Am Wohnungsmarkt werden manche Menschen ausgeschlossen.

Foto: Simon Klausner/Getty

Leider sei die Wohnung schon weg. Ebenso die nächste, wenn denn überhaupt eine Antwort auf die Anfrage kommt. Wer schon einmal mit einem Namen, der nicht "österreichisch" klingt, auf Wohnungssuche war, kennt solche Anekdoten.

1. Der Hintergrund

Ich bin eine der beiden Autorinnen dieses Textes, dieser Name ist meiner. Vor einigen Jahren musste eine neue Wohnung her: Ich war jung, hatte fast fertig studiert, arbeitete – und lebte noch bei meinen Eltern. Also durchforstete ich wochenlang Immobilienplattformen. Meine Ansprüche: leistbar, gut gelegen, hell.

Es wäre einfacher gewesen, ein Einhorn zu suchen. Häufig blieb die Antwort auf meine Anfragen aus. Keine Einladung zur Besichtigung, keine Absage, nichts. Das könnte an der schieren Zahl der Wohnungssuchenden liegen, dachte ich zuerst. Doch selbst bei Anzeigen, die erst kürzlich online gingen, herrschte Funkstille, immer wieder. Bei Wohnungen, bei denen ich das Glück hatte, zur Besichtigung eingeladen zu werden, und die mir zusagten, klappte es trotzdem nie: Stets war bereits ein anderer Mieter gefunden. Bis heute frage ich mich, warum ich so erfolglos gewesen bin. Schließlich wussten die Anbieter von mir eigentlich nur, dass ich Anfang 20 und angestellt war. Wurde ich ignoriert, weil mein Name ausländisch klingt? Meine Kollegin Franziska Zoidl und ich hatten eine Idee, um diese Frage zu beantworten.

Gleich vorweg: Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit ist bei der Wohnungssuche in Österreich verboten. Das Problem ist aber, dass sie schwer zu beweisen ist. Die Wohnung könnte man ja theoretisch auch aus anderen Gründen nicht bekommen haben. Die Methoden sind zudem in den vergangenen Jahren subtiler geworden: "Keine Ausländer" findet man in Inseraten so gut wie nicht mehr. Für Menschen auf Wohnungssuche bleibt nach der wiederholten Absage oft nur ein komisches Gefühl zurück.

2. Der Selbstversuch

Wie rassistisch ist der Wiener Wohnungsmarkt? Wir wollen dem gemeinsam nachgehen. Auf dem Papier sind wir einander ähnlich: Wir sind jung, weiblich, Österreicherinnen und beim selben Arbeitgeber angestellt. Der einzige Unterschied: der Name. Franziska Zoidl klingt österreichisch, Muzayen Al-Youssef nicht.

Also sehen wir uns mit zwei Accounts auf einer Immobilienplattform um. Unser Suchprofil: eine Singlewohnung, die unter 800 Euro Miete pro Monat kostet und in den inneren Wiener Bezirken liegt. Entscheidend ist, ob wir auf unsere Anfrage hin das Angebot einer Besichtigung bekommen – oder nicht.

Fast zeitgleich verschicken wir über mehrere Monate hinweg jeweils 100 Anfragen, zur Hälfte an professionelle Maklerinnen und Makler, zur Hälfte an Privatpersonen.

3. Das Ergebnis

"Guten Morgen, Herr Al-Youssef", schreibt die Vermieterin einer Zweizimmerwohnung im fünften Wiener Gemeindebezirk. "Herr Al-Youssef" ist übrigens eine Frau, wie aus der Anfrage eigentlich hervorgeht. Leider hätten schon einige Leute die Wohnung besichtigt und seien "ernsthaft interessiert". Daher mache sie keine Besichtigungen mehr.

Das ist schade, kann aber passieren. Günstige Mietwohnungen sind am Wohnungsmarkt immerhin heiß umkämpft – nur trudelt noch am selben Tag eine Nachricht auf den Account ein, den wir unter dem Namen "Franziska Zoidl" angelegt hatten, mit der Bitte um einen Gehaltszettel und dem Angebot einer Besichtigung in der kommenden Woche.

Zufall? Nein, denn bei dem einen Erlebnis bleibt es nicht. 52 der 100 Anfragen – mehr als die Hälfte – vom Account "Muzayen Al-Youssef" bleiben unbeantwortet oder erhalten eine Absage. Bei "Franziska Zoidl" sind es nur 29 von 100, also weniger als ein Drittel.

