Max Verstappen und Sergio Perez sind derzeit unschlagbar.

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Heißt es deshalb wieder Formel Fad statt Formel 1?

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Servus-TV-Motorsport-Experte Christian Klien glaubt nicht, dass die neue Saison langweilig werden wird.

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Mit vollem Magen am Sonntagnachmittag auf der Couch liegen, sich im Halbschlaf von der Motorsport-Königsklasse im Fernsehen berieseln lassen – Formel Fad statt Formel 1, so hat das jahrelang ausgesehen. Dann kam – gefühlt eher kurz – Spannung auf, als sich Max Verstappen und Lewis Hamilton matchten. Doch bereits nach zwei Rennen wächst heuer die Befürchtung, dass die Formel 1 endgültig dort gelandet ist, wo sie vor diesem Duell war.

Zu groß ist die Dominanz von Red Bull. Weltmeister Verstappen und Sergio Perez pflügten in Saudi-Arabien mühelos durch das Feld, mit dem zweiten Doppelsieg in Folge untermautert Red Bull seine Vormachtstellung. Noch in der letzten Runde am Sonntag hatte der zweitplatzierte Verstappen eine Bestzeit hingeknallt. "Als wir damals schnell waren, waren wir nie so schnell", verglich der britische Rekordweltmeister Hamilton seine frühere Dominanz im Mercedes mit der aktuellen von Red Bull. "Ich glaube, das ist das schnellste Auto, das ich je gesehen habe."

Dramatisch für Ferrari

Man möchte meinen, dass sich jeder andere aktuelle Formel-1-Pilot ins Red-Bull-Cockpit setzen könnte und gewinnen würde. Ganz so ist es nicht, sagt Ex-Pilot Christian Klien dem STANDARD. Aber fast so. "Die Top Ten wie Leclerc, Hamilton oder Russell wären sicherlich vorne. Aber Verstappen ist schon eine Ausnahme an Konstanz. Nur ein gutes Auto zu haben, das reicht nicht." Und dennoch hält Klien die Prognose, uns stünde eine gähnend langweilige Saison ins Haus, für verfrüht. "Red Bull hatte Probleme mit technischen Defekten, der Antriebswelle, dem Getriebe. Aber natürlich werden die Augen der anderen Teams jetzt größer. Ferrari ist nur mehr die vierte Kraft, da ist der Kessel am Dampfen. Mercedes schwimmt nur mit, Aston Martin ist der erste Herausforderer."

Kritisch für Red Bull

Ex-Formel-1-Pilot Klien, der mittlerweile bei Servus-TV als Motorsport-Experte fungiert, sieht gar Probleme auf Red Bull zukommen. Weil die Budgetobergrenze im Vorjahr überschritten wurde, erhielt der Rennstall als Strafe eine Reduzierung der Testzeit im Windkanal. "Das ist ein Handicap für Red Bull, das sich erst im Laufe der Saison auswirken wird", sagt der 40-Jährige Vorarlberger.

Budgetdeckel, Handicap-System bei Windkanal-Tests, Aerodynamik: Um die Formel-1 spannender zu machen, hat ihr neuer Eigentümer Liberty Media zahlreiche neue Regeln eingeführt. Für Klien ist das Feld näher zusammengerückt, wenn man genau hinschaue. "In Bahrain waren in der ersten Qualifying-Phase alle Autos innerhalb von 1,2 Sekunden. Das gab es noch nie." Mit Williams, Haas oder Alpha Tauri gibt es mehrere kleine Rennställe, die um Punkte fahren können. Die Budgetobergrenze liegt bei knapp 130 Millionen Euro pro Team, es wird aber laut Klien noch ein paar Jahre dauern, bis das System des Salary Caps richtig greift. Der Knowhow-Vorsprung der großen Teams ist noch sehr groß.

So mancher Formel-1-Fan wünscht sich radikalere Reformschritte. Überraschungssieger aus dem hinteren Teil des Fahrerfeldes gibt es de facto nicht. Klien: "Man könnte die Autos noch mehr standardisieren. Aber das ist dann nicht mehr die DNA der Formel 1. Dann könnte man gleich eine Formel 2 oder eine Indy Car-Serie daraus machen. Die Teams wollen ihr Wissen einbringen. Das Reglement ist schon okay so."

Mehr Chancengleichheit soll auch eine Gewichtsreduktion der Autos bringen. Die wiegen mit hybridem Antrieb knappe 800 Kilogramm, sind damit gut 250 Kilogramm schwerer als vor zwanzig Jahren, als Klien mitfuhr.

Ärgerlich für Mercedes

Für Abwechslung sorgt Fernando Alonso im Aston Martin. Der Spanier war zweimal Dritter – in Saudi-Arabien wurde eine Zeitstrafe, die ihn auf Rang vier zurückwarf, spät revidiert. Der britische Rennstall lief Mercedes und Ferrari den Rang ab. Ärgern darf sich Mercedes, denn Aston Martin ist deren Kundenteam. Motor, Hinterradaufhängung und Getriebe beziehen Alonso und Co. von den Silberpfeilen. "Und dann bauen die plötzlich ein stärkeres Auto", sagt Klien. "Da müssen sich Toto Wolff und sein Team an der Nase nehmen." Um den Titel werde Alonso nicht mitfahren, die ersten zwei Plätze hält letztlich auch Klien für vergeben. "Spannend", sagt er, "wird der Kampf um Platz drei." (Florian Vetter, 21.3.2023)