In der Menü-Manufaktur wird ab fünf Uhr morgens für Kindergärten gekocht. Circa 15.000 Portionen entstehen in der Großküche pro Tag. An einem Mittwoch im März stehen Schnitzel, Rahmfisolen und Suppe mit Gemüseeinlage auf dem Speiseplan.
Regine Hendrich

Der Teig zischt, als Rexford ihn mit dem Messbecher auf die heiße Platte gießt. Seit fünf Uhr morgens steht der Koch an der Kippbratpfanne, die fast einen Meter lang ist. Bereits 200 Liter Teig hat er zu 120 Schalen Kaiserschmarrn – ohne Rosinen – verarbeitet. Mit schnellen Griffen wendet er den Schmarrn.

Der Schmarrngeruch vermischt sich mit dem Duft von Frittiertem. Neben Rexford brät Ashraf in zwei Fritteusen Schnitzel. Die goldbraunen Teile mit einer Panier, die Blasen wirft, lässt er abtropfen. 3.000 sollen es heute insgesamt werden. Gegenüber schöpft Kollegin Rajwinder Dinkel-Grießkoch aus einem 400-Liter-Topf – mit einer Kelle, so groß wie ein Fußball. Neben ihr mischt Guido Dill unter die klein geschnittenen Fisolen. Seine Schürze hat ein paar grüne Spritzer abbekommen. In einer großen Wanne rührt er das Obers unter.

Es ist viel los um halb zehn morgens in der Menü-Manufaktur in Wien-Floridsdorf. 15.000 Gerichte werden hier im Schnitt pro Tag zubereitet. Die Schnitzel, Rahmfisolen mit Rösti und der Kaiserschmarrn, die in der Großküche an einem Mittwoch im März gekocht werden, landen in den nächsten Tagen und Wochen auf den Tellern von Kindern in rund 250 privaten Kindergärten und Schulen im Großraum Wien. Darunter sind etwa Einrichtungen der Kinderfreunde, Kinder in Wien und St.-Nikolaus-Stiftung.

Wiener Kindergärten

Wer in Wien städtische Bildungseinrichtungen verpflegen will, muss sich dafür bewerben. Für die öffentlichen Ganztagsschulen gehen die Verträge seit Jahren an die Caterer Max mit der Linie Max4Kids und Gourmet mit Smilemenues. Bei den städtischen Kindergärten, wo rund 27.000 Kinder mit einem Smilemenue versorgt werden, ist es ähnlich. "Die Ausschreibung unterliegt einerseits den Nachhaltigkeitskriterien der Stadt sowie den ernährungstechnischen Grundlagen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) und erfolgt nach dem Bestbieterprinzip", heißt es von der für Kindergärten zuständigen MA 10.

3.000 Schnitzel frittiert Ashraf an einem Mittwoch im März in der Küchen-Manufaktur in Wien-Floridsdorf.
Regine Hendrich

72,33 Euro monatlich kostet der Essensbetrag für städtische Kindergärten. Insgesamt soll das Essen für alle Familien leistbar und die Versorgung der Schulen sichergestellt sein. Insofern ist es naheliegend, dass laut Bildungsdirektion ein "Mindestmaß an wirtschaftlicher und technischer Leistungsfähigkeit gegeben sein muss". Künftig sollen alle öffentlichen Kindergärten nur mehr von einem Anbieter beliefert werden. Die Verhandlungen seien "auf der Zielgeraden".

Den ÖGE-Vorgaben entspricht auch die Menü-Manufaktur, betont Geschäftsführerin Christina Kejik-Hopp. Die Lebensmittel beziehe die Firma soweit es geht saisonal und regional, Obst und Fleisch kämen von Bauern aus der Umgebung. Pro Woche können aus 15 Menüs zwei Bio-Menüs gewählt werden.

Cook and Freeze

Nur wenige Meter abseits der Kücheninseln wiegt eine Angestellte der Menü-Manufaktur pro Schale je 130 Gramm gefrorene Rüben, die Suppeneinlage, die anschließend in die Bio-Pappschalen aus kompostierbarer Cellulose gefüllt wird. Auf einem Förderband werden die Schalen – früher bestanden sie aus Aluminium – versiegelt und etikettiert. Ein Metalldetektor prüft, ob sich Fremdkörper ins Essen gemischt haben.

