Die beiden Präsidenten Chinas und Russlands, Xi Jinping und Wladimir Putin, demonstrieren Einigkeit.

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Staatsbesuch in Moskau heißt für die Menschen in Russlands Hauptstadt kilometerlange Staus und Verkehrschaos. Doch die nehmen es mit Gleichmut hin. Der chinesische Präsident Xi Jinping weilt seit Montag in der Stadt. Am Dienstag traf er zunächst den russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin. Im Kreml besprachen beide Delegationen dann eine ganze Reihe von Themen. Der Kern: Russland und China wollen mehr aufeinander zugehen. Politisch, wirtschaftlich und auch militärisch.

Xi Jinping traf am Dienstagnachmittag in Moskau zu weiteren Gesprächen mit Wladimir Putin zusammen.
DER STANDARD

Ihre jeweiligen Positionen beschrieben Russlands Präsident Wladimir Putin und sein Gast in Zeitungsartikeln, veröffentlicht im jeweils anderen Land. Der russische Präsident schreibt über den "kollektiven Westen", der "immer verzweifelter" an "seiner schwer fassbaren Dominanz" festhalte. Xi stellt lediglich fest, dass "die Handlungen der Hegemonie, des Despotismus und der Verfolgung der Welt ernsthaften Schaden zufügen". Gemünzt ist das auf den Westen. Am Dienstag warfen Xi und Putin den USA vor, die globale Sicherheit zu gefährden und warnten Washington vor dem Aufbau eines globalen Raketenschutzschilds.

  • Die Lage in der Ukraine

Putin schreibt hierzu in seinem Text nichts Neues. Russland sei zu einer politischen Lösung bereit, alles hänge aber "von der Bereitschaft zu einem ernsthaften Gespräch unter Berücksichtigung der vorherrschenden geopolitischen Realitäten" ab. Was mit "geopolitischen Realitäten" gemeint ist, konkretisiert er nicht. Nach dem Treffen mit Xi am Dienstag betonten beide noch einmal die Wichtigkeit von Verhandlungen als Lösung der "Ukraine-Krise".

Nach Putins überraschendem "Arbeitsbesuch" auf der Krim und in Mariupol kurz vor dem Staatsbesuch kann man davon ausgehen, dass die Rückgabe der völkerrechtswidrig annektierten Gebiete für Putin nicht verhandelbar ist. Der russische Präsident warf dem Westen am Dienstag vor, "bis zum letzten Ukrainer" kämpfen zu wollen.

  • China als Vermittler

Xi erwähnt erneut die chinesische Friedensinitiative. Es gehe darum, dass "die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität eines jeden Staates garantiert werden muss". Putin sagte am Dienstag, die chinesische Initiative könne als Basis für eine Friedenslösung in der Ukraine dienen, der Westen und Kiew seien dafür aber noch nicht bereit. Xi betonte die Unparteilichkeit Chinas im "Ukraine-Konflikt".

Weder Putin noch Xi gingen auf den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Putin ein. Chinas Position erläuterte Chefdiplomat Wang Wenbin. Er forderte das Gericht auf, "die Immunität von Staatsoberhäuptern zu respektieren".

Die ukrainische Führung hat Chinas Präsidenten unterdessen dazu aufgefordert, auch mit ihr Gespräche zu führen. "Ich weiß es nicht, wir warten auf eine Bestätigung", sagt die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk auf die Frage, wann ein Telefonat stattfinden solle. Dieses sei wichtig: "Beide haben sich etwas zu sagen."

  • Faktor Wirtschaft

China und Russland rücken auch wirtschaftlich näher zusammen. Das Ziel der westlichen Sanktionen, Russlands Wirtschaft entscheidend zu schwächen, rückt immer weiter in die Ferne und erweist sich vielleicht sogar als unrealistisch. Denn China ist schon heute Russlands größter Handelspartner. Und jetzt wurden in Moskau neue gemeinsame Wirtschaftsprojekte vereinbart. Für die seit Corona schwächelnde chinesische Wirtschaft ist Russland ein interessanter Absatzmarkt. China kann die Konsumgüter liefern, die Russland wegen der Sanktionen nicht mehr aus dem Westen bekommt.

Und Russland hat etwas für China unendlich Wertvolles: Energie. Russland könne Putin zufolge den wachsenden Energiebedarf Chinas befriedigen. Bis 2030 soll die Gaslieferung auf fast 100 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen. Zudem würden 100 Millionen Tonnen Flüssiggas geliefert, aber auch Kohle und andere Energieträger. Konkret haben Russland und China nach Angaben Putins ein Abkommen zum Bau der Erdgaspipeline "Kraft Sibiriens 2" beschlossen. Diese soll Sibirien mit dem Nordwesten Chinas verbinden, alle dafür nötigen Vereinbarungen seien erzielt worden.

Auch Handelsrouten sollen ausgebaut werden. Viele Unternehmen aus dem Westen haben Russland inzwischen den Rücken gekehrt. Manche haben sich allerdings eine Rückkehr auf den lukrativen russischen Markt vorbehalten. Es ist fraglich, ob dann Russland überhaupt noch westliche Firmen haben will. Oder eben lieber Waren aus China bezieht.

  • Militärisch-technische Zusammenarbeit

Auch über Waffen und militärisch-technische Zusammenarbeit sprachen Putin und Xi. Konkretes darüber ist nicht bekannt. Ging es auch konkret um Nachschub für die Bestände von Russlands Armee aus China? Bewahrheitet sich dies, dann könnte Wladimir Putin seine "Spezialoperation" in der Ukraine noch jahrelang fortführen.

Xi und Putin schieden am Dienstagabend in bestem Einvernehmen, bekräftigten ihre strategische Partnerschaft mit zwei neuen Abkommen. Putin freute sich, seinen "lieben Freund Xi" zu Besuch in Moskau zu haben. Xi bezeichnete die Gespräche als "produktiv, freundlich und offen". In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, die bilaterale Beziehung habe ihr "höchstes Niveau" erreicht, sei aber nicht gegen ein anderes Land gerichtet.

Tags zuvor hatte Russlands Präsident seinen Amtskollegen sogar zum Auto gebracht. Und Xi lud Putin zum Gegenbesuch nach Peking ein. (Jo Angerer aus Moskau, red, 21.3.2023)