Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Vier Milliarden Menschen leben in Regionen, die zumindest in einem Monat im Jahr von massiver Wasserknappheit betroffen sind. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat nach wie vor keine sicheren Sanitäranlagen. 500 Millionen Menschen verfügen nicht einmal über einfachste Latrinen.

Europa erlebte 2022 die schlimmste Dürre seit 500 Jahren. An vielen Orten wird das Wasser knapp. Warum das nicht nur mit der Klimakrise zu tun hat und welche Lösungen es gibt.

Der Bedarf an Wasser steigt jährlich um ein Prozent. Grund dafür sind die wachsende globale Bevölkerung, zunehmender Wohlstand und veränderte Konsumgewohnheiten. Die Reserven an Süßwasser jedoch sinken. Bis 2030 könnte die Versorgung mit Frischwasser um 40 Prozent abnehmen, warnt die OECD. Dürreperioden werden aufgrund des Klimawandels länger, extreme Wetterereignisse häufen sich.

VIDEO: Guterres prangert bei UN-Wasserkonferenz einen "vampirhaften Überkonsum" an.
DER STANDARD

Explosive Konflikte

Der Mangel an Wasser entwickelt sich zu einer der größten Bedrohungen für die menschliche Entwicklung, sind sich Experten der Vereinten Nationen einig. Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Doch vom Ziel, bis 2030 für alle Menschen sauberes Wasser und sanitäre Versorgung sicherzustellen, ist man weit entfernt.

Der Mangel an sauberem Wasser entwickelt sich zu einer der größten Bedrohungen für die menschliche Entwicklung.
Foto: AP

Krisen rund um Wasser sind ein Dauerbrenner. Überdeckt von Corona-Pandemie und Ukrainekrieg schafften es diese jedoch, anders als der Klimawandel und die Biodiversität, nur selten in den Fokus der internationalen Politik. Zu lange galt Wasser, von dem es zu wenig oder zu viel gibt, das vielerorts verschmutzt ist und das immer öfter Auslöser explosiver Konflikte wird, als regionales Verteilungsproblem, das sich durch bessere Infrastruktur lösen lässt.

46 Jahre brauchten die Vereinten Nationen, um das Thema Wasser erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Seither hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt.
Foto: AP

Die Vereinten Nationen rücken die sich zuspitzende Wasserknappheit nun ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Drei Tage lang steht New York diese Woche im Zeichen des Wassers. Das Treffen von 170 Nationen am Ufer des East River gilt als Generationenkonferenz – ganze 46 Jahre sind seit der ersten vergleichbaren Konferenz vergangen. Seither hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt.

"Welt in großen Schwierigkeiten"

Resolutionen und Abschlussdokumente gibt es nicht. Ziel ist eine bessere internationale Zusammenarbeit. Zudem sollen Strategien entwickelt werden, um drohende Auseinandersetzungen um die knappe Ressource zu entschärfen. Flankiert wird die Konferenz von 400 Selbstverpflichtungen im Dienste sicherer Wasserversorgung.

"Wir haben den Wasserkreislauf durchbrochen, Ökosysteme zerstört und Grundwasser verseucht", sagte Uno-Generalsekretär António Guterres vor knapp 7.000 Delegierten. Fast drei von vier Naturkatastrophen hingen mit Wasser zusammen. "Die Welt ist in großen Schwierigkeiten."

Neue Wege, um Wasser zu sparen und Abwasser aufzubereiten, seien gefragt. Es brauche ein globales Informationssystem, um Wasserbedarf zu prognostizieren, und Frühwarnsysteme im Kampf gegen gefährliche Klimaereignisse und Wetterkapriolen.

"Globaler Schulterschluss"

VP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig rief in seiner Rede bei der Uno-Generalversammlung in New York zu einem globalen Schulterschluss auf. Er unterstützte Forderungen der EU nach einem UN-Sonderbeauftragten für Wasser.

Der Mangel an Wasser hat vor allem für Afrika, Asien und Lateinamerika dramatische Folgen. Aber auch ein Fünftel der Europäer ist von Engpässen betroffen. Viele Länder der EU, die sich lange im Wasserüberfluss wähnten, zahlen mittlerweile einen hohen Preis für jahrzehntelangen nachlässigen Umgang mit der Ressource.

Versiegelte Böden, regulierte Flüsse

Die Klimakrise ist nur ein Teil des Problems. Starke Bodenversiegelung, Flussregulierungen und entwässerte Feuchtgebiete gruben ganzen Landstrichen das Wasser ab. Ein Viertel des Trinkwassers geht in Europa durch lecke Rohre verloren. Sind Winter zu trocken und Sommer zu heiß, stoßen Grundwasserspeicher zusehends an ihre Grenzen.

Der Ausbau des Angebots an in Flaschen abgefülltem Wasser nährt die internationale Getränkeindustrie. Der allgemeine Zugang zu sauberem Trinkwasser aber gerät in der Folge vor allem in ärmeren Ländern ins Hintertreffen.

Die von vielen Experten als Wunderwaffe gepriesene Entsalzung von Meerwasser ist zwar technologisch weit gediehen, bleibt jedoch energieintensiv und reich an ökologischen Risiken.

Resolutionen und Abschlussdokumente gibt es bei der UN-Konferenz in New York nicht. Ziel ist eine bessere internationale Zusammenarbeit.
Foto: AP

In Österreich sei die Versorgung mit Wasser über die nächsten Jahrzehnte gesichert, betonte Totschnig. Dennoch sind die Zeiten vorbei, in denen es daran nie mangelte. Regionale Engpässe und Verteilungskonflikte sind programmiert.

Im Osten des Landes sank der Grundwasserstand heuer auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Messungen. Der von Niederschlägen gespeiste Neusiedler See droht auszutrocknen. Bis 2050 könnten die verfügbaren Grundwasserressourcen hierzulande um bis zu 23 Prozent abnehmen, erhob eine Studie im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums. Der Bedarf an Wasser steige zugleich um zwischen elf und 15 Prozent.

Landwirtschaft lechzt nach Bewässerung

69 Millionen Kubikmeter Wasser fließen jährlich in die Bewässerung der Landwirtschaft. Bis 2050 könnten es infolge des Klimawandels bereits bis zu 125 Millionen sein. Global entnimmt die Landwirtschaft 72 Prozent des Süßwassers. In Österreich sind es zwar nur vier Prozent, während Industrie und Gewerbe 70 Prozent nutzen. Die Bewässerung, die zu 95 Prozent Grundwasser anzapft, konzentriert sich jedoch überwiegend auf den immer trockeneren Osten des Landes.

Österreich habe in der Vergangenheit viel in Wasserinfrastruktur investiert und werde dies auch künftig tun, sagte Totschnig. Neben mehr Wassermonitoring gelte es, das Bewusstsein der Bevölkerung für sparsameren Umgang mit Wasser zu schärfen. Ein Vorsorge- und Notfallplan für sichere Trinkwasserversorgung ist in Arbeit.

130 Liter verbraucht ein Österreicher im Schnitt am Tag. Dessen bewusst sind sich die wenigsten. Einer Marketagent-Studie zufolge wissen weite Teile der Bevölkerung weder, wie viel Wasser sie verwenden, noch, woher es kommt. (Verena Kainrath aus New York, 23.3.2023)

Die Reise in die USA erfolgte zum Teil auf Einladung des Bundesministeriums für Landwirtschaft.