Die schwarz-blaue Koalition stellt Ideologie vor Evidenz, sagt der Politikwissenschafter Michael Hunklinger in seinem Gastkommentar. Er befürchtet Konsequenzen sowohl für den Wissenschafts- als auch für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich.

Die Bereiche Wissenschaft und Forschung sollen zwar in der neuen Landesregierung in ÖVP-Zuständigkeit fallen, das Arbeitsübereinkommen trägt aber auch die Handschrift des niederösterreichischen FPÖ-Chefs Udo Landbauer.
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Bezeichnend für die Ignoranz und Wissenschaftsskepsis der neuen schwarz-blauen Koalition ist nicht nur die Kürze des Kapitels "Wissenschaft" im Arbeitsübereinkommen, sondern auch die inhaltliche Engführung. Ideologie vor Evidenz. Das gilt nicht nur bei Corona, sondern auch bei vielen anderen Themen wie Bildung (Stichwort Deutsch in der Pause) oder Umwelt (Stichwort Verbrennungsmotor). Es scheint vielmehr darum zu gehen, den rechtspopulistischen Forderungen der FPÖ nachzugeben, als hier ernsthaft Wissenschaftspolitik zu betreiben. Die realen Konsequenzen einer solchen Politik werden wir in den nächsten Jahren sehen. Für den Lehr- und Forschungsstandort Niederösterreich jedenfalls ist nichts Gutes zu erwarten.

Die wahre Cancel-Culture

Gerade diejenigen, die sich meist lauthals über eine sogenannte Cancel-Culture beschweren, setzen nun genau das um. Auf geschlechtergerechte Sprache wird "im Geiste von Vernunft und Verantwortung" verzichtet. Dieser Verzicht ist allerdings keineswegs freiwillig, sondern für den Landesdienst bindend und eine Empfehlung an die Hochschulen. Universitäten und Fachhochschulen soll also empfohlen werden, wie beziehungsweise wie sie nicht sprechen sollen. Niederösterreich lässt sich somit ganz offiziell und ohne Scham vor den Karren des Antigenderismus spannen. Die FPÖ jubelt – und cancelt –, und die ÖVP schaut zu, da ihr Diversität und Gleichstellung offenbar nicht wichtig scheinen.

Dieser Versuch der Beeinflussung von Universitäten und Hochschulen mag auf den ersten Blick nicht so bedeutsam erscheinen, und er zeigt dennoch sehr deutlich, welche ideologischen Motive hier vorliegen. Das Ziel geschlechtergerechter Sprache ist es, alle Geschlechter auf respektvolle Art und Weise anzusprechen und sichtbar zu machen. Dabei geht sie über die schlichte Benennung von Männern und Frauen hinaus und leistet einen Beitrag zum Abbau von Diskriminierungen und zu mehr Gleichstellung. Dem soll künftig in Niederösterreich aktiv entgegengewirkt werden.

Wieder Provinzialität

Wissenschaftspolitik ist jedoch mehr als nur das. Bildung, Umwelt, Integration fallen im weiteren Sinne auch darunter. Der Kontext, in dem Forschung und Lehre stattfindet, wird in einer globalen und digitalen Welt immer wichtiger. Gerade da aber setzt die Koalition auf Abschottung und Provinzialität. Laut Arbeitsübereinkommen sollen zwar die niederösterreichischen Forschungseinrichtungen Anziehungspunkt für exzellente Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus aller Welt werden, wie dies aber in einem Klima aus Xenophobie und Wissenschaftsfeindlichkeit geschehen soll, das bleibt ein Geheimnis. Die Konsequenzen werden nicht nur für den Wissenschaftsstandort, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich zu spüren sein. (Michael Hunklinger, 21.3.2023)