Seit Wochen wird in Israel gegen die Justizreform protestiert – daran wird die angekündigte "Aufweichung" wohl nichts ändern.

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Wenn es ihr Ziel war, ihre Kritiker zu besänftigen, dann hat sich die Koalition von Premier Benjamin Netanjahu ordentlich verlaufen. Montagmorgen gab sie ihren Plan zur "Aufweichung" der sogenannten Justizreform, gegen die seit Wochen hunderttausende Israelis auf die Straßen gehen, bekannt.

Wer sich ein Einlenken der Regierung erwartete, wurde enttäuscht: Bis auf einen Punkt des umfassenden Demokratieumbaus werden alle geplanten Reformschritte bloß auf später verschoben. Sie sollen in der zweiten Aprilhälfte, wenn die Knesset nach einer rund zweiwöchigen Pause für die Pessachfeiern wieder zusammentritt, beschlossen werden.

Direkter Zugriff

Nur ein Punkt soll bereits vor der Pessachpause vom Parlament mit den Stimmen der Koalition verabschiedet werden: die Neuorganisation der Richterauswahl. Dieser Teil der Reform ist der ultrarechten Koalition besonders wichtig, da sie ihr direkten Zugriff auf die Zusammensetzung aller Gerichte gibt. Derzeit hat die Justiz ein Vetorecht bei der Auswahl der Höchstrichter. In Zukunft soll die Koalition bestimmen können, wer Richter wird.

Als "Aufweichung" hat die Regierung nun geringfügige Änderungen in ihrem Gesetzesentwurf zur Richterselektion eingebracht. "Rein gar nichts wurde hier aufgeweicht", meint hingegen Gila Stopler, Professorin für Öffentliches Recht am College für Recht und Wirtschaft in Ramat Gan.

Nur in kleinen Details wurde der Entwurf geändert, im Ergebnis ändere sich nichts: "Die Regierung holt sich volle Kontrolle darüber, wer Richter werden darf. Das ist exakt dasselbe, was wir schon in Ungarn und Polen gesehen haben."

Appell von Joe Biden

Seit Wochen sieht sich die Regierung mit Appellen konfrontiert, sie möge sich auf einen Kompromiss mit den Gegnern der Reform einlassen. Bekräftigt wurde das auch von US-Präsident Joe Biden, der in einem rund dreißigminütigen Telefonat mit Netanjahu zu einem Einlenken bei den umfassenden Reformvorhaben aufrief.

Massenproteste auf Israels Straßen, negative Wirtschaftsprognosen, Revolte der Reservisten der Armee und klare Worte aus Washington – der Druck auf die ultrarechte Regierung steigt. Dessen ungeachtet lässt sie sich auch weiter auf keine Kompromissgespräche mit der Opposition ein.

Die leichte Kurskorrektur, die Sonntagabend beschlossen wurde, ist Ergebnis eines unilateralen Diskussionsprozesses der Koalitionsparteien. Die Diskussion soll nicht nur mehrere Stunden lang gedauert haben und eher hitzig verlaufen sein, sie war am Montag auch noch nicht vorbei: Mehrmals wurden neue Versionen des "aufgeweichten" Entwurfs publiziert. "Das ist eigentlich nicht die Art, wie man ein Gesetz erstellen sollte", sagt Juristin Gila Stopler.

Die Buhrufe aus der Opposition ließen nicht lange auf sich warten. Dazu gesellten sich neue Kritiker aus dem Regierungslager. Ein "Kniefall vor den Linken" und "eine Schande" sei der neue Plan, sagte Tali Gottlieb, Abgeordnete der Likud-Partei Netanjahus, im öffentlichen Sender Kan 2.

"Dafür wurden wir nicht gewählt", protestierte auch Likud-Hardliner Dudi Amsalem per Twitter. "Wir werden das nicht zulassen", erklärte Almog Cohen, Mitglied der rechtsextremen Otzma-Jehudit-Partei von Itamar Ben Gvir.

Neuer Eklat

Und während die Koalition mit sich selbst beschäftigt ist, reißt ihr Finanzminister im Ausland neue Fronten auf. Bezalel Smotritsch von der rechtsextremen Partei Religiöse Zionisten erklärte Sonntagabend auf einer Veranstaltung in Paris vor Kameras: "So etwas wie ein palästinensisches Volk gibt es nicht."

Smotritsch ist seit kurzem de facto Gouverneur des von Israel besetzten Westjordanlands, in dem knapp vier Millionen Menschen leben – 85 Prozent davon sind Palästinenser. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 20.3.2023)