Schockgefrostete Rüben werden abgewogen: 120 Gramm soll die Einlage für die Suppe wiegen. Diese wird dann in die Bio-Pappschalen abgefüllt, versiegelt und etikettiert.
Foto: Regine Hendrich

Anschließend kommen die Schalen bei minus 40 Grad Celsius in den Schockfroster und werden im Lager bis zur Auslieferung tiefgekühlt. "Schockgefrorenes Essen, sogenanntes Cook and Freeze, ist nährstoffmäßig besser als gekühltes Cook and Chill", sagt Kejik-Hopp. So blieben die natürliche Struktur, Geschmack, Farbe, Konsistenz und Nährstoffe der Lebensmittel weitgehend erhalten. Die meisten Kindergärten erhalten das tiefgefrorene Goldmenü, wie die Kinderlinie bei der Menü-Manufaktur heißt.

Ein weiteres Versprechen der kindgerechten Gerichte: keine Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, Palmöl und Gentechnik. Und: eine milde Würzung, ein definiert geringer Salzgehalt sowie kleine Stücke und viel Soße. "Ein Kindergulasch ist soßenlastiger, hat ein bisschen Gemüse und kleine, weichere Fleischstücke. Erwachsene würden da fragen, wo ihr Fleisch geblieben ist", erklärt Kejik-Hopp.

Die Portionen werden im Schockfroster bis minus 40 Grad gefroren. Beim Tiefkühlen bleiben die natürliche Struktur, Geschmack, Farbe, Konsistenz und Nährstoffe der Lebensmittel weitgehend erhalten.
Regine Hendrich

Ernährungsgewohnheiten von Kindern entwickeln sich laut der Wiener Kinderdiätologin Stephanie Büchler in den 1000 ersten Lebenstagen – also etwa in den ersten drei Jahren. Deshalb ist es so wichtig, dass sie in dieser Zeit ausgewogen essen. Damit die Kinder nicht nur die beliebten, aber nicht sehr abwechslungs- und vitaminreichen Gerichte wie Nudeln, Pizza und Chickennuggets essen, verstecken die Köchinnen und Köche der Menü-Manufaktur das Gemüse klein geschnitten in Suppen, Soßen oder Fleischlaibchen.

Ausgewogene Speisepläne

Ebenso entwickeln die Ernährungswissenschafterin und der Entwicklungskoch neue vegane und vegetarische Speisen, die dem Zeitgeist entsprächen. "Geschmäcker und Ernährungstrends ändern sich. Wir haben die Verantwortung, mit ausgewogenem Essen gesunde Ernährungsgewohnheiten mitzuprägen", sagt Geschäftsführerin Kejik-Hopp. Bei der Bolognese aus roten Linsen waren die Kinder anfangs skeptisch, berichtet die Ernährungswissenschafterin Katharina Albrecht, doch "mittlerweile ist das eines der beliebtesten Gerichte".

Letztlich hängt das, was die Kinder zu essen bekommen, davon ab, was die Pädagoginnen und Pädagogen bestellen und ob beispielsweise die Eltern bei den Speiseplänen mitreden dürfen. Aus 300 Menü-Komponenten erstellt Albrecht den Plan für acht Wochen, gibt einen ausgewogenen Speiseplan mit einem Ampelsystem zur gesunden Orientierung vor und empfiehlt: je einmal Fleisch, Fisch, Nudeln, Gemüse und eine Süßspeise. "Am emotionalsten wird die Diskussion geführt, wie oft es eine süße Hauptspeise geben darf. Ich halte nichts von Verboten, die Häufigkeit der Süßspeisen entspricht den ÖGE-Empfehlungen. Am Ende gehören sie auch zu einer klassischen österreichischen Küche", sagt die Geschäftsführerin der Menü-Manufaktur.

