Vertreter der niederösterreichischen FPÖ fielen in der Vergangenheit immer wieder durch ihre Radikalität auf. Sie wollten eine Registrierungspflicht von Juden und Jüdinnen, bewarben NS-Liederbücher oder verbreiteten Rassismus. Und es tauchte ein Hitlergruß-Foto auf. Hier einige bekannte "Einzelfälle".

(Im Foto links: der künftige Landtagsabgeordnete Andreas Bors.)

Foto: STANDARD/Screenshot

Es war eine dreiste Aktion am Tag der niederösterreichischen Landtagswahl. Drei vermummte Identitäre kletterten auf die Parteizentrale der ÖVP in St. Pölten und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift "Politiker einsperren, Grenzen zusperren". Die ÖVP alarmierte kurzerhand die Polizei, die Männer kassierten Anzeigen wegen Sachbeschädigung. Ein weiterer Mann filmte die Szenerie mit seiner Kamera für die Inszenierung in den sozialen Medien. Dort finden die Identitären ihr Publikum.

Die Aktion am Wahlsonntag, dem 29. Jänner 2023, ließ die Wogen hochgehen. Die ÖVP sprach in einer Aussendung von einem "Sturmversuch rechtsextremer Extremisten auf die Parteizentrale", und auch der aus Niederösterreich stammende Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) reagierte scharf: "Die Freunde des Herrn Kickl waren offensichtlich wieder auf Tour. Rechtsextreme Identitäre haben heute einmal mehr gezeigt, welche Gefahr von ihnen für die Demokratie ausgeht. Wir werden uns aber von diesen Rechtsradikalen, ihren Parolen und ihren von Hass getriebenen Aktionen niemals einschüchtern lassen", sagte er.

Aktion der Identitären auf dem Dach der Parteizentrale der ÖVP in St. Pölten. Innenminister Karner dazu: "Die Freunde des Herrn Kickl waren offensichtlich wieder auf Tour."
Foto: Screenshot

Bei mindestens zwei der Identitären, die bei der Aktion dabei waren, gibt es Berührungspunkte zur FPÖ, fand das "Profil" heraus. So handelt es sich bei dem Fotografen, der die Aktion vor der Parteizentrale festhielt, um Gernot Schmidt, der im Jahr 2018 für den RFS, den Ring Freiheitlicher Studenten, kandidierte. Er ist bei den Identitären für den Aktionismus zuständig, nebenbei ist er Mitglied der extrem rechten Burschenschaft Olympia, in deren Reihen sich auch der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Martin Graf findet. Einer der Dachkletterer wurde zuvor schon bei Veranstaltungen der Freiheitlichen Jugend in Wien gesichtet.

Berührungspunkte zur FPÖ

Ein Foto zeigt die Vermummten auf dem Dach, wie sie Daumen und Zeigefinger zu einem "O" formen und die restlichen drei Finger wegspreizen. In der Szene steht dieser Code für "White Power", die rassistische Ideologie von der Überlegenheit der "weißen Rasse". Dieses Zeichen verwendete auch der FPÖ-Landesparteisekretär und Nationalratsabgeordnete Michael Schnedlitz, als er im Februar 2020 gemeinsam mit Identitären in Gänserndorf als Bannerträger demonstrierte. Schnedlitz kandidierte bei der niederösterreichischen Landtagswahl auf Platz 34 der blauen Liste.

Kontakte zu Sellner

Berührungspunkte mit den Identitären hat auch der designierte Klubobmann der niederösterreichischen Freiheitlichen, Reinhard Teufel. Er unterhielt Kontakte mit Martin Sellner, der zentralen Figur der Gruppe. Dies wurde im Jahr 2019 bekannt, nachdem ein rechtsextremer Terrorist in Christchurch, Neuseeland, 51 Muslime ermordet hatte. Nach dem Anschlag präsentierte der Attentäter ein krudes Manifest, dessen Titel "Der große Austausch" Bezug auf eine identitäre Verschwörungstheorie über einen angeblichen "Bevölkerungsaustausch" nahm. Kurze Zeit später wurde bekannt, dass der Attentäter vor seinem Anschlag Sellner Geld gespendet hatte.

