Ab Donnerstag tun Johanna Mikl-Leitner und Udo Landbauer das, was sie nie tun wollten: Sie arbeiten zusammen. Die Landeshauptfrau, die in Niederösterreich trotz all des Konservatismus ein modernes und weltoffenes Bundesland sieht, riskiert damit ihr politisches Erbe. FPÖ-Landeschef Landbauer, der extrem weit rechts steht, bricht durch die Koalition sein zentrales Wahlversprechen, Mikl-Leitner zu verhindern. Die Schuld an all dem, da sind sich ÖVP und FPÖ einig, trägt die SPÖ. Wie konnte es so weit kommen?

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und FPÖ-Landeschef Udo Landbauer können einander nicht leiden, leiden aber bald miteinander: Am Donnerstag wird die Regierung gewählt.
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Mikl-Leitner rechtfertigt den Tabubruch damit, dass es an der Zeit sei, "persönliche Befindlichkeiten" hintanzustellen: Sie und Landbauer können einander nicht ausstehen. Doch was die beiden nun zusammenbringt, sind ausgerechnet Befindlichkeiten.

"Zirkusshow" und Arroganz

Mikl-Leitner ist nach den wochenlangen ergebnislosen Verhandlungen mit der SPÖ tief gekränkt – und persönlich enttäuscht vom neuen roten Landesparteichef Sven Hergovich. Das wird nicht nur in der ÖVP hinter vorgehaltener Hand erzählt, es wurde offensichtlich. Bei öffentlichen Auftritten sprach die Landeshauptfrau in bitterem Ton vom "Spiel", das die Roten gespielt hätten, von der "Zirkusshow", die von einer "Wiener Truppe" veranstaltet worden sei. Bisher stand Mikl-Leitner über solchen Dingen: Angriffe auf andere Parteien überließ sie ihrem Parteiapparat.

Was hat Mikl-Leitner also so verärgert? Und gibt es einen guten Grund für die emotionale Reaktion? In schwarzen Kreisen wird von Feindseligkeiten berichtet, von "rotzfrechem" Auftreten der "Buben", wie Hergovichs Team in der ÖVP abwertend genannt wird. Da machen Gerüchte von verballhornten Namen die Runde, von unnötig komplizierter Terminfindung, von Häme und Gehässigkeit.

SPÖ hat eine andere Erzählung

In der SPÖ lautet die Erzählung anders: Arrogant sei die ÖVP in die Verhandlungen gegangen. Trotz der herben Verluste bei der Wahl, obwohl die Absolute dahin war und Mikl-Leitner einen Partner brauchte – der Habitus sei derselbe gewesen wie eh und je, erzählen Rote: Ein paar nette Überschriften für die SPÖ, ein paar Posten – und weiter wie bisher. Das habe man sich nicht gefallen lassen können.

Manche in der Partei können dem "ÖVP-Spin" aber doch auch etwas abgewinnen: Hergovichs Truppe habe den Bogen überspannt – und sich schlichtweg verspekuliert. "Wir dachten viel zu lange, dass die ÖVP nicht wirklich mit der FPÖ zusammengeht", sagt ein Sozialdemokrat. "Jetzt haben wir den Salat."

Andere Rote sehen in den gescheiterten Verhandlungen gar einen Triumph: Diesmal habe sich die Landespartei nicht von der ÖVP über den Tisch ziehen lassen, diesmal sei man zu den roten Prinzipien gestanden. Gratiskindergarten, Langzeitarbeitslosigkeit abschaffen, pflegende Angehörige anstellen wie im Burgenland – und wenn das nicht geht, dann gibt’s halt keine Koalition. Vor allem die Parteispitze argumentiert in diese Richtung. Von "zu hoch gepokert" will man in Hergovichs Umfeld nichts wissen.

"Komische" Gespräche

Die SPÖ-Verhandler fühlten sich außerdem über Wochen hingehalten. Zu spät seien die Gespräche ins Rollen gekommen, viel zu spät habe man über echte Inhalte gesprochen. Kurze, "komische" Gespräche seien das gewesen. Schon damals dachten sich SPÖler, die am Verhandlungstisch gesessen sind: Die ÖVP will einfach nicht mit uns. Heute vermuten sie, dass Schwarz-Blau zu dieser Zeit längst ausgehandelt war.

Es soll die Achse Schneeberger–Landbauer gewesen sein, die die Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ hintertrieben hat. Klaus Schneeberger, der langjährige Klubobmann und Bürgermeister Wiener Neustadts, habe sich mit Landbauer getroffen, um Schwarz-Blau auszudealen, so die Erzählung. Landbauer lebt in Wiener Neustadt und hat dort gemeinsam mit Schneeberger regiert.

Die Schwarzen stellen Parallelverhandlungen vehement in Abrede – und machen ihrerseits der SPÖ den Vorwurf, die Verhandlungen bewusst gesprengt zu haben.

"Restln" für die SPÖ

Jetzt geht es nur noch darum, welche Zuständigkeiten die SPÖ trotz allem bekommt – die Roten sitzen schließlich, Proporz sei Dank, auch ohne Koalition in der Regierung. Wofür sie verantwortlich sind, machen sich ÖVP und FPÖ aus. Vermutet wird, dass es um ein paar "Restln" aus dem einstigen Zuständigkeitsbereich von FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl geht – historische Artefakte wie die "Tätigkeit der Totalisateure und Buchmacher". Selbst die "Tanzschulangelegenheiten" sollen bereits vergeben sein. (Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, 22.3.2023)