Ralf Rangnick will mit Österreich nach Deutschland.

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Ralf Rangnick lässt echt nichts aus. Österreichs Teamchef ist umtriebig, von der Mannschaft und sich selbst überzeugt. Der Mann ist Perfektionist, lebt Fußball und sein Ziel, die Teilnahme an der EM 2024 in Deutschland ist für den 64-jährigen Deutschen alternativlos. Noch ist März 2023, folglich wird in Windischgarsten fleißig trainiert. Am Freitag startet in Linz die Qualifikation gegen Aserbaidschan, quasi ein Doppelevent, am Montag geht es gegen Estland weiter.

In Gruppe F vergnügen sich zudem Belgien und Schweden, die besten zwei sind fix bei der EM. ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel: "Wir sind mit Belgien und Schweden auf Augenhöhe. Rangnick überzeugt, will über alles informiert sein, nimmt die Leute mit." Ein Teamchef hat Pflichten, zum Beispiel muss er am Donnerstag im Linzer Stadion die Abschlusspressekonferenz geben. Im Beisein von Kapitän Marcel Sabitzer. Beide werden vor Aserbaidschan warnen.

Rund eine Stunde davor präsentiert Rangnick ohne Sabitzer gemeinsam mit AUT of ORDA, dem neuen Band-Projekt von Christopher Seiler, Paul Pizzera und Daniel Fellner, den offiziellen Song des Nationalteams samt Video auf dem Weg nach Deutschland. Hoch gwimmas (n)imma lautet der Titel. Rangnick, dies zur Beruhigung, singt nicht mit. Ein Lied macht freilich keine Qualifikation, zu diesem Zwecke sind weitere Voraussetzungen zu erfüllen.

Die Torwartfrage

Noch hat sich keine klare Nummer eins herauskristallisiert, mit einem überragenden Keeper kann Österreich nicht dienen. Diesmal wurden Heinz Lindner (Sion), Niklas Hedl (Rapid) und Patrick Pentz (Leverkusen) einberufen. Pentz ersetzt den kurzfristig erkrankten Alexander Schlager (LASK). Rangnick legt Wert auf Praxis, Lindner und Hedl erfüllen das, sie haben bei ihren Klubs ein Stammleiberl. Für Pentz gilt das nicht, seine Einsätze sind seltener als Lawinenabgänge im Burgenland. Rangnick hat "nicht vor, bei jedem Lehrgang und bei jedem Spiel die Torwart-Diskussion neu aufzumachen". Lindner scheint in der Poleposition zu sein.

Die Abwehrfrage

Im Zentrum herrscht ein Überangebot (Alaba, Danso, Trauner, Lienhart, Wöber, Posch), da könnte halb oder sogar ganz Europa der Neid fressen. Rangnick hat aus dem fulminanten 2:0 im November gegen Italien Lehren gezogen, präferiert die Viererkette. Stefan Posch rechts, Maximilian Wöber links, beide sind allerdings gelernte Innenverteidiger. Andreas Ulmer (37) von Red Bull Salzburg wurde nachnominiert. Jonas Auer (22) von Rapid hat vorerst einmal Perspektiven.

Die Mittelfeldfrage

Ein erfreuliches Gedränge, die Liste ist unvollständig. Nicolas Seiwald, Konrad Laimer sind auf der Sechser-Position echte Stützen, Laimer kann auch andere Rollen einnehmen. Xaver Schlager ist aktuell verletzt, seine Klasse bleibt aber unumstritten. Marcel Sabitzer wurde in der Vergangenheit von Bayern München und nun Manchester United eher zurückbeordert, er beherrscht aber nach wie vor die Offensive. Selbiges gilt für Christoph Baumgartner.

Die Angriffsfrage

Ein Torjäger wird dringend gesucht. Marko Arnautovic, mit 106 Einsätzen Rekordinternationaler, wird am 19. April 34 Jahre alt. Er muss für den Quali-Auftakt aufgrund einer Fußverletzung passen, generell sind Wehwehchen beim Bologna-Legionär im Zunehmen. Er hat bisher 34 Treffer erzielt. Lässt man Alaba (15 Tore) weg, der gegen Aserbaidschan sicher nicht eingesetzt wird, so hat der gesamte Kader insgesamt 33-mal gescort, also knapp gegen Arnautovic verloren. Zwölfmal Sabitzer, je siebenmal Baumgartner und Michael Gregoritsch. Rangnick sagt: "Ist Arnautovic fit und so gut wie gegen Italien, führt an ihm kein Weg vorbei." Am ehesten ist dem 28-jährigen Gregoritsch Torinstinkt zuzutrauen, in Freiburg spielt er eine gute Saison. Mainz-Legionär Karim Onisiwo hat in bisher 20 Ländermatches genau einmal getroffen, diese Bilanz ist mehr als ausbaufähig.

Und die Stimmung?

Rangnick versteht die österreichische Welt nicht ganz, gegen Italien kamen nicht einmal 18.000 Fans ins hässliche Happel-Stadion. Okay, diesmal in Linz werden es jeweils 16.000 sein, das Stadion ist neu, man sitzt nahe am Spielfeld. "Verdammt noch einmal, wir brauchen die Heimspielatmosphäre, den Doppelpass mit den Fans", sagt Rangnick. Am 20. Juni muss gegen Schweden im Happel gespielt werden, der ÖFB konnte sich mit Rapid auf keine Austragung im Allianz-Stadion einigen. Der Teamchef ist etwas sauer, lehnt aber Verzweiflung ab. "Wir müssen", sagt Rangnick, "die Leute eben überall begeistern." In Linz beginnt ein Lied. (Christian Hackl, 23.3.2023)