Der Konzern fuhr im vergangenen Jahr Rekordumsätze ein.

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In ihrer kurz gehaltenen Aussendung sprach die EU-Kommission am Dienstag zunächst bloß von Untersuchungen bei einem "Unternehmen, das im Energydrinks-Sektor" tätig ist. Doch schon wenig später war klar, dass mit dem betroffenen Unternehmen der österreichische Getränkekonzern Red Bull gemeint ist. Der Verdacht: Red Bull könnte wettbewerbswidrige Absprachen getroffen und seine Marktmacht missbraucht haben. Der Konzern hält sich bedeckt, betont aber, mit der Behörde zu kooperieren.

Frage: Was ist die letzten Tage passiert?

Antwort: Beamtinnen und Beamte der EU-Kommission durchkämmen bereits seit Montag Räumlichkeiten von Red Bull in mehreren EU-Staaten. Bekannt wurde die Untersuchung am Dienstag durch die Pressemitteilung der EU-Kommission. Unterstützt wird die Kommission, die auf EU-Ebene für Wettbewerbsrecht zuständig ist, von den jeweiligen nationalen Wettbewerbsbehörden. Wie viele Büros in wie vielen Staaten betroffen sind, teilt die EU-Behörde nicht mit. Auch die Wettbewerbshüter in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Spanien hüllen sich auf Anfrage in Schweigen. Bekannt ist, dass der Red-Bull-Firmensitz im Salzburger Fuschl am See durchsucht wurde. Das bestätigte die österreichische Bundeswettbewerbsbehöre (BWB) dem STANDARD.

Frage: Wie läuft eine solche Razzia ab?

Antwort: Die EU-Kommission spricht von "Inspektionen", Red Bull selbst von einem "Besuch". Klar ist, dass Hausdurchsuchungen ihren Zweck nur dann erfüllen können, wenn sie überraschend sind. Die Beamtinnen und Beamten kommen daher unangekündigt und werden meist personell von der Polizei unterstützt. Die Räumlichkeiten werden versiegelt, Betroffene dürfen ihre Anwältinnen und Anwälte beiziehen. Die Wettbewerbshüter durchsuchen die Büros nach relevanten Dokumenten, beschlagnahmen Datenträger und befragen Mitarbeitende. Durchsuchungen der EU-Kommission dauerten in der Vergangenheit meist rund drei Tage. Wie lange genau, hängt vom Umfang der relevanten Dokumente ab, heißt es von der BWB.

Frage: Wie lautet der Verdacht der EU-Kommission?

Antwort: Wettbewerbsbehörden dürfen Hausdurchsuchungen nur dann durchführen, wenn sie einen konkreten Verdacht haben. Im aktuellen Fall prüft die EU-Kommission mögliches Fehlverhalten auf Basis zweier Artikel des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Laut Artikel 101 AEUV sind "alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen", die eine "Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts" bewirken, verboten. Artikel 102 AEUV verbietet, dass Unternehmen ihre "beherrschende Stellung" auf dem Markt "missbräuchlich ausnutzen". Möglich ist, dass entweder ein Konkurrent oder ein Geschäftspartner die Ermittlungen ausgelöst hat.

Frage: Was wirft man Red Bull nun konkret vor?

Antwort: Das teilen weder die EU-Kommission noch Red Bull auf Nachfrage mit. Red Bull hat am Markt für Energydrinks viel billige Konkurrenz, von einheitlichen Preisen kann daher keine Rede sein. Absprachen oder ein Missbrauch der Marktmacht müssen sich aber nicht zwingend auf Preise beziehen. Denkbar sind auch andere missbräuchliche Verhaltensweisen. In der Vergangenheit wurde Red Bull etwa immer wieder vorgeworfen, seine dominante Stellung am Markt auszunutzen, um sich bei Gastronomen oder Handelsunternehmen vorteilhafte Bedingungen auszuverhandeln.

Frage: Wie das?

Antwort: Wer als Club, Restaurant oder Supermarkt das beliebte Red Bull nicht anbieten kann, hat einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz. Geschäftspartner beschweren sich immer wieder darüber, dass Red Bull auf Exklusivverträge pocht, damit Konkurrenzprodukte aus dem Angebot gedrängt werden. Ob es bei den Untersuchungen um derartige Exklusivverträge geht, ist unklar. Red Bull ist freilich nicht nur in der Getränkebranche tätig, sondern etwa auch im Sport und im Medienbereich. Da sich die Kommission in ihrer Aussendung explizit auf den Energydrink-Sektor bezieht, dürfte es aber um das Kerngeschäft mit den Dosen gehen.

Frage: Wie geht es mit dem Verfahren weiter?

Antwort: Nach Abschluss der Untersuchungen wird die EU-Kommission die Daten analyisieren und entscheiden, ob sie weiterermittelt oder das Verfahren einstellt. Die Kommission betont in ihrer Aussendung, dass sie "ergebnisoffen" prüft. Bestätigt sich ihr Verdacht, würde sie ein "Statement of Objections" mit den Vorwürfen an Red Bull übermitteln. Der Konzern hätte dann die Möglichkeit, alle beschlagnahmten Daten einzusehen und die Vorwürfe zu entkräften. Bei Kartellabsprachen oder einem Missbrauch der Marktmacht darf die EU-Kommission Strafen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes des Konzerns verhängen. Im Fall einer Strafe könnte sich Red Bull beim Europäischen Gerichtshof darüber beschweren. Bis zu einem endgültigen Ergebnis des Verfahrens könnten mehrere Jahre vergehen. (Jakob Pflügl, 22.3.2023)