Der designierte Klubobmann der niederösterreichischen Freiheitlichen, Reinhard Teufel, und der künftige stellvertretende Landeshauptmann Udo Landbauer.
Foto: APA

Gegen Teufel, damals Kabinettschef von Innenminister Herbert Kickl, wurde der Vorwurf erhoben, er habe Sellner vor einer Hausdurchsuchung gewarnt. Dies konnte allerdings nicht erhärtet werden und wurde von Teufel vehement abgestritten. Aber Teufel bestätigte, dass es Kontakt zwischen ihm und Sellner gab, dass er sich persönlich mit Sellner getroffen habe, ihm dieser hin und wieder Nachrichten auf sein Handy geschickt habe, die er fallweise auch beantwortet habe. Im Jahr 2019, als er als Kabinettschef für den Innenminister arbeitete, gab es jedoch keine Kontakte, erklärte Teufel.

Martin Sellner bei einer Demonstration in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Rechtsextreme Kritik an Landbauer

Bei dem bekannten Identitären Sellner kommt die schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich nicht besonders gut an. In einem Telegram-Video kritisiert er den Schlingerkurs des künftigen stellvertretenden Landeshauptmanns Udo Landbauer (FPÖ), der vor der Wahl die Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als "Mutter der Impfpflicht" und "Drahtzieherin des korrupten ÖVP-Systems" bezeichnete und nun doch mit ihr koaliert und sie so zur Landeshauptfrau macht.

Auch die Neonazi-Szene zeigt sich skeptisch. "Man wird sehen, ob die FPÖ irgendetwas Brauchbares macht", heißt es in einem zentralen Telegram-Kanal der Szene. Hinter der Kritik steckt auch, dass sie mit Landbauer nicht kann – da seine Mutter aus dem Iran stammt. Für Hardcore-Rechtsextreme ist er ein Beleg für den angeblichen Bevölkerungsaustausch.

Landbauer warb 2010 für Buch mit NS-Liedgut

Die Kritik kommt aus einem Milieu, das Landbauer kennt. 2010 unterstützte er die Organisation "Junge Patrioten – Verein zur Erziehung zu politischer Verantwortung". In diesem Jahr war Landbauer bereits Spitzenfunktionär der Freiheitlichen Jugend und ab April Stadtrat in Wiener Neustadt. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) klassifiziert die "Jungen Patrioten" als rechtsextrem. Die Organisation weist laut DÖW eine "völkisch-fundamentalistische Orientierung" auf.

Landbauer bat in zwei mit seinem Konterfei versehenen Schreiben an Sympathisanten der "Jungen Patrioten" um Spenden, darunter auch für ein vom Verein im Jahr 2010 herausgegebenes "Liederbüchlein für unterwegs". Das Buch beinhaltet unter anderem mit "Hohe Nacht der klaren Sterne" eines der bekanntesten Weihnachtslieder aus der Zeit des Nationalsozialismus und mit "Und wenn wir marschieren" das Bundeslied des Bundes Deutscher Mädel (BDM). Laut dem Vorwort der Herausgeber des Liederbuchs der "Jungen Patrioten" ist dessen Aufgabe, "im Dienste unseres Volkstums und in Treue zu unserem Vaterland Kräfte der Seele zu wecken und erneut zu binden".

Foto: DÖW

Österreichweit bekannt wurde Landbauer durch die sogenannte Liederbuchaffäre: Im Jänner 2018 – vor der damaligen Landtagswahl, bei der Landbauer als Spitzenkandidat der FPÖ antrat – wurde publik, dass die Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, deren stellvertretender Vorsitzender Landbauer damals war, ein Liederbuch herausgegeben hatte, in dem Vernichtungsfantasien gegenüber Jüdinnen und Juden propagiert werden ("gemeinsam schaffen wir die siebte Million").

Es fand eine Hausdurchsuchung der Polizei bei der Burschenschaft statt, auch die Staatsanwaltschaft begann mit Ermittlungen. Landbauer wurde dabei als Zeuge geführt. Er selbst bekräftigte mehrmals, die Texte weder gekannt noch gesungen zu haben.

