Trockene Böden nahe Mörbisch im Oktober 2022.

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"Angst ist ein schlechter Berater": Nationalparkdirektor Johannes Ehrenfeldner.

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Bei den Dreharbeiten sind ORF-Reporter Alfred Schwarzenberger und sein Team mit ihrem Tretboot hinter Schilfstauden festgesessen, allein hätten sie es nicht mehr nach Hause geschafft. Der See ist an manchen Stellen nur zehn bis 20 cm tief. Das war im vergangenen Herbst, Schwarzenberger war mit seinem Team am Neusiedler See unterwegs, um zu erfahren, wie es mit dem See weitergehen könnte. Seine Sendung über den drohenden Tod des Neusiedler Sees – sie ist am Donnerstag um 21.05 Uhr in ORF 2 zu sehen – soll jedoch kein Abgesang auf den See sein, sondern vielmehr zeigen, wie man dem Gewässer helfen kann. Auch mit kleinen Maßnahmen. Denn "jeder Zentimeter zählt", wie es Moderator Peter Resetarits ausdrückt.

Schwarzenberger ist mit Berufsfischer Helmut Schwarz unterwegs – der ist schon als kleiner Bub mit seinem Vater und seinem Großvater fischen gewesen, das Handwerk hat er von ihnen gelernt. Schwarz zeigt der "Schauplatz"-Crew jenen Platz, an dem er im Frühjahr noch Fische gefangen hat. Jetzt sei der Pegel so niedrig, dass die Reuse aus dem Wasser stehen würde und somit gefangene Fische verenden. Ob er im nächsten Jahr noch Fischer sei? Schwarz ist sich nicht sicher, "das werden wir sehen". Für die Fischer sei der niedrige Pegelstand existenzbedrohend.

"Der See tut sich schwer"

Ende Oktober endet die Saison für Kapitän Roman Drescher, er steuert die Fähre von Illmitz nach Mörbisch. Der Herbst ist für ihn die schönste Zeit im Jahr hier am Neusiedler See. Das Jahr sei herausfordernd gewesen, und er sei glücklich, dass es überstanden ist, sagt er. Zwar mit Bauchweh, aber alle geplanten Fahrten konnten im Vorjahr absolviert werden. Doch die Trockenheit kommt seinem Heimathafen Mörbisch schon gefährlich nahe. Niedrige Pegel habe es immer schon gegeben, sagt der Kapitän. Doch irgendetwas schade dem See zusehends. "Man merkt, dass sich der See schwertut beim Regulieren", so der Kapitän.

Der Neusiedler See speise sich vor allem aus Regenfällen, und die seien in den vergangenen zwölf Monaten zu gering ausgefallen, rechnet Schwarzenberger in seiner Sendung vor. Der Pegel im See nimmt seit 2020 kontinuierlich ab. Aber trotz eines Szenarios wie an der Langen Lacke – einst ein Vogelparadies, das nun seit Jahren de facto trocken liegt – will Nationalparkdirektor Johannes Ehrenfeldner keine Angst verbreiten. Angst sei ein schlechter Berater – aber es gebe niemanden, der sich keine Sorgen machen würde. Man müsse mit aller Kraft versuchen, den See mit Wasser zu versorgen. Aber mit Bedacht. "Es ist nie zu spät, etwas zu tun", sagt Ehrenfeldner.

Menschliche Eingriffe

Bevor der Mensch begonnen hat, in das System des Neusiedler Sees einzugreifen, wurde dieser von vielen kleinen Flüssen gespeist. Ein Zufluss ist die Wulka. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten im Herbst führte sie nur etwa ein Drittel der durchschnittlichen Durchflussmenge. Der geringe Niederschlag ist nur ein Grund, warum der Zufluss so wenig Wasser führt. Auch Bodenversiegelung, Drainagierungen oder intensive landwirtschaftliche Nutzung schaden der Wulka und somit auch dem See. Nicht nur hier verliere der Regen wegen der vielen menschlichen Eingriffe seine Wirkung, so Schwarzenberger.

Der Podersdorfer Herbert Siegmund arbeitet gemeinsam mit Schilfschneider Erwin Sumalowitz an Lösungen. Es geht nicht nur darum, wie man dem See Wasser zuführt, sondern auch, wie er weniger Wasser verliert. Und hier kommt das Schilf ins Spiel: Diese Pflanze sei "eine richtige Verdunstungsmaschine", so Siegmund. Eine Reduktion des Schilfgürtels um ein Drittel würde dem See pro Jahr ein Plus von zehn Zentimeter Wasserstand bringen, sagt er. Und er kritisiert, dass die Wissenschafter dieses Problem links liegen ließen. In Neusiedl wurde sogar ein Schilfheizwerk errichtet, genutzt wurde es nicht. Doch das soll sich ändern, kündigt Burgenland Energie in der Sendung an.

Ohne Wasser kein Bootsgeschäft

Der Neusiedler See ist freilich auch ein bedeutender Wirtschaftsraum. Wolfgang Maletschek, betreibt in Weiden einen Yacht- und Segelservice, die Situation sei existenzbedrohend, er spricht von einem Minus von 60 Prozent. "Ein Bootsgeschäft ohne Wasser kann nicht funktionieren." Auch für die Wasserrettung ist ein niedriger Pegelstand ein Problem, weil man nicht überall zufahren kann.

Seit Jahren wird auch über eine Zuleitung von Wasser aus einem Donau-Altarm in Ungarn diskutiert. Grundsätzlich, sagt Helmut Habersack, Gewässerforscher an der Boku in Wien, spreche er sich nicht gegen eine Zuleitung aus, es müsse aber gründlich untersucht werden, ob dieses Wasser dem See nicht schadet. Man brauche wissenschaftliche Grundlagen.

Auf der ungarischen Seite des Neusiedler Sees steht man einer möglichen Zuleitung skeptisch gegenüber. Matthaea Kulcsárné Roth, die Chefin des ungarischen Nationalparkzentrums, zweifelt an dieser Lösung, klareres Flusswasser in den schlammigen See zu leiten.

In einer Bucht bei Mörbisch spricht Schwarzenberger mit Menschen, die dort eine Hütte im See besitzen. Genutzt haben sie diese im vergangenen Sommer selten. Segeln oder Wassersport sei nicht möglich gewesen, wegen des niedrigen Wasserstands hätten Wasserpflanzen gewuchert. Die Situation sei dramatisch, da sei nichts zu beschönigen. Die Hüttenbesitzer gehen davon, aus, dass die Bucht im Sommer trocken sein wird. (Astrid Ebenführer, 23.3.2023)