Neue Apotheken dürfen die Interessen der bestehenden nicht beeinträchtigen.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Um eine neue Apotheke eröffnen zu dürfen, müssen zahlreiche Voraussetzungen erfüllt sein: persönliche Qualifikation, Bedarf am Standort, Mindestabstand zur nächsten Apotheke – und ein geeignetes Lokal. Die letzte Bedingung kann Antragsteller vor besondere Herausforderungen stellen. Denn die "Betriebsanlage" muss bereits bewilligt sein, bevor die Prüfung über die Erteilung der Konzession überhaupt beginnt.

Und diese Prüfung kann lange dauern – so lange, dass sich in einem Fall aus Vorarlberg vor kurzem sogar der Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingeschaltet hat. Ein Pharmazeut mit italienischer Staatsangehörigkeit hatte 2016 die Genehmigung einer neuen Apotheke im Raum Bregenz/Lauterach beantragt. Im Lauf der Zeit trudelten die Anträge von vier weiteren Interessenten bei der Bezirkshauptmannschaft ein. Die Behörde und die Apothekerkammer ließen mehr als fünf Jahre ins Land streichen, ehe das Gutachten eintraf, das zuungunsten des Antragstellers ausfiel.

Geeignetes Lokal vorab notwendig?

Eine solche Verfahrensdauer sei unangemessen, heißt es in einer aktuellen Entscheidung (VfgH 14.12.2022, E 3150/2021). Im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) stellte das Höchstgericht auch klar, dass die Anforderungen der Menschenrechtskonvention auch in Verwaltungsverfahren eingehalten werden müssen, wenn der Ausgang zivilrechtliche Ansprüche betrifft. Die EMRK schützt das faire Verfahren nur im Bereich des Zivil- und Strafrechts, über eine Apothekenbewilligung entscheiden aber Verwaltungsbehörden.

Grundsätzlich erachtet der VfGH Regelungen, die der Existenzsicherung bestehender Apotheken dienen, als verfassungskonform (VfSlg 15.103/1998) und hat sich diesmal nicht mehr aufs Neue näher mit den Voraussetzungen im Gesetz befasst. Ob diese Regeln, die die Erwerbsfreiheit tangieren, in Stein gemeißelt sind, ist allerdings offen. Vor allem die Bedingung, dass der Antragsteller ein geeignetes Lokal für den Standort vorweisen muss, könnte fallen. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) beschäftigt sich gerade in einem Fall mit dieser Frage (Ra 2023/10/0030). Denn das führt dazu, dass ein künftiger Apotheker bereits einen Mietvertrag abschließen muss, um dann nach einigen Jahren zu erfahren, dass die Apotheke am Standort gar nicht genehmigt wird. Diese kafkaeske Regelung bevorzugt die bestehenden Apotheken in unsachlicher Weise, denn auf "Vorrat" wird niemand vernünftigerweise für viele Jahre ein Lokal anmieten – und nicht jeder erbt einen Standort in Frequenzlage von den Vorfahren.

Nicht weniger als 5.500 Personen

Konzessionen für bestehende Apotheken sind standortgebunden, manche von ihnen sind an das Eigentum gebunden und als solche verkäuflich. Für eine neue Konzession dürfen neben der 500-Meter-Bedingung keine Hausapotheke eines Arztes und nicht weniger als zwei Vertragsarztstellen vorliegen. Außerdem dürfen im Einzugsgebiet nicht weniger als 5.500 Personen zu versorgen sein.

Beim letzten Kriterium hat der Europäische Gerichtshof schon einmal eine Unionsrechtswidrigkeit erkannt (Sokoll-Seebacher, 30.6.2016, C 634/15). Es müsse auf die Bedürfnisse des ländlichen Raums und weniger mobiler Personen Rücksicht genommen werden.

Das macht den Bewilligungsprozess komplexer, gibt den Behörden aber auch mehr Flexibilität, einen Ausgleich der Interessen zwischen bestehenden Apotheken und Antragsstellern zu finden. (Gerhard Strejcek, 20.3.2023)