20.-April-Glückwünsche

Kurzzeitig zog sich Landbauer damals aus der Politik zurück, er kehrte aber im Herbst 2018 in den niederösterreichischen Landtag zurück. Klubchef nach der Wahl 2018 wurde dann Martin Huber. Er wurde jedoch vom damaligen FPÖ-Bundesparteichef Norbert Hofer suspendiert, nachdem ein Facebook-Posting aus dem Jahr 2014 bekannt geworden war. Darin äußerte Huber am Hitler-Geburtstag am 20. April Glückwünsche "an jene, die heute Geburtstag haben".

Infolge dieser Liederbuchaffäre schloss Landeshauptfrau Mikl-Leitner eine Koalition mit der FPÖ aus. Heute arbeitet sie mit Landbauer zusammen.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und ihr künftiger Stellvertreter Udo Landbauer.
Foto: APA

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, übt heftige Kritik an der Zusammenarbeit der ÖVP mit den Freiheitlichen. Die FPÖ in Niederösterreich sei aufgrund ihrer Mandatare, die mehr oder weniger "fast alle Kellernazis" seien, eine ganz spezielle. "Wenn man den Kampf gegen Antisemitismus ernst nimmt, koaliert man nicht mit einer Partei, deren Vertreter eine Registrierungspflicht von Juden und Jüdinnen wollten, den Hitlergruß zeigten, NS-Liederbücher bewerben, freundschaftlich mit Shoah-Leugnern verkehren und Rassismus verbreiten. Die Liste der Abscheulichkeiten ist noch viel länger", sagt Deutsch.

Rassistischer Sager: "Dann wäre Wien noch Wien"

Der Vorwurf der Registrierung von Jüdinnen und Juden geht auf eine Diskussion aus dem Jahr 2018 zurück, als der für Tierschutz zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl prüfen ließ, ob der Bedarf koscheren Fleisches an den Wohnort gekoppelt werden könnte. Die IKG befürchtete damals, dass sich Jüdinnen und Juden registrieren lassen müssten, damit sie koscheres Fleisch kaufen können. Waldhäusl führte als Beweggrund den Tierschutz und das Einschränken von Schächtungen an.

Erst kürzlich, Anfang Februar 2023, sorgte Waldhäusl mit einem rassistischen Sager für eine Welle der Empörung. Während einer Fernsehdiskussion konfrontierte eine Schülerin Waldhäusl mit seiner Migrationspolitik: "Wenn Sie Ihre Maßnahmen schon vor Jahren durchgeführt hätten, würde die Hälfte dieser Klasse das Gymnasium in Wien heute nicht besuchen. Was sagen Sie dazu?", fragt eine Schülerin bei "Pro und Contra" auf Puls 4 den Landesrat. Seine rassistische Antwort: "Dann wäre Wien noch Wien." Waldhäusl macht nun einen Karrieresprung, er wird Zweiter Landtagspräsident in Niederösterreich.

"Den Schaden trägt die gesamte Republik"

IKG-Präsident Deutsch betont: "Natürlich wurde die FPÖ demokratisch gewählt – übrigens von den allermeisten Wählern nicht wegen, sondern trotz des Kellernazi-Hintergrunds. Aber kein Wähler legitimierte explizit eine solche Koalition. Da geht es schon auch um Werte, für die jede Partei steht und die ausschlaggebend dafür sind, mit wem man später zusammenarbeitet." Deutsch sagt weiter zum STANDARD: "Wenn man mit diesen Personen koaliert, gehen die Werte, die man sonst bei jeder Gelegenheit hochhält, flöten. Der Glaubwürdigkeitsverlust ist massiv. Den Schaden trägt die gesamte Republik."

IKG-Präsident Deutsch: "Den Schaden trägt die gesamte Republik."
Foto: APA

"Hitlergruß-Andi"

In den Landtag zieht für die FPÖ nun auch Andreas Bors ein. Eine Boulevardzeitung nannte ihn unlängst "Hitlergruß-Andi", nachdem im Jahr 2014 ein Foto aufgetaucht war, auf dem er mit erhobenem rechtem Arm auf einer Silvesterfeier zu sehen ist. Das Bild legt nahe, dass Bors und zwei Freunde den Hitlergruß machen.

