eine Gesamtlösung, die den Gerichtsstreit beenden könne, sieht die Anwältin darin nicht. Donau Versicherung und ihr Anwalt wollten keine Stellungnahme abgeben, sie verwiesen auf die Rechtsanwältin der Familie.

Am 13. April wird wohl weiterverhandelt werden. Minna muss warten. (Renate Graber, 20.3.2023)