Sieht nach viel Geld aus, hat aber wenig Wert: ein nach einem Rip-Deal sichergestellter Koffer voller Falschgeld. In Wien müssen sich zwei Vorbestrafte wegen fünf derartiger Delikte verantworten.

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Wien – Die Identität von Dejan S. ist nicht ganz leicht festzumachen. Hat der 41-Jährige doch drei Aliasnamen, zwei Geburtsdaten, selbst seine Staatsbürgerschaft könnte serbisch oder italienisch sein. Vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Alexandra Skrdla legt er sich auf Italien fest. "Haben Sie Vorstrafen?", will Skrdla von S. auch wissen. "Ja, leider." – "Wie viele?" – "Vier bis fünf." – "Machma sechs draus", stellt die Vorsitzende klar, dass man den Gedanken der Spezialprävention beim Angeklagten als eher gescheitert ansehen kann.

Gemeinsam mit dem 23-jährigen Italiener Marcello H. sitzt S. vor Gericht, da das Duo bei fünf sogenannten Rip-Deals über eine Million Euro erbeutet haben soll. Die Staatsanwältin zollt S. in ihrem Eröffnungsplädoyer fast Respekt: Der Angeklagte sei "eine Lichtgestalt der europäischen Rip-Deal-Szene", habe die Polizei ermitteln können.

Unter der hochorganisierten Deliktskategorie versteht man Betrügereien, Long Cons werden die auf Englisch genannt. Es werden Scheinidentitäten kreiert, Websites angelegt und feines Tuch angeschafft. Die in Clans strukturierten Täter geben sich als seriöse Geschäftsleute aus und bieten ihren Opfern an, Firmenanteile oder inserierte hochpreisige Wertgegenstände zu kaufen.

Lukratives Angebot an Oberösterreicher

Einen der Fälle schildert die Anklägerin genauer. Ein angeblicher Mitarbeiter einer ebenso angeblichen Investmentfirma kontaktierte im Jänner 2021 einen oberösterreichischen Unternehmer. Über Wochen wurde telefonisch verhandelt und Vertrauen aufgebaut, das Opfer schließlich im März nach Verona eingeladen, wo letzte Details geklärt werden sollten. Dort traf der Selbstständige auf "Jonas Wellmann", der für die Vermittlung eine Provision forderte – in Form von sechs Goldbarren.

16 Millionen Euro versprach "Wellmann", in Wahrheit der Erstangeklagte, für die Firmenanteile. Das Opfer besorgte die Barren um 240.000 Euro, beim nächsten Treffen in der norditalienischen Stadt wurde "Wellmann" von einem Bankier begleitet – dem Zweitangeklagten. In einem Geldkoffer hatte H. auch eine Anzahlung mit – 500.000 Euro in bar, die das Opfer sogar mit einer Geldprüfmaschine kontrollierte. Das Geld war echt – noch. Denn nachdem der Oberösterreicher zufrieden war, übergab er "Wellmann" die Goldbarren und nahm im Gegenzug den Koffer. Den der Zweitangeklagte mittlerweile gegen ein baugleiches Modell voller Falschgeld ausgetauscht hatte. Erst in der Heimat entdeckte das Opfer den Betrug, seine "Geschäftspartner" waren danach ebenso wenig wie die "Investmentfirma" erreichbar.

Zugangsdaten bei Softwareinstallation ausgespäht

Es war aber nicht der einzige illegale Weg der Gruppe, zu Geld zu kommen. Einen Wiener Friseur erleichterten sie um 500.000 Euro in Bitcoins. Zwei weitere Opfer überredeten sie ebenfalls zu angeblich lukrativen Investitionen in Kryptowährungen. Bei der Installation der notwendigen Software waren die Täter behilflich – und spähten so die Zugangscodes aus, mit denen schließlich jeweils über 100.000 Euro auf eigene Konten transferiert wurden.

Philipp Wolm, Verteidiger von S., kann die Definition der Staatsanwältin nicht ganz nachvollziehen. "Lichtgestalt ist er keine, erwischt werden nur die, die vor Ort sind. Die wahren Bosse bleiben im Hintergrund und sitzen im Ausland", ist er überzeugt. Sein Mandant werde sich vollinhaltlich geständig zeigen und dann von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen, kündigt Wolm an.

Auch der Verteidiger des Zweitangeklagten, Lukas Hruby von der Kanzlei Arbacher-Stöger, gibt bekannt, dass H. diese zeitsparende Verhandlungstaktik anwenden werde. Der 23-Jährige wurde im Vorjahr in der Schweiz wegen eines Rip-Deals zu 14 Monaten bedingt verurteilt, ihn erwartet also eine Zusatzstrafe.

Verteidiger sieht Mitschuld bei Opfern

Beide Rechtsvertreter plädieren angesichts der Geständnisse für milde Strafen, Wolm sieht dafür ein weiteres Argument, wie er den Laienrichterinnen erklärt. Im Vergleich zum "Neffentrick", bei dem alte Menschen ausgenommen werden, sei die kriminelle Energie im gegenständlichen Fall geringer: "So etwas funktioniert ohne die Gier der Opfer nicht", gibt Wolm sich sicher.

Der Senat benötigt nicht lange für die Urteilsfindung. Der Erstangeklagte, dessen Strafrahmen wegen der Anwendung der Strafschärfung bei Rückfall bei einem bis 15 Jahren liegt, erhält sieben Jahre unbedingte Haft. Beim jüngeren Zweitangeklagten entscheidet sich das Gericht für eine Zusatzstrafe von 22 Monaten unbedingt. Strafsatzbestimmend ist interessanterweise nicht der Betrug, da dessen Tatort außerhalb der österreichischen Zuständigkeit lag, sondern die Geldfälschung.

"Sie haben sich Jahre erspart. Ohne das Geständnis wären wir zweistellig gewesen", belehrt die Vorsitzende den Erstangeklagten noch. Die neun Monate in Untersuchungshaft werden den beiden angerechnet, der Zweitangeklagte kann sich also Hoffnungen machen, in ein paar Monaten bedingt aus dem Gefängnis entlassen zu werden. (Michael Möseneder, 21.3.2023)