Im Jahr 2015 hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wegen Wiederbetätigung allerdings eingestellt, der Vorfall sei bereits verjährt gewesen. 2017 wurde das Foto erneut ein Thema in den Medien, als die Freiheitlichen Bors in den Bundesrat entsenden wollten. Daraufhin verzichtete Bors auf das Mandat und sprach von einer "unhaltbaren Medienkampagne".

Links: Andreas Bors.
Foto: STANDARD/Screenshot

Party im Rotlichtlokal mit Gottfried Küssel

Mit dem Juristen Hubert Keyl zieht jemand in den Landtag ein, der schon seit längerem zum bekannteren Hintergrundpersonal der Freiheitlichen gehört. Dass Keyl, wie seine Frau, eine langjährige Mitarbeiterin der FPÖ, zum ganz rechten Flügel der FPÖ gehört und entsprechende Ansichten zumindest früher vertreten hat, ist die eine Sache. Er hatte 2007 in der rechten Zeitung "Zur Zeit" den Widerstandskämpfer Franz Jägerstätter einen "Verräter" genannt. Jägerstätter hatte den Kriegsdienst in der Wehrmacht verweigert und wurde dafür von den Nationalsozialisten ermordet. Die andere ist, dass das Paar 2010 in eine medial bekannt gewordene Prügelaffäre verwickelt war, in deren Rahmen auch der bekannte Alt-Neonazi Gottfried Küssel in Erscheinung trat.

Bei dem Vorfall im Rahmen einer Burschenschafter-Party in einer Rotlicht-Disco, bei dem Keyl erheblich im Gesicht verletzt wurde, soll Küssel von seiner Frau herbeigeholt worden sein, um dem Paar beizustehen. Die Geschichte soll dafür gesorgt haben, dass die Karriere von Keyl einen Dämpfer bekam. Im Jahr 2018 soll er deswegen nicht zum Bundesverwaltungsrichter ernannt worden sein. Detail am Rande: Auch der neue Klubobmann der niederösterreichischen Freiheitlichen, Reinhard Teufel, feierte damals in dem Rotlichtlokal mit.

"Profil"-Artikel 47/2010: Elisabeth und Hubert Keyl.
Foto: SdR
Gottfried Küssel bei einer Demonstration im Jänner dieses Jahres in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Zu Bors und Keyl passen weitere Kandidaten, die für die FPÖ in Niederösterreich bei der Landtagswahl antraten. Der ehemalige Grünen-Abgeordnete Karl Öllinger hat sie in dem Blog "Stoppt die Rechten" zusammengefasst und festgestellt: "Die Landesliste 2023 der FPÖ Niederösterreich ist die extremste Liste der FPÖ ever!"

Nowotny-Gedenken

Darunter ist Dieter Dorner, der in den vergangenen Jahren an der Gedenkveranstaltung am Grab des NS-Fliegers Walter Nowotny teilnahm. Zuletzt im Jahr 2019. Dabei handelt es sich um eine zentrale Veranstaltung der rechtsextremen Szene, bei der sich namhafte FPÖ-Politiker gemeinsam mit Neonazis und anderen Rechtextremen auf dem Wiener Zentralfriedhof versammeln. Die Veranstaltung ist deswegen wild umstritten.

Nowotny-Gedenken 2021 auf dem Wiener Zentralfriedhof.
Foto: Markus Sulzbacher

Nowotny war ein "eindeutiger Anhänger der NS-Ideologie", wie der ehemalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) festhielt. Nowotny soll im Zweiten Weltkrieg mehr als 450 alliierte Flugzeuge abgeschossen haben, was ihm Orden, Propagandaauftritte, eine Audienz bei Adolf Hitler und – nach einem tödlichen Flugzeugabsturz im Jahr 1944 – das Ehrengrab einbrachte. Mit den Stimmen von SPÖ und Grünen wurde im Jahr 2003, nach jahrelangen Diskussionen im Wiener Gemeinderat, die Aberkennung des Ehrengrabs beschlossen. Im niederösterreichischen Mistelbach wurde erst im vergangenen Oktober eine Gedenktafel für den NS-Flieger entfernt. Im Gemeinderat war nur die FPÖ für den Erhalt der Nowotny-Tafel. (Markus Sulzbacher, 21.3.2023)