Nicht nur Kritik, sondern auch verfassungsrechtliche Bedenken gibt es am Programm von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Udo Landbauer (FPÖ).

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Es musste von einem Moment auf den anderen recht schnell gehen: Die ÖVP fand nach wochenlangen Verhandlungen mit der SPÖ zu keiner Einigung und verhandelte deshalb im Rekordtempo ein Koalitionsabkommen mit der FPÖ. Nach der Vorstellung des Programms gibt es nun viel Kritik und auch zahlreiche juristische Bedenken.

So seien etwa die Rückzahlung von Corona-Strafen und Deutsch als Pausensprache in den Schulen nicht rechtmäßig, die Wirtshausprämie ist laut Verfassungsjuristen jedoch umsetzbar. Aber worum geht es genau? Ein Überblick.

Corona-Fonds

Die Freiheitlichen konnten sich in den Verhandlungen mit der ÖVP letztlich inhaltlich weitgehend durchsetzen: Vorgesehen ist nun ein 30 Millionen schwerer Corona-Fonds. Finanziert werden soll etwa die medizinische Betreuung von Menschen mit Impfbeeinträchtigungen, und verfassungswidrige Covid-Strafen sollen zurückgezahlt werden.

Genau hier soll es sich juristisch spießen, erklärt Verfassungsexperte Heinz Mayer im Gespräch mit dem STANDARD: "Wenn eine Behörde eine Strafe verhängt, diese nicht beeinsprucht und rechtskräftig wird, gibt es keinen Grund, diese zurückzuzahlen." Diesen gebe es nur dann, wenn eine Person, die eine Strafe bekommt, sofort Einspruch erhebt. Denn es ist laut Mayer nicht vorgesehen, nach einer Gesetzesänderung Strafen rückwirkend zurückzuzahlen. Sonst müsste es nach jeder denkbaren Änderung eines Gesetzes Rückzahlungen geben.

"Gäbe es etwa plötzlich eine Geschwindigkeitserhöhung auf Autobahnen, dann müssten ja alle Strafen aus der Vergangenheit zurückgezahlt werden", sagt Mayer. Das sei auch für Maßnahmen der Fall, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat, die Aufhebung sei nämlich immer nur für die Zukunft geltend. Außerdem bräuchte es laut Mayer für die Rückerstattung eine bundesgesetzliche Regelung. Ohne Gesetz würde eine Rückerstattung einen Amtsmissbrauch darstellen, da Gebietskörperschaften laut Verfassung verpflichtet sind, "sparsam zu wirtschaften".

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sieht die Rückzahlung skeptisch – auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) halten die Umsetzung für schwierig.

Wirtshausprämie

Mit der sogenannten Wirtshausprämie will Schwarz-Blau in Zeiten der Teuerung die "Wirtshauskultur" aufrechterhalten, Voraussetzung für die Prämie ist bloß ein "traditionelles regionales Speisenangebot". Das führte schnell zu der Frage, was denn nun traditionell niederösterreichische Küche sei. Daran knüpfen sich einige – auch juristische – Fragen: Ist das rechtlich gedeckt, wenn es Beihilfen fürs Gasthaus gibt, das Schnitzel macht, aber nicht für den Kebabladen?

Ob die Wirtshausprämie nur für urige Lokale mit Schnitzel und Bier gilt oder auch für jene mit Pizza und Kebab, bleibt offen.
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"Ich sehe die Förderung als relativ unproblematisch", sagt Peter Bußjäger, Verfassungs- und Verwaltungsjurist an der Uni Innsbruck. Der Staat handle hier nicht im Rahmen hoheitlicher Vollziehung, die Förderungen werden nicht mit Bescheiden bewilligt oder abgelehnt. Vielmehr sei das ganze Teil der sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung. Hier sei der "Gestaltungsspielraum" des Staates relativ groß, so der Jurist. Nur traditionelle Wirtshäuser zu fördern sei im Rahmen dieses Spielraums gedeckt.

Mayer argumentiert ähnlich, es sei sachlich begründbar, die traditionelle Gasthauskultur zu fördern. Das einzige Problem, das beide sehen, ist, wo die exakte Abgrenzung möglich ist: Disqualifiziert sich etwa schon ein Lokal, das eine Pizza anbietet, für die Förderung?

Sozialhilfe

Laut dem schwarz-blauen Arbeitsübereinkommen sollen hier "restriktive" Integrationsverpflichtungen als Voraussetzung für den Bezug eingeführt werden. Das ohne verfassungs- oder grundrechtliche Probleme zu regeln wird jedoch nicht einfach sein.

Zwei vergleichbare Landesregelungen, eine aus Nieder- und eine aus Oberösterreich, wurden in der Vergangenheit vom Verfassungsgerichtshof respektive dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg wieder außer Kraft gesetzt. Die niederösterreichische Bestimmung hatte vorgesehen, dass nur Ausländer und Ausländerinnen, die Deutsch auf B1- oder Englisch auf C2-Niveau beherrschten, Sozialhilfe in voller Höhe bekamen.

Die Bestimmung war eingeführt worden, nachdem Türkis-Blau im Bund im April 2019 die "Sozialhilfe neu" beschlossen hatte. Im Dezember 2019 sah es das Höchstgericht als "unsachlich" an, dass nur Ausländer mit derart guten Deutsch- oder Englischkenntnissen dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung stünden. Es setzte das Landesgesetz außer Kraft.

Ein weiterer im Arbeitsübereinkommen enthaltener sozialrechtlicher Verschärfungsplan für Nicht-Österreicherinnen und Nicht-Österreicher könnte Schwarz-Blau in Niederösterreich hingegen ohne bisherige höchstgerichtliche Einwände umsetzen: Die oberösterreichische Bindung der Wohnbeihilfe an Deutschkenntnisse auf A2-Niveau und einen fünfjährigen Aufenthalt in Österreich ist nach wie vor im Bundesland in Kraft.

Deutsch in der Pause

Für Kritik sorgt auch das schwarz-blaue Vorhaben, Deutsch als Pausensprache in den Schulen zu verankern. Die Maßnahme wäre verfassungsrechtlich nicht durchsetzbar, sagt Mayer: "Eine verpflichtende Sprache in den Pausen würde einen starken Eingriff in das Privatleben bedeuten. Im Unterricht ist es dagegen möglich, Deutsch als verpflichtende Sprache vorzugeben." Außerdem kann sich Mayer nicht vorstellen, wie eine solche Maßnahme kontrolliert werden solle.

Kritik an dem Vorhaben kam von der Wiener Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Sie sieht in dem Vorhaben eine "Missachtung der Menschenrechte", evidenzbasierte Beispiele für die Wirksamkeit würden fehlen. (Max Stepan, Irene Brickner, András Szigetvari, Renate Graber, 21.3.2023)