Klar, es ist ein Skandal, wie sich die ÖVP an die FPÖ anbiedert beziehungsweise sich ihr in Niederösterreich unterwirft. Die Freiheitliche Partei hat gerade unter Herbert Kickl deutliche rechtsextreme Tendenzen. Ein FP-Jungfunktionär aus Tulln, von dem es ein Foto mit Hitlergruß gibt (er sagt, es war sein Zeichen als Rapid-Fan), sitzt nun im Landtag: ein Beispiel von vielen.

Die FPÖ fährt wieder Wahlerfolge ein. Zuletzt jubelte Herbert Kickl mit Udo Landbauer in Niederösterreich.
Foto: Heribert Corn

Aber bei all der berechtigten Empörung – und bei der berechtigten Furcht vor einer Machtübernahme der FPÖ – sollten wir uns einmal eines klar und schonungslos vor Augen halten: Die wurden und werden gewählt. Von unseren Mitbürgern und Landsleuten. Die bekamen 24 Prozent in NÖ, demnächst nach einer SN-Umfrage werden sie in Salzburg von 19 auf 25 Prozent steigen und die SPÖ überholen. Nach jedem Absturz durch Inkompetenz, Korruption und Rechtsextremismus erholt sich die FPÖ wieder. Derzeit liegt sie in den Umfragen vor SPÖ und ÖVP bei 30 Prozent.

Eine Erklärung: Österreich ist ein ziemlich rechtskonservatives Land. Unter denen, die entweder eine illiberale Vorstellung von Demokratie haben – laut Sora-Demokratiemonitor derzeit 37 (!) Prozent – oder überhaupt an eine Diktatur glauben (derzeit fünf Prozent), erzielt die FPÖ Traumwerte. Darüber hinaus wird aber die teils rechtsextreme und undemokratische Natur der FPÖ von vielen an sich demokratischen denkenden Bürgerinnen und Bürgern entweder nicht erkannt (die FPÖ-Wähler sind besonders stark bei jungen Männern mit geringem Bildungsgrad zu finden), oder sie wird verdrängt. Das übliche windelweiche Argument lautet: "Es ist eine demokratisch gewählte Partei"; ob die FPÖ auch eine demokratisch verträgliche Partei ist, bleibt ungeklärt.

Düstere Erinnerung

So wurde und wird die FPÖ mit ihren NS-Wurzeln von den Traditionsparteien ÖVP und SPÖ immer wieder legitimiert. Warum sollen es dann die Wähler nicht tun? Allerdings ist ein Teil der FPÖ-Wähler nicht ausgesprochen rechtsextrem, sondern betrachtet sie als legitimes Vehikel für ihren Protest. Trotz aller negativen Erfahrung. Dieser Teil der FPÖ-Wähler erreicht aber historisch immer seine größte Zahl, wenn die Traditionsparteien ÖVP und SPÖ Schwäche, Abnutzung und Hilflosigkeit zeigen.

1999 kam Haider angesichts einer schwachen großen Koalition auf den Rekord von 27 Prozent. Schwarz-Blau war kein Erfolg, aber 2013 (große Koalition) war die FPÖ unter Heinz-Christian Strache wieder da (20,5 Prozent), 2017 auf 26 Prozent. 2019 wechselten allerdings 250.000 FPÖ-Wähler zur ÖVP, weil ihnen Sebastian Kurz als der stärkere Führer erschien. Dann kam Ibiza, und die FPÖ stürzte ab. Jetzt floriert sie wieder angesichts schwerbeschädigter SPÖ und ÖVP. Trotz Kickl.

Man kann daraus schließen, dass ein Teil der FP-Wähler zu den Traditionsparteien (zurück) zu holen wäre – wenn die wieder Kompetenz, Konzeption und reale Regierungskunst zeigen könnten. Noch dazu in Zeiten mit multiplen Bedrohungen: Pandemie, Krieg und Bankenkrise. Um mit einer düsteren Erinnerung zu enden: Die letzte ganz große Bankenkrise (die hilflose Regierungen überforderte) gab es Anfang der 30er-Jahre. Es folgte die Wirtschaftskrise und der Sieg des aufstrebenden Nationalsozialismus. (Hans Rauscher, 21.3.2023)