Koalition bringt Novelle zum ORF-Gesetz auf den Weg – mit Haushaltsabgabe statt GIS und mehr Möglichkeiten für den ORF im Streaming.

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Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer (rechts).

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Wien – Haushaltsabgabe statt GIS: Die Koalition hat sich auf Grundzüge eines neuen ORF-Gesetzes geeinigt. Die Abgabe – "ORF-Beitrag" genannt" – soll künftig rund ein Drittel weniger als die GIS plus Landesabgaben betragen. Jetzt auch bestätigt wurden rund 15 Euro im Monat plus Landesabgaben – für Hauptwohnsitze, aber nicht für echte Nebenwohnsitze.

GIS-Kontrollen werden abgeschafft

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) spricht in einem kurzfristig anberaumten Pressegespräch von einem "ORF-Beitrag", der für die aktuell 3,2 Millionen Zahlerinnen und Zahler "signifikant günstiger" werde.

Die "GIS-Kontrollen" an der Haustür mit Fragen nach Empfangsgeräten würden abgeschafft: "Das ist kein zeitgemäßes System mehr", sagt Raab, "das will ich in Österreich nicht haben."

Für bisherige GIS-Zahler ändere sich organisatorisch lediglich die Höhe der Abgabe, bei jenen mit Abbuchungsauftrag werde künftig mit 2024 weniger abgebucht. Eingehoben wird der "ORF-Beitrag" weiterhin durch den ORF oder ein Tochterunternehmen des ORF – wohl eine neu formierte GIS GmbH ohne den derzeit mit kontrollierenden Hausbesuchen beschäftigten Außendienst.

"ORF-Beitrag" – 15 Euro plus Landesabgaben

  • Update: Die Haushaltsabgabe werden nach den jetzt auch bestätigten STANDARD-Infos rund ein Drittel günstiger als bisher und rund 15 Euro pro Monat betragen, dazu kommen in sieben von neun Bundesländern Landesabgaben – Oberösterreich und Vorarlberg verzichten darauf, bisher jedenfalls. Diese Abgaben fielen in die Zuständigkeit der Länder.
  • Die Länderabgaben auf ORF-Entgelte: Salzburg und Kärnten erheben bisher Fixbeiträge auf die GIS von 4,70 beziehungsweise 5,10 Euro pro Monat. Steiermark, Burgenland, Wien, Niederösterreich und Tirol schlagen derzeit zwischen 30,7 und 20 Prozent auf das ORF-Programmentgelt (also auf den ORF-Anteil an der GIS) auf.
  • Wer zahlt? Nach den jetzt bestätigten STANDARD-Infos wird die Abgabe für Hauptwohnsitze eingehoben, nicht aber für Nebenwohnsitze. Bisher gibt es für Nebenwohnsitze eine reduzierte GIS-Vorgabe von zumindest vier Monaten pro Jahr.
  • Unternehmen müssen wie bisher GIS auch künftig Haushaltsabgabe zahlen, Anknüpfungspunkt ist nach Vorschlag des Finanzministeriums der Begriff der Betriebsstätte.
  • Befreiungen: Wer bisher von der GIS aus sozialen Gründen befreit ist, werde auch künftig vom ORF-Beitrag befreit sein, betonten Raab und Maurer.
  • Beitragserhöhungen sollen wie bisher vom ORF beantragt, vom Stiftungsrat genehmigt und von der Medienbehörde KommAustria geprüft werden. Dieses Prüfverfahren soll aber laut Raab "nachgeschärft" werden.

HINWEIS: Die hier zunächst gezeigte APA-Grafik geht von falschen Berechnungen/Annahmen aus, unsere neue Berechnung finden Sie nun hier. Die meisten Länder erheben prozentuelle Abgaben auf die Programmentgelte ein, keine absoluten Beträge. Wenn die ORF-Entgelte sinken, sinken auch die Landesabgaben. Nur Kärnten und Salzburg heben Fixbeträge ein.

Präsentiert wird eine Einigung in Grundzügen, ein sogenannter Ministerratsvortrag, der etwa dem ORF und dem ebenfalls am Donnerstag tagenden ORF-Stiftungsrat eine erste Planungssicherheit über die Finanzierung geben soll – eine Haushaltsabgabe beziehungsweise, so könnte sie nach STANDARD-Infos genannt werden, ein "ORF-Entgelt" statt der GIS.

