In Deutschland und in der Schweiz wurden am Mittwoch 20 Objekte durchsucht. Dabei kam es in Reutlingen zu Schüssen.

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Jene Razzia, die im Dezember in der deutschen Reichsbürgerszene stattfand und für großes Aufsehen sorgte, hatte am Mittwoch ein Nachspiel. Wieder rückten Ermittlerinnen und Ermittler am frühen Morgen aus, erneut wurden mehrere Personen festgenommen.

In noch größerem Umfang war dies am 7. Dezember der Fall gewesen. Damals ließ Generalbundesanwalt Peter Frank 25 Personen festnehmen, weil sie einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben sollen, also das Ziel hatten, "die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen", wie es die Bundesanwaltschaft formulierte.

Der neue Anführer sollte der deutsche Adelige Heinrich XIII. Prinz von Reuß aus Thüringen sein. Der 71-Jährige wurde im Dezember ebenso festgenommen wie die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkelmann. Für sie, eine Richterin, war in einem "Schattenkabinett" das Justizressort vorgesehen. Malsack-Winkelmann, die nach wie vor in U-Haft sitzt, wurde mittlerweile von ihrem Richterposten in Berlin suspendiert.

Bei den Durchsuchungen im Dezember waren nebst vielen Waffen auch jede Menge Datenträger sichergestellt worden. Und die Auswertung dieser hatte nun zu den neuerlichen Razzien geführt. Sie fanden in acht deutschen Bundesländern und der Schweiz statt, durchsucht wurden 20 Objekte.

In Reutlingen (Baden-Württemberg), südlich von Stuttgart, wurde dabei ein Polizist durch einen Schuss verletzt. Diesen soll ein Mann abgegeben haben, der als Zeuge geführt wurde. Nun allerdings wird wegen eines versuchten Tötungsdelikts gegen ihn ermittelt.

Versuchte Tötung

"Das zeigt, wie gefährlich die Einsätze sind. Die Waffenbehörden sind verpflichtet, Reichsbürger zu entwaffnen", schrieb der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung, des WDR und des NDR interessierten sich die deutschen Sicherheitsbehörden für 19 Personen, die in internen Reichsbürger-Chats aufgetaucht waren, darunter sind auch Polizisten und Soldaten. Fünf von ihnen gelten als Beschuldigte, ihnen wird die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Seit dem ersten Einsatz werden 55 Personen als Beschuldigte geführt.

Dolche und Bargeld

Zudem stützten sich die Ermittlerinnen und Ermittler, nun bei der zweiten Razzia, auf sogenannte "Verschwiegenheitserklärungen" der Mitglieder der "Patriotischen Union". In diesen war Stillschweigen über den geplanten Putsch, bei dem auch der Berliner Reichstag gestürmt werden sollte, vereinbart worden. Bei Verstößen sollen Strafen – bis hin zur Todesstrafe – vereinbart worden sein.

Bei der ersten Razzia im Dezember 2022 waren rund 100, hauptsächlich legale, Schusswaffen gefunden worden, aber auch Dolche, Schwerter, Armbrüste, Satellitentelefone, Schutzwesten, Helme, Uniformen, mehr als 170.000 Euro Bargeld und kiloweise Gold- und Silbermünzen und -barren.

Pläne für die Zeit nach dem Putsch waren nach Angaben von Ermittlern weit gediehen. So sollten bewaffnete "Heimatschutzkompanien" gebildet und unter anderem mit Waffen der Bundeswehr ausgestattet werden.

Bundesanwalt Lars Otte hatte bereits kurz nach der ersten Großrazzia den Bundestagsabgeordneten in einer Sondersitzung des Innenausschusses gesagt: "Jetzt geht die Arbeit erst richtig los." Es sei noch ein "langer Weg", bis die Ermittlungen abgeschlossen seien.

Reichsbürger und -bürgerinnen erkennen den deutschen Staat, demzufolge auch seine Gesetze, Gerichte und seine Vertreter nicht an. Der Verfassungsschutz schätzt, dass 23.000 Personen der Szene angehören, darunter 1250 Rechtsextremisten. Das "gewaltorientierte Personenpersonal" soll bei 2100 Männern und Frauen liegen. (Birgit Baumann aus Berlin, 22.3.2023)