Selbst auf Monden vagabundierender Exoplaneten ohne Heimatstern wäre Leben theoretisch möglich.

Illustr.: NASA / JPL-Caltech / R. Hurt

Obwohl der entscheidende Beweis noch ausständig ist, sind viele Fachleute davon überzeugt, dass Leben nicht auf die Erde beschränkt ist. Ein Blick auf die unfreundlichen Bedingungen, unter denen Organismen auf unserem Planeten lange Zeit überdauern oder sogar gedeihen können, lässt ein praktisch steriles All unwahrscheinlich erscheinen. Ein Forschungsteam hat diesen Gedanken nun ins Extreme getrieben und die Möglichkeiten für einen spektakulär einsamen Hort für Leben untersucht.

Immerhin ein paar entscheidende Hürden müssen auf dem Weg zu lebendiger Materie überwunden werden. Die chemischen Bausteine müssen vorhanden sein, und die Gegend sollte über Milliarden Jahren hinweg einigermaßen stabil bleiben. Es braucht außerdem eine kontinuierliche Energiequelle, und wahrscheinlich macht auch das Vorhandensein von flüssigem Wasser einen entscheidenden Unterschied, zumindest wenn man von dem ausgeht, was man über das irdische Leben weiß.

Keine Chance für Vagabunden?

An Letzterem orientiert sich die sogenannte habitable Zone eines Sternsystems. Es herrscht breiter Konsens darüber, dass dort, wo gerade genug Sonnenenergie ankommt, um das Wasser zwischen Frost und Verdampfen zu halten, die besten Lebensbedingungen zu finden sind. Damit hätten wohl vagabundierende Exoplaneten ohne eigenen Stern eher schlechte Karten. Völlig abschreiben sollte man die isolierten Wanderer jedoch nicht, denn es geht auch ohne eine habitable Zone, finden Forschende des Exzellenzclusters Origins an der Universität München (LMU).

Mittlerweile kennt man dutzende Kandidaten für Welten, die schwerkraftmäßig an keinen Stern gebunden sind, sondern gleichsam allein durchs finstere All treiben. Wahrscheinlich wurden sie durch dynamische Instabilitäten aus ihren Planetensystemen geworfen. Hochrechnungen auf Basis bisheriger Beobachtungen lassen sogar auf eine gewaltige Menge dieser planetaren Einzelgänger schließen. Womöglich kommen auf jeden Stern in der Milchstraße annähernd zwei freifliegende Planeten (FFPs) mit der Masse eines Jupiters.

Monde der Gasriesen

Wie sollte dort also Leben existieren können, so ganz ohne Muttergestirn? Das Fehlen einer wärmenden Sonne könnte durch die Gravitationskraft des Gasriesen wettgemacht werden, spekulieren die Forschenden um Giulia Roccetti von der LMU im "International Journal of Astrobiology". Ein Beispiel dafür, wie so etwas funktionieren könnte, findet man in unserem eigenen Sonnensystem.

In den letzten Jahrzehnten verdichteten sich die Hinweise, dass gleich mehrere Monde der großen Gasriesen Jupiter und Saturn unter ihren Eispanzern flüssige Wasserkörper verbergen. Ganz oben auf der Liste steht Jupiters kleinster Galileischer Mond Europa: Bisherige Beobachtungen lassen darauf schließen, dass die starken gravitativen Kräfte, mit denen Jupiter den Mond durchknetet, genug Wärme erzeugen, um einen ganzen Ozean unter der Eisschale flüssig zu halten. An manchen Stellen dringt das Wasser sogar aus dem Untergrund hervor und schießt in Form von Eis-Geysiren ins All hinaus.

Genug Wasser für die Chemie

Ähnliche Mechanismen könnten auch auf Monden um einen freifliegenden Planeten am Werk sein, wenn ihre Umlaufbahnen entsprechend eng und exzentrisch sind. In einer früheren Studie demonstrierten Forschende des Origins-Clusters, dass erdgroße Monde um jupiterähnliche Planeten tatsächlich flüssiges Wasser besitzen könnten. Die Ergebnisse legten nahe, dass die auf Mondoberflächen möglichen Wassermengen zwar gering wären. Aber sie würden ausreichen, um chemische Prozesse anzukurbeln, die zu Leben führen können.

Als problematisch könnte sich die Tatsache erweisen, dass die Umlaufbahn von Exomonden um FFPs mit der Zeit weniger exzentrisch und mehr kreisförmig wird. Dadurch verringern sich die Gezeitenkräfte und folglich auch die Heizeffizienz. Das Team um Roccetti hat deshalb ein neues, realistisches Modell entwickelt, um die Entwicklung von Mondbahnen über lange Zeiten nachzustellen.

Heizung für Milliarden Jahre

Dabei zeigte sich, dass einige Mondumlaufbahnen tatsächlich geeignet wären, selbst über einige Milliarden Jahre hinweg für eine stabile Heizsituation zu sorgen. "Wir fanden heraus, dass Exomonde mit kleinen Bahnradien nicht nur die größten Chancen haben, den Rauswurf ihres Planeten aus seinem Planetensystem zu überleben, sondern auch über den längsten Zeitraum exzentrisch bleiben", erklärt Roccetti.

Nimmt man außerdem eine entsprechende Mindestmasse an, könnte eine dichte Atmosphären auch einen Wasserkreislauf aufrechterhalten. Nichts würde also dagegen sprechen, dass auf dem Mond eines einsam durchs All vagabundieren Planeten Wasser längere Zeit flüssig bleibt. Im Gegenteil: Insbesondere erdgroße Monde mit venusähnlichen Atmosphären, die kleine Abstände zu ihren Gasriesen haben, wären interessante Kandidaten für habitable Welten. Wie gut sie sich in der Finsternis zwischen den Sternen beobachten lassen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. (tberg, red, 24.3.2023)