Eine Besucherin vor Egon Schieles Gemälde "Versinkende Sonne" (1913) im Leopold-Museum.

Foto: Leopold Museum

Leopold-Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger und Claudia Michl, Leiterin der Climate Change Centre Austria (CCCA) Geschäftsstelle, neben dem Gemälde "Häuser am Meer" (1914) von Egon Schiele.

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Gustav Klimts "Am Attersee", 1900 – rechts im Hintergrund sein Gemälde "Tod und Leben".

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Welcher See wird austrocknen? Wie viele der Gletscher schmelzen? Wo sich die neue Baumgrenze befinden? Landschaftsgemälde aus der Ausstellung Wien 1900. Aufbruch in die Moderne im Wiener Leopold-Museum hängen neuerdings dieser Fragen wegen schief. Naturgemälde von Egon Schiele, Gustav Klimt und Koloman Moser wurden um jene Grade gekippt, um die der Klimawandel die dargestellte Natur beeinflussen wird. Der Temperaturanstieg um mehr als 1,5 Grad kann in verschiedenen Regionen der Welt unterschiedliche Auswirkungen haben.

Wird der Attersee durch den Klimawandel seine Farbe verlieren? Gustav Klimts "Am Attersee" (1900) – rechts im Hintergrund sein Gemälde "Tod und Leben".
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Am Tag der Warnung des Weltklimarats IPCC, wonach die Menschheit drauf und dran sei, die Klimaziele von plus 1,5 Grad bzw. zwei Grad zu verfehlen, hat sich das Wiener Leopold-Museum mit der Aktion "A Few Degrees More" an die Öffentlichkeit gewandt. Um zu veranschaulichen, wie viel Effekt wenige Grade verursachen, wurden 15 Landschaftsgemälde bewusst in Schräglage versetzt.

Verfehlte Klimaziele

In Kooperation mit dem Klimaforschungsnetzwerk Climate Change Centre Austria (CCCA) wurden die Bilder um genau jenen Gradwert geneigt, um den die Temperatur in den gezeigten Gebieten steigen könnte, wenn nicht rechtzeitig tiefgreifende Maßnahmen gesetzt werden. "A Few Degrees More (Will Turn the World into an Uncomfortable Place)" will damit anhand der von Klimt, Moser, Schiele, Gustave Courbet oder Tina Blau gemalten Landschaften wie der Atterseeregion, den Voralpen oder der Atlantikküste zeigen, dass bald alles aus dem Lot geraten könnte. Naturlandschaften, die vor mehr als hundert Jahren verewigt wurden, könnten in ihrer vertrauten Form bald verschwunden sein. Zusatztexte sollen die Aktion erklären und dazu auffordern, Maßnahmen gegen diese Entwicklungen zu setzen.

Im November hatten Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation das Schutzglas vor Klimts Gemälde "Tod und Leben" mit schwarzer Farbe überschüttet. Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger hatte damals die Anliegen der Klimaaktivisten für berechtigt erklärt, jedoch gemeint: "Der Angriff auf Kunstwerke ist definitiv der falsche Weg." Nun hat das Museum selbst einen anderen Weg eingeschlagen: "Mit 'A Few Degrees More' wollen wir proaktiv einen konstruktiven Beitrag liefern in der Hoffnung, dass sich andere Museen und Galerien dieser Bewegung anschließen, indem sie mit einem behutsamen Eingriff auch ihre Kunst- und Kulturschätze zu Klimabotschafter*innen machen", ließ Wipplinger in einer Aussendung wissen.

Nachhaltige Rolle

"Museen nehmen per se eine nachhaltige Rolle in der Gesellschaft ein, indem sie das kulturelle Erbe für die nächsten Generationen bewahren und vermitteln. Sie verstehen sich als Räume der Inspiration und Reflexion über unser Dasein und haben das Potenzial, unser zukünftiges Handeln durch das Bewusstmachen gesellschaftlicher Phänomene positiv zu beeinflussen. In diesem Sinne erklären wir uns solidarisch mit den Bestrebungen der Klimabewegung", so der Museumschef. Die Auseinandersetzung mit den drängendsten Problemen der Gesellschaft sei dem Leopold-Museum "als Bildungs- und Vermittlungsinstitution ein zentrales Anliegen".

Für CCCA-Vorstandsmitglied und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb ist die Aktion ein gelungener Versuch, abstrakte Daten intuitiv begreifbar zu machen: "Seit Jahrzehnten warnen Wissenschafter*innen vor einem vom Menschen verursachten globalen Temperaturanstieg um mehr als 1,5 Grad mit enormen Folgen für die Menschheit. Aber diese Daten sind schwer zu fassen. Wir wollen zeigen, was für einen Unterschied ein paar Grad mehr machen."

Kostenlose Sonderführungen

Die Intervention ist von Mittwoch bis 26. Juni im Rahmen der Ausstellung "Wien 1900. Aufbruch in die Moderne" im Leopold-Museum zu sehen. Dazu werden an jedem Sonntag um 14 Uhr kostenlose Sonderführungen und außerdem gegen Voranmeldung kostenlose Schülerinnenführungen angeboten. Die Sendung "Kulturmontag" auf ORF 2 wird noch Dienstagabend einen Beitrag über die Aktion bringen. (APA, 21.3.2023)