See-Elefanten (Mirounga) sind die größten Robben des Planeten. Das liegt in erster Linien an den Männchen (oder besser: Bullen), denen die Art auch ihren Namen verdankt. Nur die Bullen haben einen recht ansehnlichen Rüssel, der im Alter von acht Jahren seine maximale Größe erreicht.

Ein Bulle und eine Kuh im Größenvergleich.
Foto: APA / AFP / Luis Robayo

Auch sonst weisen die See-Elefanten einen ausgeprägten Sexualdimorphismus auf – die Südlichen (M. leonina), die in antarktischen sowie subantarktischen Gewässern leben, noch mehr als die Nördlichen (M. angustirostris), die etwa an Kaliforniens Küsten anzutreffen sind. So werden die Südlichen See-Elefantenbullen bis zu 6,5 Meter lang und bis zu 3,5 Tonnen schwer, während die Kühe nicht einmal eine Tonne auf die Waage bringen.

Damit sind wir auch schon mitten im Thema einer neuen Studie, die untersuchte, ob die Kühe und Bullen dieser hochgradig polygamen Säugetierart auch unterschiedlich lange leben. Forschende haben sich dafür die rund 14.000 Südlichen Seeelefanten auf der Macquarieinsel ausgesucht, die südlich von Australien und Neuseeland im südwestlichen Pazifik liegt. Dorthin kommen sie aber nur in der Paarungszeit ab September. Den Rest des Jahres verbringen sie im Meer.

Rapide sinkende Überlebensrate

Die Recherchen ergaben, dass das Sterberisiko für weibliche und männliche Jungtiere noch recht ähnlich ist. Für die Bullen ab einem Alter von acht Jahren – das ist auch das Alter, ab dem sie im Normalfall Sex haben – wird es aber rapide höher: Während die Überlebensrate bei den Männchen auf etwa 50 Prozent sinkt, bleibt sie bei den Weibchen konstant bei 80 Prozent. Woran aber liegt das?

Hat es mit der unterschiedlichen Größe zu tun, deren Differenzen zwischen Männchen und Weibchen sich freilich schon ab dem dritten Lebensjahr zeigen? Oder ist die Sozialstruktur der Tiere daran schuld, die sich durch eine besondere Polygamie auszeichnet?

Laut Sophia Volzke, Erstautorin der im Fachblatt "Royal Society Open Science" erschienenen Studie hängen alle genannten Faktoren miteinander zusammen. Wie die deutsch-australische Dissertantin im "Guardian" erklärt, leben die Tiere genau genommen in Polygynie: In der Paarungszeit ab August verfügen die dominantesten Männchen – von den Forschenden als Beachmaster (also in etwa Strandmeister) genannt – über Harems, die 30 bis 100 Kühe umfassen. Werden die Harems allzu groß, kann ein Jungbulle "Assistent" werden.

Vier Prozent werden "Strandmeister"

Strandmeister zu werden ist nur rund einem von 25 Bullen vorbehalten. Im klaren Vorteil sind die größten und dicksten Männchen, die sich entsprechende Fettreserven anfuttern müssen, um sich erstens an Land gegen die anderen Männchen durchzusetzen und zweitens, um an Land ab August wochenlang ohne Nahrung auszukommen. Denn dann gilt es, sich um den Harem zu kümmern und ihn gegen andere Bullen zu verteidigen.

Bullen buhlen um die Vorherrschaft eines Harems.
Foto: AP / Nick Ut

Diese extremen Fress- und Hungerphasen dürften es letztlich sein, die den Bullen das Leben verkürzen. Denn die Männchen sind laut den Forschenden darauf angewiesen, in kürzester Zeit vor und nach der Paarung auf ihre Kilos zu kommen, und jagen deshalb oft in sehr fischreichen Gewässern, in denen sich etwa auch Orcas herumtreiben, die Hauptfeinde der See-Elefanten.

Es ist also nicht der Sex selbst, der die Bullen in den frühen Tod treibt, sondern das Risiko, das sie nehmen müssen, um besonders viel zu fressen – was wiederum die wichtigste Voraussetzung dafür ist, überhaupt Sex zu haben. (Klaus Taschwer, 25.3.2023)