Sprich: "Muzayen Al-Youssef" wird ungleich öfter abgesagt oder, häufiger, einfach ignoriert. Wenn eine Einladung erfolgt, erhält "Muzayen Al-Youssef" diese oft später als "Franziska Zoidl". Ein Vermieter, der uns beide zur Besichtigung lädt, fügt bei "Muzayen Al-Youssef" außerdem noch hinzu, dass er einen Staatsbürgerschaftsnachweis sehen möchte.

Unsere Erfahrungen am Wohnungsmarkt könnten nicht unterschiedlicher sein. Ich bin offenbar der Jackpot für Makler und bekomme häufig gleich konkrete Besichtigungsangebote noch am selben oder am nächsten Tag. Ein Unternehmen rief mich tagelang an, um mich zu einer Besichtigung einzuladen.

Mehrmals warnt mich Franziska vor, wenn sie Anrufe mit Einladungen zu einer Besichtigung erhält. Mein Handy bleibt häufig stumm. Ich blicke in meinen Posteingang. Bei meinen Anfragen steht "gelesen". Ansonsten Stillschweigen.

Noch tiefer wird die Kluft, wenn wir uns den Unterschied zwischen den Reaktionen durch private Vermieterinnen und Vermieter ansehen. Diese ignorierten oder sagten "Muzayen Al-Youssef" in 34 von 50 Fällen ab, "Franziska Zoidl" hingegen nur in 16.

Aber auch Maklerinnen und Makler unterscheiden zwischen uns. Ein Maklerunternehmen etwa bietet "Franziska Zoidl" eine Einzelbesichtigung gleich für den nächsten Tag an.

An "Muzayen Al-Youssef" schreibt es hingegen, dass die Eigentümerin nun vielleicht doch bereits selbst eine Mieterin habe. Einige Tage später fragen wir als "Franziska Zoidl" erneut beim Makler an, wie es mit der Wohnung aussieht. Die Wohnung ist zu haben, sagt er am Telefon – und lädt uns zu einer Besichtigung noch am selben Tag ein. Wir erbitten uns ein wenig Bedenkzeit.

Kurz darauf fragen wir als "Muzayen Al-Youssef" per E-Mail an, ob die Wohnung noch verfügbar ist. Noch bevor "Franziska Zoidls" Besichtigungstermin stattgefunden hätte, sagt er ab. Vertragsvorbereitungen seien bereits im Gange, er würde sich melden, falls die Immobilie wieder am Markt sein sollte.

4. Die Reaktionen

Wir wollen wissen, warum unsere Erfahrungen so gegensätzlich sind – und gehen auf Konfrontation. Zugegeben, das kostet uns einiges an Überwindung: Wie fragt man, ob jemand rassistisch gehandelt hat? Wir tasten uns vorsichtig heran, schlagen am Telefon einen netten Plauderton an, geben uns als Journalistinnen zu erkennen und fragen in die darauffolgende Stille: Wie kommt es, dass "Franziska Zoidl" zur Besichtigung eingeladen wurde, "Muzayen Al-Youssef" aber nicht?

Eine konkrete Antwort bekommen wir weder von Maklerunternehmen noch von Privatpersonen. Es sei ein Irrtum gewesen, die Anfrage sei durchgerutscht, man sei noch am Abarbeiten oder überfordert von der Flut an Nachrichten. Vor uns offenbart sich ein bunter Strauß an Begründungen, sowohl bei Privatpersonen als auch bei Maklerunternehmen immer mit dem gleichen Tenor: Rassistische Motive? An den Haaren herbeigezogen!

Als Beleg schickt uns ein Makler, den wir kontaktieren, den Screenshot einer Unterhaltung mit einer Person mit ausländisch klingendem Namen. Diese Rechtfertigung – man kommuniziere ja auch mit "anderen Ausländern" – hören wir immer wieder. Mehrmals argumentieren Makler, die Anfrage vom Account "Muzayen Al-Youssef" sei später eingetroffen. Dabei haben wir sie abwechselnd im Abstand von wenigen Minuten abgesendet.