Mit dem E-Auto werden die Bestellungen zweimal pro Woche in die Kindergärten geliefert.
Regine Hendrich

Letztlich wählen die Pädagogen pro Tag aus drei verschiedenen Hauptgerichten, zwei Suppen und Desserts. Für Kinder mit Allergien gibt es Extrateller, die bestellt werden können. "Wir haben Standorte, die mehrmals pro Woche Fleisch bestellen, aber genauso Standorte, die fast nur vegetarisch bestellen – das ist auch abhängig vom Bezirk", beobachtet Albrecht. Kinderdiätologin Büchler erklärt, dass es nicht problematisch ist, wenn Kinder kein Fleisch essen, solange sie andere tierische Produkte zu sich nehmen.

Zweimal pro Woche werden die tiefgekühlten Speisen der Menü-Manufaktur per E-Transporter zugestellt und dann in den Kindergärten aufgewärmt. Ob Essen, das direkt im Kindergarten gekocht wird, gesünder ist als frisch oder tiefgekühlt geliefertes, lässt sich laut Büchler nicht pauschal beantworten – vielmehr sei entscheidend, ob die Produkte bio und frisch sind. Büchler hat sich für den STANDARD Speisepläne von Kindergärten verschiedener Wiener Träger angesehen und alle für gut befunden. Doch was davon landet tatsächlich in den Mündern und Mägen der Kinder?

Begehrter Parmesan

Ein Blick an den Ort des Geschehens: "Das ist kein Käse, das ist Parmesan", sagt die kleine Lina (Name geändert), nimmt den Schnuller aus dem Mund und legt ihn neben ihren Teller. Sie hat sich schon Spaghetti, Salat und Parmesan genommen – alles liegt untereinander gemischt auf ihrem Teller, schon steckt sie sich den ersten Bissen in den Mund. Lina geht in den Kindergarten Paulaner der St.-Nikolaus-Stiftung in der Waaggasse in Wien-Wieden, gerade gibt es Mittagessen im Speiseraum – und heute noch dazu das Lieblingsgericht vieler Kinder: Spaghetti Bolognese.

Schnuller raus, Nudeln rein – das Mittagessen im Kindergarten Paulaner in der Waaggasse.
Foto: Regine Hendrich

Die Schüsseln mit Nudeln, Soße, Suppe und Salat stehen in der Mitte der Tische, die Kinder nehmen sich selbst. Nur die Parmesan-Schale gibt die Pädagogin nicht aus der Hand: "Der ist für die Kinder so schwer zu dosieren", erklärt sie. Und der Parmesan ist sehr beliebt.

Manche essen nur Nudeln mit Parmesan, andere bedienen sich aus jeder Schüssel. Einige haben alles miteinander vermischt, auf anderen Tellern darf die Soße die Nudeln keinesfalls berühren. Vor dem Essen haben die Mitarbeiterinnen die Spaghetti klein geschnitten, weil sie dann nicht so schnell von der Gabel rutschen. "Kann ich bitte noch Parmesan?", fragt Jonathan (Name geändert). Er hat sich schon zum dritten Mal nachgenommen, weil es ihm so gut schmeckt.

Nur nackerte Nudeln? Das essen manche Kinder. Andere mischen die Spaghetti mit Sauce – oder Salat.
Foto: Regine Hendrich

Wer sich bei Wiener Eltern umhört, bekommt ebenfalls viele positive Reaktionen. Aber auch Kritik am Essen ist dabei: zu wenig abwechslungsreich, nicht kindgerecht, zu viel Zucker, zu viele verarbeitete Fleisch- und Wurstprodukte. Vor allem die süße Hauptspeise, die es in vielen Kindergärten freitags gibt, stört Eltern. In einigen Kindergärten gibt es für die Kinder auch Himbeersaft zu trinken. Eine Mutter berichtet, ihre Tochter wüsste schon, dass es jeden Tag ein Dessert gibt, und verzichtet deshalb oft komplett auf die Hauptspeise. "Beim Elternabend ist jedes Mal Thema, dass es weniger Salami zur Jause und keine Nougatpalatschinken mehr als Mittagessen geben sollte, leider ändert sich wenig", erzählt eine andere Mutter.

Kinderdiätologin Büchler relativiert: Auch süße Hauptspeisen können wertvoll sein – wenn sie mit einer hochwertigen Proteinquelle wie Ei, Milch oder Topfen und wenig Zucker zubereitet sind. "Palatschinken kommen ohne Zucker aus und schmecken auch mit Apfelmus statt Marmelade."

