Viele Menschen erleiden mindestens einmal im Leben einen Knochenbruch.
Foto: KH Schwarzach

Sei es durch einen Unfall beim Ponyreiten oder Selbstüberschätzung auf der Schwarzen Piste: Einen Knochenbruch erlebt der Großteil der Menschen mindestens einmal im Leben. Unabhängig vom Alter führt diese Diagnose durch das wochenlange Tragen eines Gipses meist zu einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit.

Dirk Strunk, Leiter des Instituts für Experimentelle und Klinische Zelltherapie an der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg, möchte den Heilungsprozess von Knochenbrüchen nun durch künstlich erzeugte Knorpelscheiben beschleunigen: "Das Thema Knochenbruch fällt in der Forschung häufig unter den Tisch, obwohl jährlich über 100 Millionen Menschen weltweit betroffen sind."

"Bei einigen verheilen Brüche nur sehr langsam", sagt der Mediziner. "Es gibt also durchaus Bedarf für verbesserte Behandlungsmethoden." Besonders diese nichtheilenden Brüche, im Fachjargon auch "Non-union-Frakturen" genannt, möchten der Mediziner und sein Team durch die neu entwickelte Methode behandeln. Die entsprechende Studie hat Strunk gemeinsam mit seiner Kollegin Sarah Hochmann im Journal "Science" veröffentlicht.

Knochenheilung leicht gemacht

Beim Bruch eines normalen Röhrenknochens, beispielsweise der Elle oder Speiche im Unterarm, bildet sich im Zuge des Heilungsprozesses an der Bruchstelle zunächst "Kallus", ein knorpelartiges Narbengewebe. Was als "Soft Kallus" beginnt, verkalkt später über "Hard Kallus" zu neuem Knochengewebe. Strunk erklärt: "Der neu gebildete Knochen sendet im Anschluss daran Zellen aus und wird ins alte Gewebe integriert. Im Idealfall ist an der Bruchstelle später keine Narbe sichtbar."

Normalerweise wird dieser Heilungsprozess vom Körper automatisch eingeleitet. Allerdings gibt es Situationen, die diesen Vorgang verlangsamen oder – im schlimmsten Fall – sogar verhindern. Ursachen für diese langwierigen "Non-union-Brüche" können Entzündungen oder genetische Defekte sein.

Organspezifische Stammzellen

Inspiriert durch seine frühere Tätigkeit als Stammzell-Transplanteur, verfolgt Strunk nun einen Ansatz, der zur schnelleren Knochenheilung beitragen könnte: "Wir haben vor einigen Jahren ein Modell für die Leukämie-Forschung entwickelt, das Knochenmark aus Stammzellen künstlich herstellt. Diesen Erfolg wollten wir auf andere Bereiche ausweiten. Kollegen aus der Chirurgie haben uns auf die Idee gebracht, unsere Methode auch bei schwer heilenden Knochenbrüchen anzuwenden."

Dabei gibt es einige Parameter zu beachten. Anders als in den frühen 2000er-Jahren angenommen, steht inzwischen fest, dass Stammzellen nach der Geburt ausschließlich organspezifisch agieren. Für eine vollständige Regeneration des Knochens kommen daher nur Zellen mit Knochenkompetenz infrage.

Das heißt im Fall von Knochenheilung: Nur Stammzellen, die aus dem Knochenmark entnommen werden, sind in der Lage, neues Knochengewebe zu bilden. "Unsere neuesten Forschungsergebnisse zeigen, dass selbst verwandte Zellen wie etwa Knorpelzellen dafür ungeeignet sind. Sie können lediglich Knorpel, aber keinen Knochen bilden – das hat selbst uns überrascht", betont Strunk. Der Forscher vermutet, dass dieses Verhalten einem angeborenen Schutzmechanismus dient: "Womöglich verhalten sich Knorpelzellen anders, um einem Verknöchern bei chronischen Entzündungen vorzubeugen. Was genau evolutionär passiert ist, können wir aktuell noch nicht rekonstruieren."

Im Labor gezüchtete Knorpelscheiben (rechts) sollen die Knochenheilung zukünftig beschleunigen. Die Spezialfärbungen machen die Art und Qualität des Knorpels mikroskopisch sichtbar.
Foto: Sarah Hochmann

Bruchsicher

Diese neuen Erkenntnisse erlaubten es dem Forscher und seinem Team, an einer konkreten Behandlungsmethode für nichtheilende Knochenbrüche zu arbeiten. Die Lösung: heilungsfördernde Knorpelscheiben, gezüchtet aus Knochenmark-Stammzellen. Zur Herstellung der Scheiben eignen sich sowohl körpereigene als auch gespendete Stammzellen. In beiden Fällen werden die Zellen mittels Knochenmarkpunktion gewonnen.

Die bis zu drei Zentimeter großen Scheiben sollen Patientinnen und Patienten direkt an der Bruchstelle operativ eingesetzt werden. Strunk führt aus: "Natürlich können wir damit den Ursprung für Non-union-Brüche nicht beseitigen. Allerdings überlisten wir das System, indem wir neue knochenkompetente Zellen hinzufügen." Der dadurch ausgelöste Wachstumsanreiz führt schließlich zu einem schnelleren Heilungsprozess. Aktuell benötigt sein Team für die Herstellung einer Scheibe circa drei Wochen.

Zukunftsmedizin

In ein paar Jahren sollte es möglich sein, vorab zu testen, wer gefährdet ist, einen "Non-union-Bruch" zu erleiden. "Dann könnten wir die Transplantate bereits im Vorhinein züchten und müssten nicht abwarten, ob ein Bruch von selbst heilt", erklärt Strunk. In ferner Zukunft wäre auch eine Art Sammelbank denkbar, die Stammzellen von gesunden Menschen beherbergt – so könnte man pausenlos Knorpelscheiben herstellen.

Bis es so weit ist, will der Wahlsteirer weitere Verbesserungen vornehmen: "Wir forschen gerade an einer geeigneten Lagerungsmethode, damit die Scheiben länger haltbar sind. Außerdem möchten wir die Produktion beschleunigen." Bald sollen erste Tests an Betroffenen durchgeführt werden. (Anna Tratter, 24.3.2023)