5. Das Problem

Wer bei der Wohnungssuche diskriminiert wird, hat zwar keinen Anspruch auf die jeweilige Immobilie – aber auf Schadenersatz. Der Haken: Dafür muss man die Diskriminierung erst einmal belegen. Das ist uns bei unserer Recherche einige Male gelungen – eine Wohnung ist zu haben, wenn die eine Person anfragt, aber schon weg, wenn die andere sich erkundigt. Doch im Alltag und abseits einer gezielten Recherche lässt sich das kaum beweisen. Betroffene bekommen Absagen oder werden ignoriert – aber sie erfahren nicht, ob Menschen mit autochthon klingenden Namen sehr wohl zur Besichtigung geladen wurden.

Außerdem ist die Wohnungsbesichtigung nur der erste Schritt. Letztlich entscheidet nicht der Makler, sondern der Vermieter oder die Vermieterin, wer die Wohnung bekommt. In unserem Selbstversuch stellen wir fest, dass Private noch eklatanter zwischen uns unterscheiden. Doch auch hier lässt sich eine Ungleichbehandlung kaum belegen.

Was können Betroffene also tun? Asiye Sel von der Arbeiterkammer Wien ist Mitglied der Gleichbehandlungskommission. Unsere Rechercheergebnisse überraschen sie nicht. Sie rät Betroffenen, im Verdachtsfall eine Überprüfung durch die Gleichbehandlungskommission zu beantragen. Das Gremium führt dann kostenlos ein Verfahren, bei dem es beurteilt, ob eine Diskriminierung vorliegt. Nur: Diese Prüfung dauert – und sie ist rechtlich nicht bindend. Damit Betroffene tatsächlich Schadenersatz bekommen, müssen sie ihn erst einklagen. Häufig schauen nur einige Hunderte Euro heraus. Die Gerichtskosten tragen die Betroffenen selbst.

Aufgrund des Prozessrisikos landeten solche Fälle nur selten vor Gericht, weiß Sel. Und auch eine außergerichtliche Einigung sei unwahrscheinlich, da es noch zu wenige Gerichtsentscheidungen zur Orientierung gebe.

Die Problematik lässt sich aus diesen Gründen schwierig beziffern. Die Antidiskriminierungsstelle Zara und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), die Betroffene beraten, vermelden einige Dutzende Fälle jährlich. Sie betonen, dass die Dunkelziffer wohl viel höher ist.

6. Und jetzt?

Das Fazit aus Gesprächen mit zahlreichen Expertinnen und Experten lautet: Der Spielraum für Betroffene ist in der Praxis, trotz Diskriminierungsverbots, klein. Wirklichen Schutz bietet die derzeitige Gesetzeslage nicht. Wer aufgrund rassistischer Motive keine Wohnung bekommt, kann zwar mit viel Aufwand versuchen, sich zu wehren. Am Ende kassiert man dafür vielleicht ein wenig Geld – bleibt aber dennoch ohne Wohnung.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert daher schon länger Verbandsklagerechte. Das würde heißen, dass sie bei wiederholter diskriminierender Wohnungsvergabe ein Immobilienunternehmen auf Unterlassung klagen könnte. Dies würde mehr Effekt als Einzelklagen haben und "zu tatsächlichen Veränderungen führen", sagt Sandra Konstatzky, Leiterin der GAW: "In manchen Fällen braucht es Klagen von Institutionen", argumentiert sie. Einige wenige richtungsweisende Musterklagen würden ausreichen, um in Zukunft Rechtssicherheit zu schaffen. Was es außerdem braucht: noch mehr Sensibilisierung in der Immobilienbranche. Menschen mit Migrationsbiografien würden wegen Diskriminierung in noch teurere Wohnungen gedrängt, sagt Asiye Sel – "obwohl gerade diese Menschen oft sozioökonomisch besonders schlecht gestellt sind".

Die Wohnungssuche ist abgeschlossen. Wie stark zwischen Franziska und mir unterschieden wurde, überraschte mich in der Dimension. Meine private Suche nach einer Wohnung auf dem freien Mietmarkt habe ich schließlich aufgegeben, inzwischen lebe ich in einer Gemeindewohnung. Unsere Recherche war fiktiv. Doch für viele Menschen bleibt Diskriminierung am Wohnungsmarkt Realität.

(Recherche & Text: Muzayen Al-Youssef, Franziska Zoidl | Gestaltung: Sebastian Kienzl, 26.3.2023)