Diskriminierend und pädagogisch bedenklich nennt die Linguistin Verena Blaschitz in ihrem Gastkommentar die Sprachpläne der schwarz-blauen Koalition in Niederösterreich für die Schulen des Landes.

Besser in Deutsch, wenn man es auch am Schulhof spricht? In Niederösterreich will man neue (Sprach-)Regeln für Kinder einführen.
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Mit dem neuen Regierungsübereinkommen für Niederösterreich schafft es die FPÖ, eine langjährige Forderung zumindest auf Landesebene durchzusetzen: eine Verpflichtung zur Pausensprache Deutsch. Diese sieht vor, dass nicht nur im Unterricht, sondern auch in der Pause in Schulen ausschließlich Deutsch gesprochen wird. Die FPÖ will diese Maßnahme seit mehr als 15 Jahren in Bildungseinrichtungen umsetzen. Seit 2015 ist dies in Oberösterreich auch der Fall, als ebenfalls FPÖ und ÖVP eine Koalition schlossen.

Um eine Vorschrift zu Pausensprache Deutsch rechtlich umzusetzen, gibt es drei Möglichkeiten: erstens über die Verankerung im Schulunterrichtsgesetz, der allerdings eine Mehrheit im Nationalrat zustimmen müsste. Zweitens über eine Regelung in der Schulordnung, die per Verordnung des Bildungsministers erlassen wird. Drittens über eine entsprechende Regel in der Schulordnung, der der Schulgemeinschaftsausschuss beziehungsweise das Schulforum zustimmen muss. Da die ersten beiden Möglichkeiten keine Zustimmung finden, kommt die dritte zum Zug: In ganz Österreich, vor allem aber in Oberösterreich gibt es seit 2015 Schulen, die Pausensprache Deutsch in der Schulordnung vorschreiben.

"Von Sprachverboten sind natürlich nicht alle Sprachen betroffen, sondern nur bestimmte, prestigearme (Migrations-)Sprachen."

Bei der Verpflichtung zu Pausensprache Deutsch handelt es sich linguistisch gesehen um ein Sprachverbot beziehungsweise ein Sprachgebot. Von Sprachverboten sind natürlich nicht alle Sprachen betroffen, sondern nur bestimmte, prestigearme (Migrations-)Sprachen. Die Begründungen für das Verbieten nichtdeutscher Sprachen in der Pause sind dabei stets dieselben: Es gehe darum, "dass wir uns alle verstehen", also um den Wunsch nach einem wechselseitigen Verständnis. Außerdem müssten alle zu jedem Zeitpunkt verstehen können, was die anderen sprechen, dabei steht das fehlende Verständnis des Geäußerten von Einzelnen (meist der Lehrkraft) im Mittelpunkt. Drittens – und das ist vor allem in der Schule zentral – um den Verdacht, dass andere (schlecht) über die Lehrperson oder andere Schülerinnen und Schüler sprechen könnten, darum, dass es "unhöflich sei", nicht Deutsch zu sprechen. Pausensprache Deutsch würde garantieren, dass andere Schülerinnen und Schüler nicht ausgegrenzt würden.

Kein Respekt

Und dann werden die paternalistischen und moralisierenden Argumente ins Treffen geführt: Andere Sprachen zu verbieten, helfe den Kindern, die deutsche Sprache schneller und besser zu erlernen, und sei deshalb im Interesse der Lernenden. Zudem zähle in Österreich (für den Bildungserfolg) ohnehin nur Deutsch, weshalb es besser sei, andere Sprachen schnell zu vergessen oder erst gar nicht zu nutzen. Die jeweilige Erstsprache könne ja zu Hause gesprochen werden.

Zu all diesen Argumenten, Rechtfertigungen und Begründungen muss ganz klar gesagt werden: Aus einer linguistischen und pädagogischen Perspektive sind Deutschgebote und Erstsprachverbote Unsinn. Sie helfen nicht dabei, Deutsch schneller zu erlernen. Sie fördern keinesfalls die Motivation, Deutsch zu sprechen. Sie verunsichern und beschämen Kinder, die durch Deutschgebote und Erstsprachverbote vermittelt bekommen, dass ihre jeweiligen Erstsprachen wertlos sind. Sie unterstellen mehrsprachigen Kindern, etwas zu verheimlichen oder sich respektlos zu verhalten. Sie drücken den Wunsch nach permanenter (sprachlicher) Kontrolle aus. Sie sind paternalistisch und bedeuten den Adressatinnen und Adressaten, dass sie selbst nicht wüssten, was gut für sie ist.

Völlig unrealistisch

Kindern Sprachen zu verbieten und ihnen bestimmte andere Sprachen vorzuschreiben, ist linguistisch gesehen kontraproduktiv und nutzlos. Auch ist es völlig unrealistisch, denn den spontanen Sprachgebrauch kann man als Sprecherin oder Sprecher nicht kontrollieren. Eine häufige Reaktion auf Sprachgebote oder Sprachverbote ist demgemäß auch nicht der vermehrte Gebrauch der gewünschten Sprache, sondern Schweigen oder die heimliche Verwendung der verbotenen Sprachen.

Dass Österreich noch meilenweit davon entfernt ist, eine sinnvolle Mehrsprachigkeitsdidaktik in der Schule zu etablieren, ist allseits bekannt. Dass auch die Förderung vorhandener Erstsprachen in der Schule unzureichend ist, dürfte ebenfalls niemanden überraschen. Dass jetzt aber sogar Kindern, die neben Deutsch noch anderer Sprachen mächtig sind, die Verwendung dieser Sprachen in der Schule verboten werden soll, ist diskriminierend, der Deutschaneignung hinderlich, linguistisch nutzlos und pädagogisch bedenklich oder sogar gefährlich. (Verena Blaschitz, 22.3.2023)