Für den ersten Auftritt in der Öffentlichkeit seit seiner Verurteilung wegen Drogenhandels hat Julian Hessenthaler einen würdigen Anlass gewählt. Der Regisseur des Ibiza-Videos besuchte in der Vorwoche als Zuschauer den Prozess gegen den Novomatic-Lobbyisten Gert Schmidt. Also just gegen jenen Mann, der im Hessenthaler-Prozess 55.000 Euro an die beiden Hauptbelastungszeugen gezahlt hatte.

Umso brisanter wirkt die Schmidt nun vorgeworfene Straftat: versuchte Bestimmung zur falschen Zeugenaussage. Laut Staatsanwältin hat er den ehemaligen Novomatic-Geschäftspartner Peter Barthold mit einem finanziellen Angebot zu einer von Schmidt vorformulierten Aussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss verführen wollen. Unter anderem hätte der seit seinem Ausscheiden aus der Branche als engagierter Gegner des Glücksspielkonzerns bekannte Barthold vor dem Ausschuss sagen sollen: "Es gab kein illegales Automatenglücksspiel in Wien!" Eine These, die an die Majestix-Doktrin "Ich kenne kein Alesia! Ich weiß nicht, wo Alesia liegt! Niemand weiß, wo Alesia liegt!" erinnert, zumal der OGH im Jahr 2017 ein für alle Mal feststellte, dass Novomatic illegales Automatenglücksspiel betrieben hat.

Ein Novomatic-Lobbyist muss sich gerade vor Gericht verantworten.
Foto: Robert Jäger

Fehlende Überprüfungen

Nicht weniger auf Konfliktkurs mit der für Zeugen im Ausschuss geltenden Wahrheitspflicht geht ein weiterer Satz im von Schmidt gewünschten Text: "Rückblickend muss ich auch dem Land Wien attestieren, dass das heute so kritisierte kleine Glücksspiel vortrefflich von Wien kontrolliert wurde."

In der Realität sah diese "Vortrefflichkeit" so aus: Der für die Überprüfung der Gesetzeskonformität der Spielautomaten zuständige "Spielapparatebeirat" der Stadt Wien hat die respektgebietende Leistung vollbracht, zwischen 2000 und 2006 von 4036 zu prüfenden Automaten nicht einen einzigen tatsächlich zu prüfen. Als Vorsitzender dieses Beirates agierte der SPÖ-Wirtschaftskammer-Funktionär Ernst Riedl, dessen Gattin laut der im Zuge einer Hausdurchsuchung bei Novomatic-Boss Johann Graf gefundenen Schenkungsliste rund zwei Millionen Euro von Graf geschenkt bekommen haben soll.

Es wundert daher nicht, dass Barthold vor dem U-Ausschuss auf die schauspielerisch fordernde Darbietung des von Schmidt verfassten Monologs verzichtete und stattdessen die Entstehungsgeschichte dieser gewagt formulierten Novomatic-Werbeeinschaltung öffentlich machte.

Neues Glücksspielgesetz

Bemerkenswert erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass Schmidt seine Tätigkeit als Ghostwriter schon einmal ungenierter praktiziert hat. Laut eigenen Angaben hat er für die Kanzlei des ehemaligen Justizministers Dieter Böhmdorfer "Vorschläge für ein neues Glücksspielgesetz" verfasst, die dann tatsächlich in die Gesetzgebung eingeflossen seien.

Die jetzige Bundesregierung hat es noch immer nicht geschafft, ihr seit zweieinhalb Jahren angekündigtes neues Glücksspielgesetz vorzulegen, weil die einzig wirksame Spielerschutzmaßnahme "deutliche Reduzierung der höchstmöglichen Spieleinsätze" von der ÖVP abgelehnt wird. Vielleicht könnte ja ein im Stil von Schmidt formuliertes Gesetz einen Kompromiss darstellen: "Es gibt kein Existenzen vernichtendes Automatenglücksspiel in Österreich!" (Florian Scheuba, 23.3.2023)