Jeden Tag Salat

Zucker gibt es im Kindergarten in der Waaggasse selten. "Das sollte Privatsache sein, weil die Eltern sonst keinen Überblick haben, wie viel Süßes ihr Kind an dem Tag schon gegessen hat", sagt Leiterin Johanna Fabiankowitsch. Dafür bestellt sie täglich Salat. Sie ist für die Essensbestellung zuständig. "Kinder probieren manchmal ein Gericht viele Male, bis es ihnen schmeckt", sagt sie – und Kinderdiätologin Büchler bestätigt das. Natürlich, sagt Fabiankowitsch, gebe es Tage, an denen viel Salat übrigbleibt. An anderen wird er dafür aufgegessen.

Fleisch gibt es zweimal pro Woche.
Foto: Regine Hendrich

Maximal zweimal pro Woche gibt es Fleisch in der Waaggasse. Gemüseeintöpfe und alle Gerichte, in denen die Kohlehydrate mit anderen Komponenten vermischt sind, mögen die Kinder weniger: "Sie wollen auf den ersten Blick sehen können, was in ihrem Essen ist", weiß Fabiankowitsch. Das süßsaure Wok-Huhn kommt daher nicht so gut an, umso lieber essen die Kinder die kleinen Schnitzerln: "Die bestelle ich jedes Mal, wenn sie zur Auswahl stehen, das ist etwa einmal im Monat."

Laut Kinderdiätologin Büchler lehnen manche Kinder Eintöpfe ab, weil sie unbewusst Überforderung vermeiden: "Jede Konsistenz, jeder Geschmack, jeder Geruch und jede Farbe setzt einen Reiz. Während der kindlichen Entwicklung müssen oft viele Eindrücke gleichzeitig verarbeitet werden." Diese Vorliebe für getrenntes Essen auf dem Teller sei aber nicht problematisch, die meisten würden später dennoch gern Eintöpfe und Aufläufe essen.

Wichtig ist, dass die Kinder selbst entscheiden, was sie essen wollen, sagt die Leiterin. Wenn es einmal gar nicht schmeckt, gibt es ein Butterbrot als Alternative.
Foto: Regine Hendrich

"Es gibt Kinder, die nichts essen außer nackerten Nudeln, und andere, die alles essen. Man muss einen Zwischenweg finden", rät die Kinderdiätologin. Die Kinder würden sich dann ohnehin das rauspicken, was sie mögen.

Davon, die Kinder auszutricksen, etwa Gemüse im Essen zu verstecken oder die Soße gleich unter die Nudeln zu mischen, hält Leiterin Fabiankowitsch nichts. "Es gibt Phasen, in denen ein Kind nur Kohlehydrate und kein Gemüse essen will. Aber, und das ist uns ganz wichtig, die Kinder suchen sich selbst aus, was sie möchten. Sie sollen ihre eigenen Entscheidungen treffen dürfen", sagt sie.

In der Bolognese, die es heute gibt, sind die Karottenstücke dennoch miniklein, sodass man sie kaum sehen kann. "Wir bieten natürlich immer wieder an, fragen nach, ob das Kind nicht doch mal das Gemüse kosten will." Und falls es einmal gar nicht schmeckt, werden Butterbrote als Alternative angeboten.

Salat wird jeden Tag bestellt. "Kinder probieren manchmal ein Gericht viele Male, bis es ihnen schmeckt", sagt Leiterin Johanna Fabiankowitsch.
Foto: Regine Hendrich

Allerdings: Vieles scheint im Kindergarten besser zu schmecken als daheim. So sind viele Eltern beim Abholen überrascht und fragen ungläubig: "Was, mein Kind hat eine Gurke gegessen?"

"Durch die Peer-Group fällt es Kindern oft leichter, Neues zu lernen, als wenn sie es von Erwachsenen beigebracht bekommen", sagt Kinderdiätologin Büchler. Von dem her machen die Kinder in der Waaggasse alles richtig, wenn sie in den Speisesaal laufen und begeistert rufen: "Lecker, Spaghetti!" (Lisa Breit, Bernadette Redl, Selina Thaler, 22.3.2023)