Die Credit Suisse wird von der UBS übernommen. Mit dem Deal soll wieder Ruhe und Stabilität in das Bankensystem gebracht werden. Ob diese Rechnung aufgeht, ist noch offen.

Foto: Reuters / /Edgar Su

Die öffentlichen Reaktionen auf die Übernahme der schwer angeschlagenen Credit Suisse durch die UBS fallen überwiegend negativ aus. Begriffe wie "Skandal" und "Versagen" dominieren die Berichterstattung, Politiker warnen vor den Gefahren, die von dem neuen Branchenriesen ausgehen. Kommentatoren fürchten um tausende Stellen und die Reputation des Finanzplatzes. "Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht", titelte die "Neue Zürcher Zeitung". "Diese Übernahme ist ein historischer Skandal", so der "Tages-Anzeiger".

Auch auf politischer Ebene ist die Kritik am Notverkauf der Credit Suisse groß. 109 Milliarden Franken – so hoch ist der Betrag, mit dem der Bundesrat die Rettung der Bank absichert. Die Garantie steht, trotzdem muss nachträglich das Parlament dem Deal zustimmen. Es stellt sich zwar keine Partei gegen die Milliardengarantie. Trotzdem wollen die Parteien eine außerordentliche Sitzung einberufen. Neben der schweizerischen Volkspartei fordern dies auch Grüne, SP und FDP. Stattfinden dürfte die Sondersitzung in drei Wochen. Die Grünen unterstützen laut ihrer Fraktionschefin Aline Trede die schon am Sonntag laut gewordene Forderung der SP nach einer parlamentarischen Untersuchungskommission.

Credit-Suisse-Banker wollen Boni zahlen

Für Kritik sorgt auch, dass sich die Credit-Suisse-Banker trotz Verlust von 7,3 Milliarden Euro und trotz Notrettung Boni auszahlen möchten. Die Bank habe ihren Mitarbeitern zugesichert, dass versprochene Boni und Lohnerhöhungen weiterhin gezahlt werden. Die Boni sollten am Freitag ausbezahlt werden, berichtete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf ein internes Schreiben an die Mitarbeiter. In einigen Ländern seien die Boni sogar schon geflossen. Eine Sprecherin der Credit Suisse bestätigte das Schreiben.

Die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter sagte bereits am Sonntagabend, dass der Bund kein Boniverbot verhängen könne, weil es sich nicht um eine Bankenrettung durch den Staat handle, sondern um eine private Übernahme. Das wurde später jedoch korrigiert: Zumindest das Management der notgeretteten Credit Suisse könne wohl nicht mit Boni rechnen. Gegenüber dem Management gebe es "natürlich Maßnahmen", sagte die Ministerin später im SRF-Radio. Es sei die Aufgabe der Finanzmarktaufsicht, ein Boniverbot auszusprechen. Diese, die Finma, hat dazu noch keine Auskunft gegeben: "Im ersten Schritt ging es die letzten Tage darum, eine Lösung zum Schutz der Einlegerinnen und Einleger und des Ansehens des Schweizer Finanzplatzes zu schaffen. Im zweiten Schritt werden wir weitere Fragen, auch solche, klären", zitierte die Schweizer Zeitung "Blick" den Sprecher der Aufsichtsbehörde, Tobias Lux.

EZB lobt und kalmiert

Lob für die rasche Lösung gab es hingegen auf dem internationalen Parkett. Christine Lagarde, Chefin der EZB, lobte die Übernahme. Auch Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, begrüßte den Deal, ebenso US-Finanzministerin Janet Yellen. Sie alle haben dem Vernehmen nach auch großen Druck auf die Schweizer Regierung ausgeübt, um den Deal rasch – also vor Börsenstart Montagfrüh – unter Dach und Fach zu bringen.

Der Schweizer Leitindex SMI hat am Tag nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS im Plus geschlossen. Auch die anderen wichtigen europäischen Indizes wie DAX, Cac 40 oder FTSE schlossen nach anfänglichen Schwierigkeiten im positiven Bereich. Der Plan der SNB und der Finma, die Märkte zu beruhigen, scheint damit aufzugehen. Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), sagte am Montagabend in der "ZiB2" zur Causa Credit Suisse, dass das Finanzsystem nicht so schlecht aufgestellt sei, "wenn es möglich ist, ein solches Problem an einem Wochenende zu lösen".

Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), äußerte sich am Montagabend in der "ZiB2" zum Fall Credit Suisse.
ORF

"Unser Lehman-Moment"

"Die Credit Suisse ist unser Lehman-Moment in Europa, aber wir sind uns dessen bewusst und werden nicht dieselben Fehler machen", sagte Robert Alster vom Vermögensverwalter Close Brothers in London. Die großen Notenbanken würden deshalb die nächsten in Schwierigkeiten geratenen Banken wohl erkennen und bei Bedarf unterstützen können. "Es gibt eine Menge Feuerkraft seitens der Behörden, um dem stetig erodierenden Vertrauensverlust entgegenzuwirken."

Das war am Montag auch der Tenor bei EZB und lokalen Notenbanken. Es wird beruhigt und kalmiert. Die EU-Bankenaufseher haben betont, dass der "europäische Bankensektor widerstandsfähig ist und über ein solides Kapital- und Liquiditätsniveau verfügt". Die umfassenden Maßnahmen der Schweizer Behörden "zur Gewährleistung der Finanzstabilität" seien zu begrüßen. Die Aufseher bekräftigen zugleich, für den Fall einer Schieflage einer Bank in der EU gelte eine feste Regel, in welcher Reihenfolge Aktionäre und andere Gläubiger herangezogen würden. Verluste einer Bank gingen zuerst zulasten des Aktienkapitals. Erst wenn dieses nicht ausreiche, würden Nachranganleihen, sogenanntes AT1-Kapital – das sind eigenkapitalähnliche Anleihen –, herangezogen.

Inhaber von AT1-Anleihen gehen leer aus

Im Zuge der Notübernahme der Credit Suisse wurde nämlich bekannt, dass Inhaber von AT1-Anleihen leer ausgehen sollen. Solche Papiere haben die größten Banken in Österreich – Erste Group, RBI und Bawag – nicht in ihren Depots, wie diese betonen. Damit seien sie nicht betroffen. Heimische Fonds und private Anleger würden aber entsprechende Anleihen im Wert von zwei Millionen Euro halten, sagt die Oesterreichische Nationalbank.

Dass sich der Fall der Credit Suisse auf Europas Banken oder die Wirtschaftsentwicklung gar nicht niederschlagen wird, kann aber auch nicht gesichert gesagt werden. "Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ausschließen, dass es in Deutschland und Europa zu einer Bankenkrise mit signifikanten Kosten für Wachstum und Wohlstand kommen wird", sagte Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Krise im Sektor könne sich auf die Konjunktur durchschlagen. Finanzkrisen seien aber per Definition kaum vorhersehbar. Allerdings seien die systemischen Risiken im Finanzsystem heute deutlich geringer als nach der Lehman-Pleite im September 2008. Viele Finanzinstitutionen hätten heute mehr Eigenkapital und Absicherungen.

Auswirkungen könnten die jüngsten Verwerfungen im Bankensektor jedenfalls auf die Zinspolitik haben. Am Mittwoch beraten die Fed-Experten über ihre weitere Zinspolitik. An den Finanzmärkten wird gerätselt, ob die Turbulenzen die Währungshüter nach den Erhöhungen zu einer Pause zwingen. Für die kommende Sitzung hatten viele Ökonomen eine Anhebung um einen Viertelprozentpunkt als wahrscheinliches Szenario gehalten, nachdem sich die Lage nach der Pleite mehrerer US-Regionalbanken etwas beruhigt hatte.

Der Druck ist groß

Und wie geht es jetzt weiter? Das hängt davon ab, wie groß der Druck auf die UBS ist, bleibt oder wird. Die Ausfallhaftungen sind hoch, die neue Bank hat Liquiditätszusagen nicht nur der Schweizer Notenbank – und sollte es erneut zu Verwerfungen kommen, dürfte die Regierung in Bern für weitere Absicherungsmaßnahmen wohl erneut in die Tasche der Steuerzahler greifen. Die Ansteckungsgefahr für andere Geldhäuser und die internationalen Finanzmärkte hängt vor allem vom Vertrauen der Marktteilnehmer ab.

Eines wird sich nun jedenfalls zeigen: wie stabil andere Institute aufgestellt sind. Der frühere OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny zitierte in dem Konnex jüngst einen US-Notenbanker, der einmal sinngemäß meinte: "Wenn sich die Flut zurückzieht, sieht man, wer nackt schwimmt." (Bettina Pfluger, Renate Graber, APA, 20.3.2023)