St. Pölten – Es war ein Ringen bis zum letzten Moment. Erst knapp eine Woche vor der konstituierenden Sitzung des neuen niederösterreichischen Landtags am Donnerstag haben ÖVP und FPÖ schließlich zueinandergefunden. Rund um die Angelobung der Landesregierung wird der schwarz-blaue Pakt aber gewaltig auf die Probe gestellt.

VIDEO-UMFRAGE: In Wiener Neustadt hat die FPÖ bei der Landtagswahl besonders viele Stimmen bekommen. DER STANDARD hat Passantinnen und Passanten nach ihrer Meinung zur neuen Regierung gefragt.
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Neben viel Kritik, unter anderem auch von Verfassungsjuristen, steht die Koalition nicht geeint hinter Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Die FPÖ wird sie nicht zur Landeshauptfrau wählen. FPÖ-Chef Udo Landbauer bekommt wiederum keine eindeutige Unterstützung der ÖVP. Was genau passiert in der konstituierenden Sitzung am Donnerstag?

Die Angelobung des Landtags

Trotz des vereinbarten Arbeitsprogramms von Schwarz-Blau und der fixierten Zuständigkeiten innerhalb der Regierung ist eine brisante Sitzung programmiert. Als erster Tagesordnungspunkt der um 10 Uhr beginnenden Sitzung findet die Angelobung aller 56 Abgeordneten statt. Hier dürfte es wohl noch am gesittetsten zugehen: Die Abgeordneten sind ja bereits gewählt, die Mandatsbesetzung führen die Parteien selbst durch. Nach der Wahl der drei Landtagspräsidenten, darunter Karl Wilfling (ÖVP), Gottfried Waldhäusl (FPÖ) und Eva Prischl (SPÖ), ist der Landtag komplett, und die Tagesordnung geht zur Wahl der Landesregierung über.

Die Wahl der Landeshauptfrau

Damit gelangt die Sitzung zu einem ihrer heikelsten Punkte: der Wahl von Mikl-Leitner. Die amtierende Landeshauptfrau braucht für ihre Wiederwahl eine einfache Mehrheit im Landtag. Mehr als die 23 ÖVP-Stimmen unter den insgesamt 56 Abgeordneten wird Mikl-Leitner aber nicht bekommen. Denn die FPÖ unter Landbauer hatte im Vorfeld der Landtagswahl mehrfach angekündigt, Mikl-Leitner nicht an die Spitze des Landes zu hieven.

Johanna Mikl-Leitner kann nur mit Unterstützung aus ihrer eigenen Partei rechnen.
Foto: APA/ Helmut Fohringer

Nun sind die Freiheitlichen in einer Koalition mit der ÖVP und kommen an die aus ihrer Sicht ungeliebten Landeschefin nicht vorbei. Sie bedienen sich deshalb eines kleinen Tricks: Alle 14 blauen Abgeordneten wählen einfach ungültig. Denn leere Stimmzettel zählen bei der Wahl nicht. Somit reichen die 23 ÖVP-Stimmen als einfache Mehrheit aus, um Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau zu küren.

Die Landesregierung setzt sich aus neun Mitgliedern zusammen.
Foto: Der Standard

Mit Unterstützung aus den anderen Parteien kann die ÖVP-Chefin ohnehin nicht rechnen. Zwischen ÖVP und SPÖ herrscht ordentlich dicke Luft: Beide werfen sich einander vor, ihre gemeinsamen Koalitionsverhandlungen gesprengt zu haben. Dementsprechend ablehnend sind die Roten auch gegenüber der schwarz-blauen Landesregierung: "Schwarz-Blau hat ein Programm der sozialen Kälte vorgelegt", die SPÖ lehne viele Inhalte "zutiefst" ab, heißt es aus der roten Landespartei. Die SPÖ wird daher gegen "Mikl-Leitner und die gesamte schwarz-blaue Landesregierung stimmen".

Grüne und Neos haben ebenfalls bestätigt, dass sie Mikl-Leitner nicht wählen werden. Helga Krismer (Grüne) stellt klar, dass, wenn keine "andere Allianz" zustande kommt, sie mit ihrem Klub ebenfalls gegen Mikl-Leitner stimmen wird. "Es wird eine sehr einsame Wahl für Mikl-Leitner", sagt Neos-Landeschefin Indra Collini. Pinke Stimmen werde es für die gesamte schwarz-blaue Landesregierung nicht geben. Damit die anderen Parteien Mikl-Leitner als Landeshauptfrau das Misstrauen aussprechen könnten, bräuchte es übrigens eine Zweidrittelmehrheit.

Die Wahl der Stellvertreter

Auch Landbauer kann bei der Wahl zum Landesvize, für die er ebenfalls eine einfache Mehrheit braucht, auf keine Unterstützung der 19 Abgeordneten von SPÖ, Grünen und Neos hoffen. Er benötigt insgesamt die Unterstützung von 20 Abgeordneten – und damit zusätzlich zu 14 blauen Stimmen zumindest sechs von der Volkspartei. Eine ungültige Wahl des gesamten ÖVP-Klubs – analog zum Vorgehen der Blauen bei der Wahl zur Landeshauptfrau – ist also nicht möglich.

Vonseiten der ÖVP hält man sich zum Wahlverhalten noch bedeckt. Die Volkspartei hat bloß angekündigt, die Wahl Landbauers zum Landesvize zu "ermöglichen". Theoretisch könnte es damit zu der skurrilen Situation kommen, dass Landbauer mehr Stimmen bekommt als Mikl-Leitner.

Die Ressortverteilung

Neben den Persönlichkeiten, die zur Wahl stehen, war vor allem die Ressortverteilung Gegenstand von Kontroversen. Diese haben sich ÖVP und FPÖ untereinander ausgepokert. Die Volkspartei behält etwa Wirtschaft, Bildung und Finanzen, die FPÖ ist unter anderem für Arbeit, Asyl und Mobilität zuständig. Welche Ressorts die SPÖ bekommt, wurde bis Redaktionsschluss nicht offiziell bekanntgegeben.

Es zeichnet sich aber ab, dass die rote Landesrätin Ulrike Ludwig-Königsberger weiterhin für Gesundheit zuständig bleibt. SPÖ-Parteichef Sven Hergovich dürfte dafür recht leer ausgehen: Als ehemaliger AMS-Chef in Niederösterreich wollte er den Bereich Arbeit, den aber nun die FPÖ innehat. Für Hergovich bleiben wohl nur Baurecht, Veranstaltungen und die Aufsicht über die SPÖ-Gemeinden. (Max Stepan, 23.3.2023)