Die Proteste in Israel werden fortgesetzt.

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Es ist kein Entgegenkommen und schon gar kein Kompromiss, was die ultrarechte Koalition unter Benjamin Netanjahu nun als selbsterklärte "Aufweichung" der umstrittenen Justizreform vorgelegt hat. Die Regierung, der seit Monaten breiter Protest entgegenschlägt, hat ganz einfach nüchtern kalkuliert, wie sie es anstellen könnte, auf die Kritik zu reagieren, ohne auf sie eingehen zu müssen.

Die Kalkulation ist folgende: Wenn das Parlament sich Ende März in die Pessach-Pause verabschiedet, jüdische Israelis die Feiertage und muslimische Israelis den Ramadan begehen, liegt der Fokus für einige Zeit einmal nicht auf der Regierung. Dann werden, so die Annahme, die Demonstrationen nachlassen, der Demokratieumbau wird aus den Schlagzeilen verschwinden, und die Kritiker im Ausland werden das kleine Israel aus den Augen verlieren. Nach den Feiertagen kann es dann weitergehen wie im Koalitionsabkommen vereinbart. Die Regierung wird mit ihren Plänen fortfahren, dann aber – so die Hoffnung – weniger Gegenwind zu befürchten haben.

Sicherheitspolitische Gründe

Dass die Regierung den größten Teil der Justizreform für rund drei Wochen verschoben hat, hat auch sicherheitspolitische Gründe. In zwei Tagen beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan, eine Zeit der Anspannung, die vor allem in Jerusalem schnell in Gewalt umschlagen kann. Tausende Polizisten wurden für die erwartete Eskalation nach Jerusalem beordert. Sollte die Regierung zugleich die wichtigsten Teile der Justizreform bis Ende nächster Woche beschließen, müsste ein Teil der Sicherheitskräfte für Massenproteste abgezweigt werden. Das will man vermeiden.

Wenig spricht dafür, dass die Koalition nach der Pessach-Pause zu ernsten Zugeständnissen bereit sein wird. Allen Koalitionsparteien ist klar: Das Risiko, dass die Regierung an diesen Zugeständnissen zerbrechen und abgewählt werden könnte, ist größer als die Bedrohung, die sich für sie aus den Protesten ergibt. Was die fünf Parteien eint, ist ihr bedingungsloser Wille zur möglichst uneingeschränkten Macht. Darüber können die kosmetischen Änderungen, die Netanjahus Block nun vorlegt, nicht hinwegtäuschen. (Maria Sterkl, 20.3.2023)