Milde Temperaturen und Schneemangel in den Skigebieten: Bild eines Skibands in Riezlern im Kleinwalsertal, Vorarlberg, im Dezember 2022, kurz vor Weihnachten.

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Mit dem kalendarischen Frühlingsbeginn ist auch der erste Winterbefund da: Wie in anderen Teilen Europas verlief er auch in Österreich überdurchschnittlich mild, brachte größtenteils wenig, dann kurzfristig in manchen Regionen sehr viel Schnee. Und er war überaus trocken – vor allem im Westen hat es kaum geregnet.

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DER STANDARD

Die vorläufige Bilanz der Geosphere Austria, der seit Anfang des Jahres aus der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der Geologischen Bundesanstalt (GBA) zusammengelegten Institution an der Hohen Warte in Wien, lautet: Dieser Winter war im Tiefland der sechstwärmste in der 256-jährigen Messgeschichte.

Marillen blühen

Deswegen fehlte in vielen Skigebieten der Schnee. Und deswegen blühen bereits Disteln, Forsythien und die Blüten der Marille – ein bis zwei Wochen früher als im Mittel der vergangenen Jahrzehnte. Der warme Winter sei keine Überraschung gewesen, erklärt Klaus Haslinger, der die sogenannte Kompetenzeneinheit Klimasystem und Klimafolgen bei Geosphere Austria leitet: Damit reihe sich dieser Winter in die Winter davor. Die steigenden Temperaturen, Wärmerekorde und anderen klimatischen Ausreißer – das alles klinge spektakulär, sagt Haslinger, sei aber nicht das Dramatische. Was Haslinger hingegen "schon Sorge bereitet: dass wieder einmal zu wenig Niederschlag gefallen ist".

Ein Drittel weniger Niederschlag

So gab es in Tirol, Vorarlberg und Salzburg ein Drittel weniger Niederschlag als im langjährigen Mittel. Der fehlende Regen und Schnee seien vor allem in Hinblick auf den Sommer ein Problem. Ein feuchter Winter etwa hätte dazu geführt, dass man sich insbesondere im Osten Österreichs, wo die Grundwasserressourcen ohnehin knapper sind als im Rest des Landes, hätte entspannen können. So aber "sind die Startbedingungen für den Sommer ungünstig". Nun gelte es also, auf Regen zu hoffen, denn: Ist die Schneedecke gering, schmilzt sie schnell ab und man ist früher im Jahr von Niederschlägen abhängig.

Extremere Hitzeperioden

Bleibt der Regen aus, droht nach der Winterdürre eine Sommerhitze. Perioden großer Trockenheit sind zwar in Österreich keine völlig neue Entwicklung, sie fielen in den vergangenen 30 Jahren jedoch deutlich extremer aus als zuvor. Ein Land, in dem es an Regen und Schnee nie mangelte, ist durch die Klimakrise von chronischer Wassernot bedroht.

Die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung sei zwar nicht gefährdet, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) kündigte am Freitag aber einen Vorsorge- und Notfallplan für eine sichere Trinkwasserversorgung an. Ein Gipfel mit Bundesländerbeteiligung soll in der Zeit nach Ostern folgen.

Fünf Zahlen verdeutlichen den Ernst der Lage:

22 Wetterstationen der Geosphere Austria vermeldeten zum Jahreswechsel neue Wärmerekorde in ganz Österreich. In Innsbruck gab es am 18. Februar 2023 mit 21,7 Grad einen neuen Monatsrekord für Tirol. Drei Tage später wurde in Güssing, Burgenland, ein neuer Österreich-Rekord für den Winter gemessen: 22,1 Grad.

60 Zentimeter weniger Schnee als im Vorjahr lagen Ende Februar auf dem Hohen Sonnblick: 127 Zentimeter waren es an diesem Punkt in den Salzburger Tauern auf über 3100 Meter Seehöhe. Das knackt den bisherigen Negativrekord von 150 Zentimetern im Jahr 1992. In Wien wiederum lag Ende Februar mehr Neuschnee als in Teilen Tirols: 31 Zentimeter waren es in der Hauptstadt, in Umhausen im Ötztal waren es nur 20; im Mittel sind es dort 91.

46 Millimeter Niederschlag gab es im niederösterreichischen Wiener Neustadt, dem trockensten Ort in diesem Winter. Der Grundwasserpegel in der Region sinkt dort seit Jahren. Um 15 bis 60 Prozent trockener war es im Westen in diesem Winter verglichen mit dem Klimamittel 1991 bis 2020. Im Süden und stellenweise im Osten gab es 15 bis 45 Prozent mehr Niederschlag.

112 Zentimeter war die Wasserhöhe der Leitha, einem Nebenfluss der Donau in Niederösterreich, dem Burgenland und Ungarn, Mitte März. Im Durchschnitt liegt sie zu diesem Zeitpunkt bei 136 Zentimetern. Die Trockenheit macht vor allem dem Burgenland seit Jahren zu schaffen, aktuell vor allem im Norden. Der Niederschlagsmangel spiegelt sich auch in fast allen Wasserständen der Flüsse und Seen in dem Bundesland wider.

2,8 Grad mehr als im Mittel von 1961 bis 1990 – also jener Periode, die von der Klimaerwärmung noch nicht so stark betroffen war – wurden in diesem Winter im Tiefland gemessen. In Wien war es im Jänner wärmer als in Madrid. Von den Sonnentagen her liegt der Winter 2022/23 im Mittelfeld der knapp 100-jährigen Sonnenscheinmessreihe Österreichs. Frost und Eistage waren eher die Ausnahme. (Anna Giulia Fink, 20.3.2023)