So sieht der von einem Heiler in Kolumbien hergestellte Pflanzensud aus, der eher nicht so gut schmeckt, aber umso stärker wirkt. Die Wirkung des Hauptinhaltsstoffs wurde nun im Detail untersucht.
Foto: APA/AFP/PEDRO PARDO/MARIANA MENDEZ

In unseren Breiten ist das Gebräu verboten. In Peru dagegen gilt Ayahuasca – ein stark halluzinogener Pflanzensud – als "nationales Erbe", was zu einem regelrechten Tourismus führte. Die Modedroge, von deren Einnahme auch Popstars wie Sting ein Lied singen können, kann freilich so stark sein, dass Praktizierende nicht nur von starken Halluzinationen, sondern auch von Nahtoderfahrungen, Kontakten mit höherdimensionalen Wesen und lebensverändernden Reisen durch andere Welten berichten.

Und auch die Nebenwirkungen von Ayahuasca, das vor allem in der Amazonasregion Perus und angrenzender Länder verbreitet ist, sind nicht ganz ohne: Erbrechen, Durchfall oder Schweißausbrüche kommen häufig vor und werden gerne zur beabsichtigten Hauptwirkung umgedeutet, die in Kombination mit den psychischen Effekten eine umfassende spirituell-psycho-physische Reinigung bewirken soll.

Sting erzählt ausführlich und durchaus unterhaltsam von seinen Ayahuasca-Erfahrungen in Brasilien.
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Wirkstoff aus einem Kaffeestrauchgewächs

Der wichtigste psychotrope Wirkstoff des Gebräus ist Dimethyltryptamin (DMT), der in Psychotria viridis vorkommt, einem Kaffeestrauchgewächs, dessen Blätter zerkleinert und zu Ayahuasca verkocht werden – und das seit zumindest 1.000 Jahren, wie Forscher vor ein paar Jahren dokumentieren konnten. Was aber passiert im Gehirn der Menschen, die dieses hochpotente Halluzinogen konsumieren?

Das hat ein Team am Imperial College London (ICL) untersucht – und dabei die bisher genauesten Scans von menschlichen Gehirnen unter Drogeneinfluss erstellt. Für diese Studie, die im Fachblatt "PNAS" erschien, rekrutierte ein Team um Chris Timmermann, den Leiter der DMT-Forschungsgruppe des ICL, 20 gesunde Freiwillige, die zunächst auf ihre körperliche und geistige Eignung für die Studie untersucht wurden. Bei zwei getrennten Besuchen im Labor erhielten sie entweder eine DMT-Injektion von 20 Milligramm oder ein Placebo.

Komplexe Halluzinationen

In dieser verwendeten Dosis sei DMT unglaublich wirksam, sagt Robin Carhart-Harris, Letztautor der Studie, im Gespräch mit dem "Guardian": "Die Menschen beschreiben, dass sie diese Welt verlassen und in eine andere eindringen, die unglaublich eindringlich und komplex ist." Manchmal werde sie von anderen Wesen bevölkert, von denen sie das Gefühl hätten, dass sie besondere Macht über sie haben, wie Götter, ergänzt der Forscher, der seit kurzem Professor an der University of California in San Francisco ist.

Mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG) und der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRI) zeichnete das Team, dem auch der britische "Drogenpapst" David Nutt angehört, die Hirnaktivität der Teilnehmer vor, während und nach dem "Drogenrausch" auf. Die Freiwilligen gaben während der gesamten Zeit Auskunft darüber, wie intensiv sich das Erlebnis anfühlte. (Keiner erbrach sich übrigens dabei, da das Brechmittel in Ayahuasca der Wirkstoff einer anderen Pflanze ist.)

Entgrenzte Hirnregionen

Die Aufzeichnungen zeigen, wie die normale hierarchische Organisation des Gehirns zusammenbricht, die elektrische Aktivität der Neuronen anarchisch wird und die Konnektivität zwischen den Regionen ansteigt. Das betrifft insbesondere die Grenzen zwischen jenen Hirnregionen, die für "höhere" Funktionen wie die Vorstellungskraft zuständig sind, die sich in der Menschwerdung erst relativ spät ausbildeten. "Je intensiver die Erfahrung war, desto stärker waren diese Hirnregionen miteinander verbunden", sagt Timmermann.

Die farblich sichtbar gemachte höhere Durchlässigkeit der Hirnregionen nach DMT-Konsum (unten) im Vergleich mit einem Placebo.
Grafik: Timmermann et al., PNAS 2023

Diese Fähigkeit, die Gehirnaktivitäten durchlässiger und flexibler zu machen, dürfte also die Hauptwirkweise des Wirkstoffs sein. Damit wurden aber auch vielversprechenden Ergebnisse früher klinischer Studien mit Patienten bestätigt, die DMT in Kombination mit Psychotherapie zur Behandlung von Depressionen erhielten. Dabei habe DMT im Vergleich zu Psilocybin oder LSD, die seit einigen Jahren ebenfalls in der Psychotherapie getestet werden, aber einen Vorteil: Es wirke nur sehr kurz, während Psilocybin und LSD sechs bis zehn Stunden wirken können.

Noch viel zu lernen

Doch obwohl die Scans und EEGs einen noch nie dagewesenen Einblick in das Gehirn unter Einfluss von DMT bieten, glauben die Forschenden, dass es noch mehr zu lernen gibt. So vermutet Carhart-Harris, dass gleichzeitig mit der Deregulierung der evolutionär "neueren" Teile des Gehirns unter Einfluss von DMT auch ältere Systeme im Gehirn enthemmt werden könnten. Etwas Ähnliches passiere auch beim Träumen.

Unter dem Strich sei die neue Studie freilich nur ein Anfang, um wirklich zu verstehen, warum und wie DMT das Bewusstsein so dramatisch verändern kann. (tasch, 22.3.2023)