Wird Donald Trump mehr als zwei Jahre nach dem Ende seiner Amtszeit als US-Präsident tatsächlich angeklagt? Vieles deutet darauf hin: New York bereitet sich mit umfassenden Sicherheitsvorkehrungen darauf vor, denn seine Unterstützer haben bereits Proteste gegen die Justiz angekündigt.

Und doch dürfte es nicht zum großen Showdown kommen, zumindest nicht im juristischen Sinn – denn es geht nicht um die schwerwiegende Causa rund um den Sturm seiner Anhänger auf das US-Kapitol in Washington, D.C., am 6. Jänner 2021, sondern "nur" um die mutmaßlichen Schweigegeldzahlungen an Stephanie Clifford, besser bekannt als Stormy Daniels, eine ehemals erfolgreiche Pornodarstellerin.

Schauplatz Gericht – dabei hat die Show noch nicht einmal angefangen.
Foto: IMAGO/Zuma Wire/Vanessa Carvalho

Die Causa reicht zurück in das Wahlkampagnenjahr 2016 und könnte Trumps Comebackpläne für die Wahl 2024 beeinträchtigen, wenn nicht gar vereiteln. Eine Rekonstruktion der Causa in acht Fragen.

Frage: Worum geht es in der "Affäre Stormy Daniels"?

Antwort: Vor der Präsidentschaftswahl 2016 zahlte Trumps damaliger Privatanwalt Michael Cohen vorerst aus eigenen Mitteln 130.000 Dollar (rund 122.000 Euro) an Stephanie Clifford, die nach eigenen Angaben 2006 Sex mit Trump hatte – was dieser aber bestreitet. Mit der Zahlung sollte verhindert werden, dass Clifford an die Öffentlichkeit geht und Trump damit im Wahlkampf schadet. Das Geld bekam Cohen später von Trumps Familienholding, der Trump Organization, zurückgezahlt. Bekannt wurde die Affäre erst Anfang 2018.

Frage: Was wirft die New Yorker Staatsanwaltschaft Trump vor?

Antwort: Die Zahlung an Clifford an sich ist nicht illegal. Die Rückerstattung an Cohen wurde aber von der Trump Organization als "Anwaltskosten" deklariert. Dies könnte als Fälschung von Unternehmensdokumenten ausgelegt werden – dann wäre es ein strafrechtlich relevantes Vergehen. Die New Yorker Staatsanwaltschaft könnte auch argumentieren, dass die Fälschung begangen wurde, um eine andere Straftat – etwa eine illegale Wahlkampfspende – zu vertuschen: Auch dann würde es sich um eine kriminelle Tat handeln.

Cohen selbst wurde schon 2018 von der US-Bundesjustiz wegen Steuer- und Finanzdelikten sowie Falschaussagen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Dabei ging es auch um den Vorwurf, im Fall Stormy Daniels gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen zu haben. Cohen verbüßte seine Strafe und ist inzwischen ein erklärter Trump-Gegner, der sich als wichtiger Zeuge in den New Yorker Ermittlungen gegen Trump zur Verfügung stellt.

Frage: Wer leitet die Ermittlungen gegen Trump?

Antwort: Zuständig ist der Staatsanwalt von Manhattan, der seit Anfang 2022 amtierende Alvin Bragg. In den USA ist diese Funktion ein gewähltes Amt, anders als es in der europäischen beziehungsweise im Speziellen in der österreichischen Justiz der Fall ist, wo solche Funktionen im Zuge eines bestimmten juristischen Karriereweges bekleidet werden und – zumindest vordergründig – nicht parteipolitisch "gefärbt" sind. Der Umstand, dass Bragg der Demokratischen Partei zuzuordnen ist, wird vom Republikaner Trump daher auch prominent als Beweis dafür angebracht, dass er wieder einmal Opfer einer politischen Hexenjagd sei.

Stephanie Clifford, besser bekannt als Stormy Daniels, erhebt schwere Anschuldigungen gegen Donald Trump.
Foto: EDUARDO MUNOZ ALVAREZ / AFP

Frage: Ist das also eine One-Man-Show von Bragg gegen Trump?

Antwort: Keineswegs. Bei den Ermittlungen spielt neben dem ermittelnden Staatsanwalt auch die Grand Jury eine zentrale Rolle: Das mit Laien besetzte Gremium (grob vergleichbar mit den Schöffen in Österreich) befragt in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Zeugen und entscheidet letztlich über eine Anklageerhebung. Das Pendant während eines darauffolgenden Gerichtsprozesses ist dann die Jury aus Geschworenen: Sie befinden dann über Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Staatsanwalt Bragg hat also in dem ganzen Prozedere eine zentrale, nicht aber die entscheidende Rolle. Die ganze Causa auf ihn zu reduzieren wäre juristisch verfehlt, aber politisch womöglich zielführend: Gerade das Trump-Lager bemüht sich um solch ein Narrativ.