"Fortbestand des RSO"

Die Einigung soll etwa auch ORF Sport Plus und RSO betreffen – diese beiden bisherigen ORF-Angebote sollten nach bisherigen ORF-Angaben Einsparungen zum Opfer fallen. Modelle für den Fortbestand der Inhalte von ORF Sport Plus und des RSO würden ausgearbeitet, erklärte Sigrid Maurer, Klubchefin der Grünen.

"Sonderprivilegien abschaffen"

Die Einigung sieht auch neue Transparenzregeln für den ORF vor – etwa die Offenlegung von Gehältern nach dem Muster der BBC und von Nebentätigkeiten von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern. Die Vorgaben sollen das Recht des zahlenden Publikums unterstreichen zu wissen, was der ORF mit seinem Geld tut.

Medienministerin Raab kündigte am Donnerstag an, dass "teilweise sehr unübliche und sehr ausufernde Sonderprivilegien" in einem Teil der ORF-Verträge "abgeschafft" würden. Raab nannte beispielhaft "Sonderpensionen, Spezialzulagen wie Wohnungszulagen, horrende Abfertigungen". Maurer verwies auf Abfertigungen in Höhe von 25 Monatsgehältern.

Raab sprach hier von Eingriffen in bestehende Verträge durch ein "gesetzliches Sparpaket".

Bisher 18,59 Euro im Monat

Das neue ORF-Gesetz bringt eine neue Finanzierung des weitaus größten österreichischen Medienkonzerns: Eine Haushaltsabgabe unabhängig vom Empfang und von Empfangsgeräten soll die GIS ablösen. Die Abgabe pro Haushalt soll günstiger ausfallen als bisher die GIS. Der ORF erhält derzeit 18,59 Euro pro Monat und Haushalt.

Verfassungswidrige GIS

Anlass für die neue Finanzierung: Der Verfassungsgerichtshof hat Mitte 2022 entschieden, dass die GIS mit ihrer Ausnahme für Streamingnutzung verfassungswidrig ist. Die GIS wurde mit Ende 2023 aufgehoben.

Die GIS-Gebühren machen schon heute mit rund 680 Millionen Euro pro Jahr rund zwei Drittel der ORF-Einnahmen von einer Milliarde Euro aus. Mit der Haushaltsabgabe sollen mehrere Hunderttausend Haushalte zusätzlich zahlen, die sich bisher wegen reiner Streamingnutzung die GIS sparten. ORF-General Roland Weißmann sprach in den vergangenen Tagen von 300.000 Haushalten mehr. Derzeit gebe es rund 700.000 Haushalte, die entweder schwarz sehen oder wegen Streamingnutzung keine GIS zahlen. Raab sprach von 400.000 Haushalten mehr, die den "ORF-Beitrag" ab 2024 zahlen müssen.

Über die künftig erwarteten ORF-Einnahmen aus dem – pro Haushalt reduzierten – ORF-Beitrag machten Raab und Maurer keine Angaben.

Die neue ORF-Finanzierung und das neue ORF-Gesetz wird der EU als öffentliche Beihilfe zur Notifizierung vorzulegen sein. Vergleichbare Haushaltsabgaben gibt es bereits in Deutschland und in der Schweiz.

Mehr Streaming

Die ORF-Novelle sieht zudem weniger Beschränkungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Streaming und auf Social Media vor. Der ORF soll Inhalte für Streaming produzieren dürfen, die Beschränkung des Abrufs auf sieben Tage soll fallen.

Vorbild für künftige Streaming- und Social-Media-Aktivitäten dürfte das deutsche Contentangebot Funk von ARD und ZDF sein, das seine Inhalte für junge Menschen vor allem auf Social Media ausspielt. Eine Kooperation des ORF mit Funk ist offenbar angedacht; bei Funk wurde die Bereitschaft dem STANDARD gegenüber zuletzt bestätigt.

Details über eine solche Digitalnovelle als Teil eines neuen ORF-Gesetzes wurden am Donnerstag nicht bekannt, sie soll "zeitnah" vorgelegt werden. Der ORF solle hier "fit und konkurrenzfähig" mit anderen Medien werden, sagte Klubchefin Maurer. Der ORF hat mit ORF.at das dominierende Online-Newsportal in Österreich. (fid, 23.3.2023)