In den letzten Jahren hat sich viel verändert, oder? Das Thema Klimakrise ist jetzt überall präsent. Doch führen wir die Diskussion über eine Transformation zur Klimaneutralität und Nachhaltigkeit nicht viel zu technisch? Stecken wir in der Begründung ihrer Notwendigkeit sowie in der Suche nach Lösungen nicht zu sehr in alten Denkmustern fest?
Mir scheint, im Großen und Ganzen soll alles bleiben, wie es ist, nur effizienter, digitaler und mit erneuerbaren Energien betrieben. Müssen wir uns nicht grundlegender fragen, wie wir das Alte sterben lassen? Das Energieregime, das Mitte des 19. Jahrhunderts auf Basis von Kohle, später Erdöl und Gas begann, bringt uns bei allen Meriten der Vergangenheit an den Rand des Ruins. Den Gedanken, dass wir uns allein aus der Krise heraus "innovieren" können, halte ich für eine Illusion. Unser Wachstums- und Optimierungsdrang steht uns noch immer im Weg.
Bestehende Wertmuster hinterfragen
Sollten wir bestehende Wertmuster nicht radikaler hinterfragen? Neue Technologien wie synthetische Treibstoffe und CO2-Sequestierung werden im Einsatz gegen die Klimakrise nicht ausreichen. Diese Technologien sind noch nicht ausgereift genug, um sie rasch in die Anwendung zu bringen.
Wir müssen darüber reden, was Prosperität ohne Wachstum bedeutet, und den Begriff der Suffizienz ins Zentrum rücken. Konservativ muss heißen, unsere Mitwelt zu bewahren und nicht für eine morbide Verbrennerkultur (Stichwort "Autoland Österreich") zu kämpfen. Wie können Steuern als Ressourcen für den Wandel mobilisiert werden?
Vor allem müssen wir uns überlegen, welche ökonomischen Modelle uns abseits vom Konkursverfahren und der Unternehmensliquidation zur Verfügung stehen, um klimaschädliche Sektoren zu transformieren. Ein unkontrolliertes Ende der fossilen Energiegiganten, wie es manche Klimaaktivisten fordern, wäre fatal und würde das Ende unserer demokratischen Gesellschaften bedeuten – zu sehr sind wir noch von ihnen abhängig.
Würdevolle Ausstiegszenarien
Wie kommen die Konzerne aus ihrer Extraktionslogik heraus? Die amerikanischen Wirtschaftswissenschafter Andrew Hoffmann und Douglas Ely schlagen in einem kürzlich erschienenen Aufsatz im renommierten Stanford Social Innovation Review eine Hospizlösung vor. Angelehnt an die Erfahrungen mit der Sterbebegleitung von Menschen mit unheilbaren Krankheiten stellen sie sich die Frage: Wie lassen wir die fossilen Energiekonzerne aus der Welt gehen?
Ein solcher Ansatz erfordert nicht nur die Umlenkung von Kapital und Profitströmen, sondern auch die Schaffung würdevoller Ausstiegsszenarien für die Menschen, die in den betroffenen Energiesektoren tätig sind, sowie das Umfunktionieren einer massiven Infrastruktur an Pipelines, Tankern und Raffinerien.
Dabei dürfen wir die globale Dimension nicht außer Acht lassen. Eine Energiewende nur im europäischen Schrebergarten macht keinen Sinn. Von allein werden die Ölkonzerne nicht auf diese Idee kommen. Es geht um viel Geld und um einen Sektor, der jährliche Profite von über zwei Billionen Dollar erwirtschaftet.
Vielleicht kommen sie deshalb über das Greenwashing und rein kosmetische Lösungsansätze immer noch nicht hinaus. (Philippe Narval, 19.3.2023)