Honigbienen haben für die kalte Jahreszeit einen Trick, der ihnen hilft, niedrige Temperaturen zu überstehen. Bei einer Außentemperatur von etwa zehn Grad Celsius ziehen sie sich in ihren Stock zurück und bilden eine sogenannte Wintertraube. Extreme Kälteeinbrüche können ihnen dennoch zusetzen und zum Bienensterben führen. Eine Hightech-Wabe, die die geflügelten Insekten im Winter überwachen und die Wärmezufuhr im Bienenstock automatisch regulieren kann, hat das Team des Artificial Life Lab der Universität Graz in Kooperation mit der Schweizer École Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL entwickelt.

Die mit Sensoren versehene Bienenwabe überwacht die sogenannte Wintertraube, in der Bienen die kalte Jahreszeit überdauern.
Foto: APA/ARTIFICIAL LIFE LAB/UNI GRAZ

In der Wintertraube sitzen Bienen eng beieinander und halten sich gegenseitig warm – in ihrer Mitte hockt die Königin. Die Bienen erzeugen durch das Vibrieren mit ihrer Muskulatur Wärme, dennoch hilft auch das manchmal nicht – die Bienen verfallen in ein Frostkoma, hören somit auf, sich zu bewegen, und erfrieren schließlich, wie der Grazer Zoologe und Leiter des Artificial Life Lab, Thomas Schmickl, erklärt.

Wissen um Zustand der Bienen

"Imker können an sehr kalten Wintertagen nicht einfach den Bienenstock öffnen und nachschauen, wie es den Bienen geht. Sie können intervenieren und zufüttern, wie viele den Winter nicht überlebt haben, sehen sie erst im Frühling", schildert Schmickl. Mit einem Wabensystem, das mittels Sensoren erfasst, wie sich die Bienen im Inneren des Stocks verhalten, und das gezielt darauf reagieren kann – etwa mit zusätzlicher Wärmezufuhr –, könnte der Zustand der Insekten überwacht und ihr Überleben erleichtert werden.

Im Rahmen des mit EU-Mitteln geförderten Projekts "Hiveopolis" haben die Forscher aus Graz und Lausanne daher einen smarten Bienenstock entwickelt und getestet, der dies kann. Die ersten Forschungsergebnisse haben sie nun im Fachjournal "Science Robotics" veröffentlicht. Wie die Experimente mit den Hightech-Waben gezeigt haben, hat sich ein geschwächter Bienenschwarm, der bereits in ein Frostkoma gefallen war, sogar "wiederbeleben" lassen.

Die smarte Wabe ist mit 64 hochpräzisen Temperatursensoren und zehn Heizfeldern ausgestattet und kann die Wärme der Wintertraube autonom regeln. "Im Stock sollte es nie kälter als 18 Grad Celsius werden, bei Bedarf kann zugeheizt werden", sagt Schmickl. Daneben könnte die Wabe den Imker per SMS vor einem drohenden Temperaturkollaps unterrichten und anstoßen, dass weitere Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Die Wabe verfügt über eine integrierte Heizung, die bei Bedarf aktiviert wird.
Foto: APA/ARTIFICIAL LIFE LAB/UNI GRAZ

Neue Einblicke möglich

Grundsätzlich ermögliche die von außen steuerbare Wabe bisher unmögliche Einblicke in das Verhalten der Insekten. "Unser Robotersystem hilft uns, das Verhalten der Honigbienen zu untersuchen und zu verstehen. Wir können mit den Tieren in einen Dialog treten und so ihre Überlebensmechanismen ergründen", erklärt der Biologe Martin Stefanec von der Uni Graz, einer der Hauptautoren der Studie. So habe sich gezeigt, dass sich die Tiere durch die punktuelle Regulierung der Heizung nicht nur wärmen, sondern auch gezielt auf honigreichere Areale innerhalb der Wabe umlenken lassen: "Sie benötigen nämlich Orte mit spezifischer Temperatur und bewegen sich von selbst dorthin", sagt Stefanec. Das kollektive Verhalten der Bienen könne somit thermisch gesteuert werden, ergänzt Schmickl.

Temperatur ist ein Umweltfaktor, der das Leben von Honigbienen in hohem Maße beeinflusst: "Viele Regeln der Bienengesellschaft – von kollektiven und individuellen Interaktionen bis hin zur Aufzucht einer gesunden Brut – werden durch Temperatur reguliert", betont auch Rafael Barmak von der EPFL die Wichtigkeit der Wärmeregulation im Bienenstock. Die Forscher wollen die Wabe daher künftig auch im Frühling einsetzen – zu einem neuen Zweck: In dieser Jahreszeit muss das Volk durch Brutproduktion schnell wachsen, um die kritische Masse für den Fortbestand der Kolonie zu erreichen. Mithilfe von Sensoren soll etwa auch die Temperatur in der Wabe reguliert und damit die Aufzucht der Nachkommen optimiert werden.

Das Forschungsprojekt "Hiveopolis" wird vom Artificial Life Lab der Universität Graz koordiniert und von der EU fünf Jahre lang – noch bis März 2024 – mit rund sieben Millionen Euro gefördert. Weitere Partner sind die Université Libre de Bruxelles, die Freie Universität Berlin, Bee Smart Technologies Sofia, Latvijas Biozinatnu un Tehnologiju Universitate sowie die Humboldt-Universität Berlin.

Erst kürzlich hat ein österreichisches Start-up eine Heizung für Bienenstöcke vorgestellt. Solche Lösungen könnten in Zukunft helfen, die durch Pestizideinsatz und Klimawandel unter Druck geratenen Insekten zu unterstützen. (APA, red, 23.3.2023)