Erzählungen über "den" Mann könnten eine Neufassung gut vertragen.

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Das neue Magazin "Monsieur" für mittelalte weiße Heteromänner (MWHMs) wie mich sieht handlich und schick aus und beginnt mit einer fragwürdigen Aussage. "Essenziell. Nicht für Jedermann" prangt da auf dem Heftcover als Untertitel, und das stimmt natürlich nicht. "Nette Verzichtbarkeiten für möglichst viele von euch" wäre ehrlicher gewesen. Aber Marketing muss sein, schließlich gilt es ein Heft an den Mann zu bringen. Und das nicht nur in schwierigen Zeiten, in denen mit der Quasiabwicklung des Verlagshauses Gruner + Jahr ganze Heftproduktionen eingestampft werden, sondern eben auch an eine schwierige Zielgruppe. Vielleicht sogar für die schwierigste Zielgruppe überhaupt.

Denn das Problem mit MWHMs als Zielgruppe besteht weder in ihrer mangelnden Kaufkraft noch in der gesellschaftlichen Randständigkeit ihrer Interessen. Das Problem ist vielmehr, dass ihre Interessen überrepräsentiert und ubiquitär sind.

Nicht der Mittelpunkt des Universums

MWHMs haben keine Spezialinteressen, weil sie Jahrhunderte darauf verwendet haben, ihre Spezialinteressen zur Allgemeingültigkeit zu verhelfen. Sie sind profillos, weil alle und alles viel zu lange ihrem Profil zu entsprechen hatte. Ihre mangelnde Unterscheidbarkeit ist ihr Markenzeichen. Mittelalte weiße Heteromänner wie ich sind vollkommen belanglos. Das tut natürlich schon auch weh, ist aber unvermeidbar.

Was gegenwärtig geschieht, ist nichts weniger als eine dringend notwendige kopernikanische Wende in einem androzentrischen Weltbild. MWHMs sind nicht der Mittelpunkt des Universums. Sie sind nicht mal mehr der unbestrittene Mittelpunkt in politischen Talkshows, wo sie ihre Positionen so vorhersehbar vertreten, dass man auch einfach in jedem nur denkbaren Fernsehformat die immer gleiche Sprachnachricht abspielen könnte. Sie sind es auch nicht in den sozialen Netzwerken, wo sie Frauen immer noch ungefragt erklären wollen, wie die Welt funktioniert, während ihnen immer häufiger vorgeschlagen wird, dass es womöglich angebrachter wäre, vielleicht einfach mal die Schnauze zu halten.

Und genau deshalb sieht das Magazin "Monsieur" aus, wie es aussieht, und ist, wie es ist. "Essenziell. Nicht für Jedermann" heißt in seinem Fall, dass "Robert Habeck als Vorbild für uns alle taugt" und Werbung für Parfums und Uhren gemacht wird. Für die spezielle Spezialgruppe MWHM also ganz, ganz abgefahrenes Zeug. Um eine "Rennmaschine am Handgelenk" tragen zu wollen, muss Mann eben schon etwas ganz Besonderes sein.

Ein bisschen Porsche-Begeisterung

"Mann ändert sich" gerade, ahnt zwar der Chefredakteur im Editorial, aber so richtig reicht es dafür dann doch nicht: Uhren, ein bisschen was über Freundschaft, Uhren, Stil, Schuhe, Verkehrswende, Uhren. Zum Gespräch über die Verkehrswende werden drei Herren gebeten. So essenziell und nicht für jedermann ist "Monsieur" dann nämlich schon, dass man dazu jetzt nicht unbedingt eine Expertin wie Katja Diehl befragen muss.

Später im Heft wird die "Eleganz des Rauchens vermisst". Mann preist Uhren an, die über 20 Riesen kosten. Essenziell einfach. Ein bisschen Porsche-Begeisterung und dabei so aussehen wollen wie Wall-Street-Typen, die uns in den 1980ern und 1990ern den Turbokapitalismus beschert haben. Hach, was waren wir mit dieser "Greed is good"-Mentalität alle gut gekleidet. Vielleicht eine Uhr dazu? Nur 69.790 Euro. Was noch? Ach ja: Für den Psychokram wird anschließend eine Frau befragt, die etwas Kritisches zur Leistungsgesellschaft und zur Selbstoptimierung sagen darf. Die Chance, eine "Liebeserklärung" mal nicht nur einer prominenten Frau zu machen, die Mann gut findet, wird anschließend vertan. Aber dafür gibt es einen wirklich guten Text über Sexspielzeuge für Männer. Und am Ende noch eine Uhr.

Zeit für Neuerzählung

Das alles führt zu nichts, weil mittelalte weiße Heteromänner auserzählt sind. Alle anderen müssen sich deren Storys nämlich schon viel zu lange anhören. Wer nicht über ihre Witze lacht, hat keinen Humor. Wer sie nicht spannend findet, hat sie nicht verstanden. Wer ihren Kram nicht kaufen will, ist fortschritts- und lustfeindlich.

Dass diese Rechnung heute nicht mehr so aufgeht wie früher, kann Mann natürlich bedauern, ist aber eigentlich ein Grund zum Feiern. Gerne auch in Heftform. Daher hier die Abschlussfrage: Sag mal, Monsieur, wenn Mann so viel für Uhren übrig hat wie du – warum merkt Mann dann nicht, dass es an der Zeit ist, sich neu zu erzählen? (Nils Pickert, 26.3.2023)