Frage: Wenn es tatsächlich zur Anklage kommt – wie läuft das dann ab?

Antwort: Trump hat die möglicherweise bevorstehende Anklageerhebung am vergangenen Wochenende dramatisiert und behauptet, er solle am (heutigen) Dienstag "verhaftet" werden – wozu es bisher (Stand: Dienstagvormittag MEZ) aber nicht gekommen ist. Sollte die Grand Jury tatsächlich entscheiden, dass Anklage gegen den Ex-Präsidenten erhoben werden soll, müsste der 76-Jährige in Manhattan vor Gericht erscheinen. Für solche Fälle sind Prozeduren vorgesehen, gegen die sich Trump einerseits wehrt, die er andererseits aber auch als politisches Kapital für sich nützen möchte: erkennungsdienstliche Erfassung samt Abnahme der Fingerabdrücke und Anfertigung von Polizeifotos; Verlesung der Anklageschrift; Entscheidung über eine Kautionszahlung durch einen Richter oder eine Richterin. Häufig werden Beschuldigten dabei auch Handschellen angelegt – für Trump gleichzeitig eine Horrorvorstellung und eine Chance zur medienwirksamen Inszenierung als Opfer einer linken Justiz.

Erwartet wird, dass Trumps Anwälte und die New Yorker Staatsanwaltschaft sich darauf verständigen, dass der Ex-Präsident persönlich erscheint. Der für den Schutz von Präsidenten und Ex-Präsidenten zuständige Secret Service (der kein Geheimdienst ist, wie der Name suggerieren würde, sondern eine Sicherheitsbehörde) dürfte sich dann eng mit den örtlichen Polizeibehörden abstimmen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Das geschieht zweifellos schon jetzt, vorab.

Theoretisch ist es natürlich möglich, dass Trump sich weigert, vor der Justiz zu erscheinen. Er könnte damit seine formelle Festnahme provozieren und sich so einmal mehr als Opfer politischer Verfolgung darstellen.

Frage: Wie verhält sich Trump in dieser Phase der Justizcausa?

Antwort: Wie schon erwähnt, ging Trump am Wochenende selbst in die Offensive, indem er in sozialen Medien von einer bevorstehenden Verhaftung sprach. Er hat Staatsanwalt Bragg wiederholt attackiert, bezeichnet sich als Opfer einer politisch motivierten "Hexenjagd" und hat seine Anhänger zu Protesten aufgerufen – was mancherorts sofort umgesetzt wurde. Das weckt Befürchtungen angesichts möglicher Ausschreitungen radikaler Trump-Anhänger. Eben auch aus diesem Grund kooperieren Polizei und Secret Service, um auf eine Entwicklung wie am 6. Jänner 2021 in Washington zumindest in Grundzügen vorbereitet zu sein.

"Trump oder der Tod" – manche Anhänger des Ex-Präsidenten wollen keinen Meter weichen.
Foto: REUTERS/Ricardo Arduengo

Frage: Welche unmittelbaren Auswirkungen hätte eine Anklage gegen Trump?

Antwort: Eine Anklage gegen einen früheren Präsidenten hat es in der US-Geschichte noch nie gegeben. Auf juristischer Ebene würde es vor einem Prozess noch eine Reihe rechtlicher Zwischenschritte geben. Ob Trump in einem Prozess schuldig gesprochen würde, ist völlig offen.

Auf politischer Ebene hat Trump klargestellt, dass er trotz einer Anklage an seiner Präsidentschaftsbewerbung festhalten würde. Eine Anklage wäre zwar ein schwerer Imageschaden; der Republikaner dürfte aber versuchen, das Vorgehen der New Yorker Justiz zu nutzen, um seine Anhänger mit Blick auf die Präsidentschaftsvorwahlen der Republikaner im kommenden Jahr zu mobilisieren.

Frage: Hat Trump immer noch die volle Unterstützung seiner Partei?

Antwort: Nein. Zwar ist Trump bei der Grand Old Party noch immer wohlgelitten und einflussreich, aber ob sich alle seine Parteifreunde und Parteifreundinnen in letzter Konsequenz auf seine Seite schlagen würden, ist zu bezweifeln. Solange Trump noch "zieht", gehen viele mit ihm. Doch bei den Republikanern zeichnet sich schon länger ein Generationswechsel ab.

Unter anderem wird Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, als Zukunftsfigur der Rechten gesehen. Und auch die Tatsache, dass Nikki Haley, eine ehemalige US-Botschafterin bei der Uno und frühere Trump-Vertraute, nun selbst ihre Kandidatur für die US-Wahl 2024 verkündet hat, beweist, dass sich auch die konservativen bis rechtsextremen Kreise bei den Republikanern auf eine Zeit nach Trump einstellen. Diese könnte früher beginnen, als es dem Ex-Präsidenten lieb sein dürfte. (gian, AFP, APA, 21.3.2023)