Die US-Amerikanerin Ariel Furst ist Assistenzprofessorin für chemische Verfahrenstechnik am MIT. In ihrem Labor legt die 34-Jährige besonders viel Wert auf Diversität und Chancengleichheit.
Foto: Webb Chappell

Nach einer pandemiebedingten Pause findet die Europa-Konferenz des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) heuer wieder in Wien statt. Die zentrale Frage lautet, wie Technologie helfen kann, zukünftige Herausforderungen zu meistern. Auch die Chemikerin Ariel Furst möchte durch ihre Forschung einen Beitrag leisten.

STANDARD: Haben Sie schon immer gewusst, dass Sie eine wissenschaftliche Karriere anstreben wollen?

Furst: Nein, aber glücklicherweise hatte ich fantastische Mentoren, die mich darin bestärkt haben. Vor allem Jaqueline Barton, bei der ich am California Institute of Technology promoviert habe. Jackie gab mir das nötige Selbstvertrauen, um eine akademische Karriere einzuschlagen. Sie hat sich schon damals für Frauen in der Wissenschaft eingesetzt – und tut es noch heute.

STANDARD: Woran haben Sie damals geforscht?

Furst: Meine Forschung konzentrierte sich auf Krebsdiagnostik, insbesondere auf die Entwicklung einer nichtinvasiven Diagnostik für Darmkrebs. Aktuell wird Darmkrebs vor allem durch Darmspiegelungen entdeckt. Weniger invasive Methoden sind jedoch von Vorteil, da sich die Menschen dann eher an die Screening-Empfehlungen halten. Die Arbeit an der Entwicklung einer neuen Diagnosemethode hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, als Wissenschafterin darüber nachzudenken, für wen man seine Forschung letztlich entwickelt.

STANDARD: Inwiefern hilft es Ihnen als Wissenschafterin, wenn Sie an die Anwendung Ihrer Forschung denken?

Furst: Es motiviert mich ungemein, an die Menschen zu denken, die von unseren Innovationen in Zukunft profitieren werden. Der Gedanke an ein größeres Ziel hilft auch, die nötige Benutzerfreundlichkeit im Kopf zu behalten. In unserer Forschung konzentrieren mein Team und ich uns auf niedrige Kosten, einen geringen Energieaufwand und einfach zu bedienende Technologien.

STANDARD: Bei der Konferenz werden Sie über die Entwicklung von speziellen Sensoren sprechen, die Krankheitserreger detektieren können. Wie funktioniert das?

Furst: Die Sensoren können uns dabei helfen, Krankheiten schneller zu diagnostizieren. Wir haben uns dabei – wie so oft – von der Natur inspirieren lassen und verwenden Mikroben, die aus einem Teich im Bundesstaat New York isoliert wurden. Diese Mikroben sondern bei der Atmung Elektronen ab – im Grunde erzeugen sie also Strom, wenn sie atmen. Darum können wir sie als elektrische Sensoren verwenden. Entscheidend ist nun, dass wir die Mikroben nach unseren Vorstellungen programmieren können. Wir haben es mittlerweile geschafft, sie so zu konstruieren, dass sie ihr elektrisches Signal als Reaktion auf ein kleines Molekül ein- oder ausschalten. Das kann zum Beispiel jegliche Art von Krankheitserreger sein.

STANDARD: Bei welchen Krankheiten sollen die Sensoren zum Einsatz kommen?

Furst: Bisher haben wir diese vor allem an HPV- und Atemwegsinfektionen getestet. Wir arbeiten aber gerade daran, die Methode auf alle ansteckenden Krankheiten auszudehnen. Ich halte es für sehr wichtig, neue Technologien zu entwickeln, mit denen Menschen sich von zu Hause aus testen können, ohne in eine Klinik gehen zu müssen.

STANDARD: Können die Mikroben auch noch anderweitig helfen?

Furst: Ja, die Mikroben können auch als Probiotika eingesetzt werden. Es gibt einige Pharmaunternehmen, die an der Behandlung von Infektionen durch Mikroben arbeiten. Im Moment werden Infektionen vor allem mit Antibiotika behandelt. Der große Nachteil: So ziemlich jede Mikrobe im Körper wird damit abgetötet. Das führt wiederum häufig zu unerwünschten Sekundärinfektionen. Deshalb sind wir gerade dabei, eine mildere Behandlungsmethode zu entwickeln, indem wir "schlechte" Bakterien mit "guten" konkurrieren lassen.

STANDARD: Diversität wird in Ihrem Labor großgeschrieben. Warum?

Furst: Es gibt immer noch Gruppen, die in der Wissenschaft stark unterrepräsentiert sind. Das kann sich nur durch aktives Handeln ändern. Mein Interesse an Forschung wurde bereits in der Highschool geweckt. Deshalb ist es meines Erachtens besonders wichtig, bereits bei jungen Menschen anzusetzen. Meine Motivation ist es, so vielen Menschen wie möglich die Gelegenheit zu bieten zu forschen – denn es kann unglaublich viel Spaß machen, in einem Labor zu arbeiten. (Anna Tratter, 25.3.2023)