Schwarz-Blau regiert also und prägt Niederösterreich die kommenden Jahre. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, überraschte auch die Freiheitlichen. Das Minus der ÖVP bei der Landtagswahl mag imposant gewesen sein. Doch damit, wie willig die Fast-40-Prozent-Partei innerhalb kurzer Zeit bei blauen Forderungen dahinsank, hat kaum jemand gerechnet.

VIDEO: Nach der Präsidiumsklausur der FPÖ-Bundespartei in Saalbach-Hinterglemm (Pinzgau) hat Parteichef Herbert Kickl die künftigen Ziele der Freiheitlichen skizziert. Die FPÖ wolle nach der nächsten Nationalratswahl die Regierung anführen, es brauche "einen freiheitlichen Volkskanzler".
DER STANDARD

Obendrein wertet die ÖVP den blauen Frontmann Udo Landbauer zum gleichberechtigten Partner auf – jenen Freiheitlichen, dem die Liederbuch-Causa und besondere Untergriffigkeiten gegen Johanna Mikl-Leitner nachhängen. Sogar die blaue Ablehnung wurde geschluckt, nicht für die Landeshauptfrau im Landtag zu stimmen. Keine Latte der FPÖ schien hoch genug gelegt, dass sie die ÖVP nicht überwinden wollte. Mancher Blaue vermittelt in diesen Tagen den Eindruck, als ob er nicht fassen könne, wie gut es laufe.

Auf dem Weg ins Kanzleramt? FPÖ-Chef Herbert Kickl kann sich über die Koalition in Niederösterreich freuen.
Foto: Helmut Fohringer

Bedeutung für die FPÖ

Für die FPÖ bedeutet das Zustandekommen von Schwarz-Blau in Niederösterreich aber weitaus mehr als Posten, Positionen und Einfluss. Das Bündnis dient als Beleg dafür, wieder regierungsfähig zu sein – trotz und wegen Herbert Kickl. Frontalopposition zahlt sich aus, so irrwitzig und extrem man sich auch gebärden mag, das ist die Erkenntnis, die bei Freund und Gegner sickert.

Dabei war Kickls radikaler Kurs in der Partei zwischenzeitlich durchaus umstritten. Kritiker befürchteten, dass Radau und allzu bizarre Positionen die FPÖ dauerhaft zum Paria in der Polit-Arena machen. Gerade an den Konservativen arbeitete sich Kickl ab. Nach dem Bruch der türkis-blauen Koalition trieb er sie vor sich her, zwischendurch streiften seine Leute den Ruch der Korruption an der ÖVP ab – als ob es Ibiza nicht gegeben hätte.

Keine vier Jahre nach dem Fiasko um Heinz-Christian Strache sind es die Konservativen, die ausgerechnet in ihrem Herzland Niederösterreich eine Verbreiterung der Macht der FPÖ ermöglichen. Angesichts dieser Gemengelage und prächtiger Umfragewerte entwickelt die FPÖ ernsthafte Machtpläne. Warum sollte Kickl bei der Nationalratswahl nicht gelingen, was in Niederösterreich klappte?

Erfolg mit Frontmännern

Diskret wird in der FPÖ bereits darüber nachgedacht, wie eine Regierungsbeteiligung im Bund aussehen könnte. Kickl im Kanzleramt – das ist nun nicht mehr ein nur dahingesagter Schmäh. Die Positionierungen der Volkspartei sorgen für weitere Ermunterung: Karl Nehammer hat in seiner Kanzlerrede bei Themenfeldern wie Verbrennungsmotor, Migration und Klimaklebern lauter Positionen verkündet, bei denen es den Blauen leicht fällt anzudocken.

Der Erfolg in Niederösterreich wirkt sich auch auf das Machtgefüge innerhalb der FPÖ aus. Mit Udo Landbauer verfügt die Partei nun neben dem Oberösterreicher Manfred Haimbuchner über einen zweiten Landeshauptmann-Stellvertreter – und das in dem nach Wien einwohnerreichsten Bundesland. Während Haimbuchner im Vergleich zu Kickl noch als relativ berechenbarer Vertreter seiner Partei gilt, steht Landbauer für knallharte rechte Politik. Er zählt künftig zur blauen Führungsreserve.

Seit Jörg Haiders Zeiten reüssierte die FPÖ mit "feschen" juvenilen Frontmännern, auch wenn Kickl die Ausnahme ist. Udo Landbauer ist 36 Jahre alt, so wie Sebastian Kurz. Die politische Laufbahn des Ex-Kanzlers ist (vorerst) vorbei. Die große Karriere von Landbauer könnte gerade erst beginnen. (Oliver Das Gupta, 23.3.2023)