Wie schlagen sich Geflüchtete am Jobmarkt? Eine neue Analyse analysiert die Entwicklungen seit 2015.

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Wie viele Afghanen, Syrer, Iraker und Iraner schaffen es, am Arbeitsmarkt unterzukommen? Seit dem Fluchtjahr 2015 beschäftigt diese Frage in Österreich die Öffentlichkeit und die Medien. Dabei wird oft der Erfolg oder Misserfolg der Integration anhand von Arbeitsmarktzahlen diskutiert. Aus Expertensicht ist das bestenfalls ein Parameter in der Debatte – schnell einen Job zu finden kann für eine Erwerbskarriere auch nachteilig sein. Wenn jemand seine Fähigkeiten nicht ausschöpfen kann, als Hilfs- statt als Fachkraft arbeitet, bedeutet das ja aus individueller Sicht, Potenzial ungenutzt zu lassen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht heißt dies, dass Ressourcen nicht optimal eingesetzt werden.

So sieht die Lebensrealität vieler Geflüchteter tatsächlich aus: Viele finden eine Arbeit, aber oft sind das prekäre Jobs. Das ist eine mögliche Interpretation einer Untersuchung der Wiener GmbH Synthesis Forschung. Das Unternehmen hat im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds die Integration von Frauen und Männern analysiert, die in den vergangenen Jahren zugewandert sind. Eine große Gruppe betrifft Menschen, die im Fluchtjahr 2015 nach Österreich kamen.

Dabei zeigt sich, dass einem guten Teil dieser Menschen der Sprung in den Arbeitsmarkt gelingt: So haben etwas mehr als 52 Prozent von ihnen sechs Jahre nach ihrer Ankunft zumindest für 90 Tage im Jahr eine Arbeit. Zum Vergleich hat Synthesis auch ausgewertet, wie sich diese Zahlen bei Menschen entwickeln, die 2015 aus einem EU-Staat nach Österreich gekommen sind. Hier ist die Beschäftigungsquote höher, sie liegt bei circa 79 Prozent.

Viele Männer in Jobs, wenige Frauen

Im Detail gibt es große Unterschiede: So sind von den 2015 gekommenen afghanischen Männern rund 66 Prozent mindestens drei Monate im Jahr in Arbeit. Bei den Frauen sind das nur 21 Prozent. Das also die Beschäftigungsquote der Afghanen insgesamt nicht höher ist, liegt daran, dass afghanischen Frauen im Erwerbsleben fehlen. Bei Syrern sind die Zahlen ähnlich. Auffallend schlechter ist die Beteiligung von Russen und Tschetschenen beider Geschlechter am Jobmarkt. Von jenen, die 2015 gekommen sind, findet gerade einmal ein Drittel Arbeit. Zu den Gründen für diese Entwicklung sagt die Analyse nichts.

Die Zahlen beziehen sich wie erwähnt auf das Jahr 2021, für das es umfassende Daten gibt.

Interessant ist auch ein Blick auf die Einkommen. So lag das Bruttomonatseinkommen jener Menschen, die 2015 als Flüchtlinge kamen, für eine Vollzeitstelle im Median bei 2110 Euro brutto. Das Jahreseinkommen betrug in der Gruppe aber nur 16.691 Euro. Zum Vergleich: Bei allen Vollzeitbeschäftigten in Österreich lag das Jahreseinkommen damals bei 54.000 Euro, bei Arbeitern sind es 36.500.

Warum verdienen Geflüchtete übers Jahr gesehen so viel weniger? Eine Erklärung ist, dass die Betroffenen nicht dauerhaft beschäftigt sind. Menschen, die 2015 aus Syrien, Afghanistan, Irak und Co zuwanderten, arbeiten im Schnitt 261 Tage im Jahr, sind also fast 30 Prozent der Zeit arbeitslos. Eine Auswertung zu Beschäftigungstagen für Österreicher gibt es aktuell beim AMS nicht. Allerdings findet sich bei Synthesis eine Vergleichszahl: Bei EU-Bürgerinnen und Bürgern, die schon sehr lange im Land sind, beläuft sich die Zahl der Arbeitstage auf 324 im Jahr.

Dass die Einkommen der ehemaligen Asylwerber niedriger sind, dürfte auch daran liegen, wo die Betroffenen unterkommen: Etwa jeder Sechste arbeitet im Bereich der "sonstigen Dienstleistungen", zu denen etwa die Arbeitskräfteüberlassung, aber auch die Reinigung gehören – traditionelle Niedriglohnsektoren also. Auch im Tourismus/Gastronomie und im Handel sind viele der Menschen tätig.

Kaum Lehre für Asylwerber

Bei der Gruppe der 2015 Angekommenen hat es im Vergleich zu früheren Fluchtwellen zunächst eine recht intensive AMS-Betreuung gegeben, wie die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sagt. So wurde ausgewertet, welche Qualifikation die Menschen mitgenommen haben. Am Faktum, dass sie dennoch oft nur in prekärer Beschäftigung unterkommen, hat das offenbar wenig verändert.

Interessant in diesem Zusammenhang ist noch eine AMS-Statistik. Für Asylwerber unter 25 hat es zwischenzeitlich einen Zugang zur Lehre in Mangelberufen gegeben. Eine Idee dahinter war, Menschen im langen Asylverfahren eine Ausbildung für später zu ermöglichen. Die Ausnahme wurde 2018 unter der der türkis-blauen Regierung aufgehoben, ehe der Verfassungsgerichtshof diese Beschränkungen 2021 kippte. Das Wirtschaftsministerium unter Martin Kocher (ÖVP) erteilte allerdings prompt eine Weisung ans AMS, die Zugangsmöglichkeiten restriktiv auszulegen. Die Folge ist: Das Instrument ist de facto tot. Im Jahr 2017 gab es noch mehr als 500 Asylwerber in der Lehre, 2018 waren es schon 966. Seither sinkt die Zahl rapide.

2022 gab es österreichweit gerade noch 58 Menschen, die während ihres Asylverfahrens eine Lehre absolvierten. (András Szigetvari, 23.3.2023)