Das Faser-Experiment am Kernforschungszentrum Cern soll energiereiche Neutrinos aufspüren, aber auch nach anderen leichten, schwach wechselwirkenden Elementarteilchen suchen.

Je kleiner ein Teilchen, desto größer die Apparaturen, mit denen man sie beobachten will. Für Neutrinos scheint das ganz besonders zu gelten. Um diese flüchtigen, annähernd masselose Teilchen nachzuweisen, sind riesige Anlagen notwendig. Das Icecube-Observatorium in der Nähe der Amundsen-Scott-Südpolstation beispielsweise besteht im Wesentlichen aus einem Eiswürfel von einem Kilometer Seitenlänge, der mit 5.160 hochempfindlichen Lichtsensoren durchsetzt ist.

Neutrinos entstehen in der Sonne, bei energiereichen kosmischen Ereignissen, oder in der Atmosphäre. Auch in Kernreaktoren werden Neutrinos freigesetzt, und nicht zuletzt kann man diese sogenannten Geisterteilchen auch in Teilchenbeschleunigern erzeugen, indem man zwei Partikelstrahlen mit extrem hoher Energie aufeinanderprallen lässt.

Neutrinos aus dem LHC

Der Nachweis, dass dabei tatsächlich Neutrinos frei werden, fehlte allerdings – bisher waren die kaum mit Materie interagierenden Teilchen den Detektoren der Beschleuniger immer entkommen, ohne Spuren zu hinterlassen. Das hat sich nun aber geändert: Ein Team mit Beteiligung der Universität Bern hat erstmals mit dem Faser-Teilchendetektor Neutrinos nachgewiesen, die vom Large Hadron Collider (LHC) des Kernforschungszentrums Cern bei Genf erzeugt wurden.

Detektoren wie Icecube oder das Deep Underground Neutrino Experiment (DUNE), das gerade in den USA gebaut wird, sind darauf ausgerichtet, viele verschiedene Eigenschaften von Neutrinos aus unterschiedlichen Quellen untersuchen zu können. Jedoch sind diese Experimente nicht auf hochenergetische Neutrinos zugeschnitten.

153 Ereignisse

Diese Lücke sollte das Faser-Experiment (Forward Search Experiment) schließen. "Im Faser-Experiment untersuchen wir Neutrinos, die vom LHC am Cern mit sehr hoher Energie erzeugt wurden", sagte Akitaka Ariga, Leiter der Faser-Gruppe von der Universität Bern. "Ziel ist es, herauszufinden, wie diese Neutrinos entstehen, ihre Eigenschaften zu studieren sowie nach neuen Elementarteilchen zu suchen."

Der Neutrinokandidat im Faser-Detektor: Zu sehen ist ein Myon (rote Linie), erzeugt durch ein Neutrino im Wolfram/Emulsionsdetektor (gelb). Dabei werden auch Sekundärteilchen erzeugt, die im Interfacetracker nachgewiesen werden (gelbe Linien).
Illustr.: Faser-Kollarboration

Für die aktuelle Beobachtung von Neutrinos analysierte das Faser-Team Daten, die im Jahr 2022 am LHC aufgezeichnet wurden. Dabei konnte das Team 153 Ereignisse identifizieren, bei denen es sich mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit um Neutrino-Interaktionen handelt. Diese Neutrinos sind die energiereichsten, die jemals in einem Labor erzeugt wurden.

Sie ähneln jenen Neutrinos, die als kosmische Strahlung auf die Erde treffen und sogenannte Teilchenschauer in der Atmosphäre und unter der Erde auslösen. "Diese Entdeckung ist ein Meilenstein, da wir eine Neutrinoquelle mit unerforschten Eigenschaften erschließen", sagte Ariga. Und dies sei erst der Anfang: Das Faser-Experiment soll noch bis Ende 2025 Daten aufnehmen. (tberg, red, 20.3.2023)