Linke Abgeordnete hielten nach dem Ergebnis der Abstimmung Plakate hoch.

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DER STANDARD

Paris – Aufatmen im Elysée-Palast: Die vereinte Opposition gegen die Pensionsreform hat es nicht geschafft, die Regierung zu Fall zu bringen. Neun Stimmen fehlten den Reformgegnern für eine Mehrheit von 287 Stimmen in der 577-köpfigen Nationalversammlung. Ein zweiter Misstrauensantrag, der allein von den Rechtspopulisten getragen wurde, war von Beginn weg chancenlos.

Den Hauptantrag hatte der liberale Abgeordnete Charles de Courson eingereicht; die Linksunion Nupès und die Rechtspopulisten unterstützen ihn. Die konservativen Republikaner hielten mehrheitlich zum Macron-Lager, womit sie den Ausschlag gaben.

Holzhammer-Methode

Die parteiübergreifende Allianz gegen die Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre sprach Macron die Legitimität ab, eine so wichtige Reform über die Köpfe des Parlamentes hinweg in Kraft zu setzen. Am Donnerstag hatte Macrons Premierministerin Elisabeth Borne den Verfassungsartikel 49.3 aktiviert, der es erlaubt, Gesetzesprojekte ohne Abstimmung im Parlament durchzudrücken. Einzige Bedingung ist eine nachträgliche Vertrauensabstimmung. Seit der Gründung der Fünften Republik wurde dieses Prozedere schon oft angewendet. Macron musste es einsetzen, weil er in der Nationalversammlung seit seiner Wiederwahl im April keine Parlamentsmehrheit mehr hat.

Die Macron-Abgeordnete Aurore Bergé verteidigte die Holzhammer-Methode des Paragraphen 49.3 mit den Worten, Frankreich müsse regierungsfähig bleiben. Das gelte insbesondere für die Pensionsreform, die zukunftsgerichtet sei: Sie verhindere ein Defizit von 13,5 Milliarden Euro im Jahre 2030. De Courson fragte darauf zurück, warum die Regierung denn im ordentlichen Haushalt ein Defizit von 155 Milliarden Euro zulasse.

Bergé warf den Linken und Liberalen dagegen vor, sie machten bei dem Misstrauensantrag gemeinsame Sache mit der extremen Rechten. Bissig fragte sie, ob die Linksaußen vielleicht Marine Le Pen im Wirtschaftsministerium vorsähen, wenn sie einmal an die Macht kämen.

Weitere Proteste geplant

Ungeachtet der automatischen Inkraftsetzung der Reform mobilisieren ihre Gegner weiter dagegen. Für Donnerstag planen sie einen weiteren Protesttag. Die Gewerkschaften warnen vor einer Radikalisierung der Basis und Krawallen, falls der Präsident stur an der Reform festhalte. Der Vorsteher der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, forderte Macron am Montag eindringlich auf, das Dekret zur Inkraftsetzung der Pensionsreform nicht zu unterzeichnen. In einer Zuschrift an die Zeitung Le Monde schrieb er zusammen mit anderen Unterzeichnern, ein solches Beharren würde "die Demokratie ins Wanken bringen".

In Frankreich werden Bahn und Ölraffinerien seit Tagen bestreikt. In mehreren Städten sperren Angestellte der Müllabfuhr die Zufahrten zur Kehrrichtverbrennung, was namentlich in den Pariser Straßen zu riesigen Abfallbergen führt. Die Regierung hat als Ersatz Angestellte privater Müllfirmen aufgeboten, allerdings ohne die Lage wirklich zu entschärfen. (Stefan Brändle aus Paris, 20.3.2023)