Die Rettung der Credit Suisse ging flott. Entscheidungen wurden rasch getroffen. Klagen werden nun folgen.

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Im Zuge der Notrettung der Credit Suisse sind AT1-Papiere ins Gerede gekommen. Das sind Papiere, die dem Eigenkapital der Bank zugerechnet werden. Was hat es mit diesen Papieren auf sich und wie groß ist das Risiko eines Verlusts?

Frage: Was sind AT1-Anleihen?

Antwort: AT1-Anleihen sind Papiere, die zwar fest verzinst werden – wie es bei Anleihen der Fall ist –, aber für die Banken fast so gut wie Eigenkapital sind und deshalb auch als "zusätzliches Kernkapital" (AT1, Additional Tier-1 Capital) gelten. Diese Anleihen sind auch bekannt unter "Cocos" (Contingent Convertible Bonds) genannt.

Frage: Waren "Cocos" nicht auch ein großes Thema in der Finanzkrise?

Antwort: Ja, das waren sie. Cocos sind sogar ein Kind der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008. Die Idee war, dass mit Cocos künftige Schieflagen systemrelevanter Banken besser in den Griff zu bekommen sind – ohne die Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung oder staatliche Hilfe. Technisch gesehen handelt es sich dabei um nachrangige Anleihen, die bei Eintreten vorab festgelegter Ereignisse automatisch von Fremd- in Eigenkapital gewandelt werden. Damit wird im Fall die Eigenkapitalausstattung des Emittenten verbessert. Ohne Wandlung läuft die Coco-Anleihe normal weiter, bis sie am Ende ihrer Laufzeit getilgt wird.

Frage: Inwiefern unterscheiden sich Cocos von Wandelanleihen?

Antwort: Bei Cocos wird automatisch gewandelt, wenn vorab definierte Ereignisse eintreten. Es gibt kein Umtausch- oder Wahlrecht des Investors, wie das bei herkömmlichen Wandelanleihen der Fall ist.

Frage: Warum wurden sie im Fall der Credit Suisse für wertlos erklärt?

Antwort: Der Entscheid der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) ist höchst umstritten. Das Vorgehen dürfte mit einer Besonderheit des Schweizer Bankengesetzes bezüglich der Befugnisse zusammenhängen, die die Finma während eines Sanierungsverfahrens hat – sie hat im Vergleich zu den meisten globalen Abwicklungsbehörden nämlich einen größeren Spielraum. Dazu gehört die Befugnis, die Verpflichtungen der Bank – einschließlich AT1 – teilweise oder vollständig in Eigenkapital umzuwandeln und/oder abzuschreiben, wenn die Bank im Rahmen einer Umstrukturierung oder Abwicklung öffentliche Unterstützung erhält. Das ist bei der Credit Suisse der Fall. Es wird in diesem Fall jedoch erwartet, dass das Bail-in – also die Beteiligung der Gläubiger an den Verlusten – nach wie vor entsprechend der Hierarchie der Forderungen geschieht. Das heißt: Zuerst kommen die Aktionäre, dann die Anleihegläubiger, dann die nicht versicherten Einlagen an die Reihe.

Frage: Ist das die einzige Möglichkeit für die Finma, so zu agieren?

Antwort: Nein. Sinkt die harte Eigenkapitalquote einer Bank unter das aufsichtsrechtliche Minimum ihrer risikogewichteten Vermögenswerte, werden die wandelbaren Instrumente abgeschrieben oder in Eigenkapital gewandelt. Dieser Fall war bei der Credit Suisse aber nicht gegeben.

Frage: Welche Folgen hat diese Entscheidung?

Antwort: Sie sorgt für Unruhe. Die Anwaltskanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan spricht bereits mit einer Reihe von AT1-Investoren über mögliche Klagen. Marktteilnehmer sehen in der Finma-Entscheidung auch Gefahr für die Glaubwürdigkeit des Schweizer Bankenabwicklungsrahmens, da der aktuelle Fall zu hoher Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Hierarchie bei der Abwicklung und Restrukturierung von Schweizer Banken führen kann.

Frage: Um wie viel Geld geht es bei diesen AT1-Anleihen?

Antwort: Es geht um 16 Milliarden Franken (16 Mrd. Euro), die Banken, Versicherer und andere Anleger in diesen Anleihen investiert hatten und die nun wertlos erklärt wurden.

Frage: Kann das in der EU auch so passieren?

Antwort: Nein. In der EU würde eine außerordentliche finanzielle Unterstützung einer Bank durch die öffentliche Hand in der Regel eine Abwicklung und damit ein Bail-in in der Höhe von acht Prozent der Verbindlichkeiten auslösen – es sei denn, die öffentliche Unterstützung ist "vorsorglich", also erforderlich, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedsstaats zu beheben und die Finanzstabilität zu wahren. Eine mit dem Fall der Credit Suisse vergleichbare Situation könnte also in geordneter Weise innerhalb der Abwicklungsrichtlinie (BRRD, Bank Recovery and Resolution Directive) gelöst werden. Die Variante, wie sie die Finma für die Credit Suisse umgesetzt hat – mit vollständiger Abschreibung der AT1-Papiere ohne vollständige Abschreibung der Aktien –, wäre nicht möglich, erklärt Silvia Merler, Head of ESG & Policy Research bei Algebris Investments. Der Schutz vorrangiger Gläubiger entsprechend der Forderungshierarchie ist der Schlüssel zur Wahrung der Finanzstabilität für den Fall, dass eine Bank umstrukturiert oder abgewickelt werden muss. Dieser Ansatz wurde in den USA und in Europa in früheren Fällen konsequent angewandt. Auch die Experten von Morningstar weisen darauf hin, dass eine AT1-Kontroverse, wie es sie bei der Credit Suisse gibt, außerhalb Europas unwahrscheinlich ist. Die Bankenaufsichtsbehörden in der EU haben ebenfalls bereits betonten, dass bei Bankenrettungen AT1-Anleger weiterhin erst nach den Aktionären zur Kasse gebeten würden.

Frage: Sind österreichische Banken von AT1-Ausfällen betroffen?

Antwort: Die großen Häuser Erste Group, RBI und die Bawag haben bereits gesagt, dass sie solche Papiere nicht halten. In Summe dürfte es damit keinen nennenswerten Schaden für die heimischen Banken durch Credit-Suisse-Cocos geben.

Frage: Wie sieht es mit Fonds aus, in die österreichische Anleger investiert sind?

Antwort: Heimische Fonds und private Anleger sind mit rund zwei Millionen Euro in diese Anleihen investiert, teilte die Oesterreichische Nationalbank mit. Ein Risiko für Österreichs Finanzplatz sieht man in der OeNB aufgrund der geringen Summe aber nicht. (Bettina Pfluger, 23.3.2023)