Ramsey-Zahlen können auf den ersten Blick als ziemlich trockene Angelegenheit erscheinen. Sie gehören zum Gebiet der sogenannten Kombinatorik und beschäftigen sich mit "Knoten" in mathematischen Objekten, die "Graphen" genannt werden. Glücklicherweise ist Mathematik so allgemein, dass ihrer Anwendung kaum Grenzen gesetzt sind. Ramsey-Zahlen begegnen zum Beispiel Menschen, die Partys organisieren.

Kennen diese beiden einander? Solche Fragen zu beantworten ist eine mögliche Anwendung der Kombinatorik.
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Eine Herausforderung beim Organisieren einer guten Party ist die Einladung der richtigen Anzahl von Menschen, die einander kennen, und Menschen, die einander nicht kennen. Wer beispielsweise sechs Leute einlädt, kann sicher sein, dass entweder mindestens drei einander kennen oder mindestens drei einander nicht kennen. Doch wie viele Menschen muss jemand einladen, der will, dass sich zumindest vier Menschen kennen oder nicht kennen? In diesem Fall lautet die Antwort 18.

Wittgensteins Freund

Die Zahl der insgesamt eingeladenen Menschen nennt sich Ramsey-Zahl. Benannt ist sie nach ihrem Entdecker Frank Ramsey, dem Bruder eines Erzbischofs, der in seiner kurzen Lebensspanne von 26 Jahren nicht nur bedeutende mathematische Entdeckungen machte, sondern auch ein enger Freund Ludwig Wittgensteins war und dessen "Tractatus logico-philosophicus" ins Englische übersetzte. Gemeinsam mit Bertrand Russel, John Maynard Keynes und eben Wittgenstein war er Mitglied der in Cambridge beheimateten Geheimgesellschaft der "Cambridge-Apostel".

Ramsey beschrieb das Problem erstmals im Jahr 1930. Bei einigen kleinen Zahlen kann die Ramsey-Zahl einfach berechnet werden. Doch wer nach einem allgemeingültigen Gesetz zur Abschätzung der Ramsey-Zahl sucht, stößt schnell auf Schwierigkeiten. Bisher lieferte eine Formel aus dem Jahr 1935 die genaueste Schätzung. Paul Erdős und George Szekeres bewiesen, dass die Ramsey-Zahl für eine gegebene Zahl k nicht größer sein kann als 4 hoch k.

Eine Party in Washington, D.C., nach Aufhebung der dortigen Corona-Beschränkungen im Jahr 2021. Ein gutes Gesprächsklima bei Partys hängt von der richtigen Mischung aus Menschen ab, die einander kennen, und solchen, die einander fremd sind.
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Doch in vielen Fällen ist die Abschätzung ungenau. Als Oberschranke für die Ramsey-Zahl von vier wird von dieser Formel 256 angegeben, während die richtige Lösung wie erwähnt 18 lautet. Dennoch wurde seit der Arbeit von Erős und Szekeres trotz intensiver Bemühungen keine bessere Lösung gefunden. Die Frage, ob es eine kleinere Zahl als die in deren Formel verwendete Vier gibt, beschäftigte Forschende seither intensiv und wurde zu einem der großen ungelösten Probleme der Kombinatorik.

Extreme Kombinatorik

Nun berichten die vier Mathematiker Marcelo Campos, Simon Griffiths, Robert Morris und Julian Sahasrabudhe vom Institut für reine und angewandte Mathematik IMPA in Rio de Janeiro und der Universität Cambridge von einem Durchbruch. Sie reichten einen Beweis zur Publikation ein, der zeigen soll, dass die Ramsey-Zahl einer Zahl k nicht größer als 3,9995 hoch k sein kann.

Fachleute zeigen sich ob des neuen Beweises begeistert. Der Mathematiker Tim Gowers von der Universität Cambridge, der selbst seit Jahren an dem Problem arbeitete, betont auf Twitter, dass es sich um eines der drei größten, wenn nicht um das größte Problem der sogenannten "extremen" Kombinatorik handelt. Gegenüber dem Journal "Nature" stellt er außerdem fest, dass der Ansatz des Teams völlig äußerst clever und völlig anders sei als sein eigener sei. "Ich glaube nicht, dass ich ihn je gefunden hätte", sagt Gowers.

Die vier Autoren der neuen Arbeit erinnern daran, dass der Beweis erst von der Mathematik-Gemeinschaft auf Herz und Nieren geprüft werden müsse. Es wäre nicht das erste Mal, dass in veröffentlichten Beweisen Lücken entdeckt würden.

Die Verbesserung der Abschätzung mag zudem nicht groß erscheinen. Dennoch betont David Conlon vom California Institute of Technology, der wichtige Vorarbeiten lieferte, den revolutionären Charakter der Arbeit. "Dieses Problem hat sich als anhaltend schwierig erwiesen, obwohl es seit fast hundert Jahren sehr gut untersucht wird", sagt Conlon. Es handle sich um einen atemberaubenden Erfolg. (Reinhard Kleindl, 23.3.2023)