Die Strompreisbremse ist sozial nicht treffsicher – von ihr profitieren alle, auch jene, die sich höhere Rechnungen leisten könnten.

Foto: Getty Images/CARME PARRAMON

Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern kann Sarah H. (Name geändert) über die Strompreisbremse nur schmunzeln. Sie hat von ihrem Energieanbieter eine Nachzahlung über 1900 Euro bekommen, für Strom und Gas erhält sie eine gemeinsame Abrechnung. Früher hat sie 270 Euro im Quartal gezahlt, nun beträgt ihr Teilbetrag 350 Euro monatlich. "Das ist eine Katastrophe, ich kann das nur in Raten abzahlen", sagt sie. Weil die Gaspreise so gestiegen sind, merkt sie die Strompreisbremse nicht.

Ilse. B und Andrea W., deren Stromrechnungen dem STANDARD vorliegen, sind hingegen froh über die Strompreisbremse. Ihre Teilbeträge haben sich drastisch reduziert, nämlich von 146 auf 86 Euro bzw. von 65 auf fünf Euro. Sie wollen gar "ein Loblied auf die Strompreisbremse" anstimmen.

Der Unterschied zu Sarah H.: Die beiden hätten die teure Energierechnung auch ohne Strompreisbremse gestemmt. Diese gilt seit Anfang Dezember und bis 2024 für einen Stromverbrauch bis 2900 Kilowattstunden pro Jahr. Pro Kilowattstunde werden maximal 30 Cent gefördert. Für die Alleinerzieherin Sarah H. und viele andere, die dieser Tage zu Beratungsstellen kommen, reicht das nicht. Ist die Strompreisbremse also treffsicher?

Nein, sagt Ewald Gärber von der Umweltberatung. Dort sind die Anfragen seit Einführung der Strompreisbremse nicht zurückgegangen. Auch beim Energieberater EB Plus betont man, dass Zahlungsschwierigkeiten dadurch nicht gelöst werden, Nachsatz: "Aber definitiv vermindert."

Horrende Ablesegebühren

Das weitaus größere Problem seien für die meisten allerdings Preissteigerungen bei Gas und Fernwärme sowie in dem Bereich horrende Gebühren von Ablesedienstleistern.

Und dennoch: Eine Bremse ist besser als keine Bremse. Durchschnittlich spare ein Haushalt dadurch etwa 500 Euro pro Jahr – das sei nicht nichts und für einkommensschwache Haushalte durchaus eine Entlastung, sagt Martin Schenk von der Armutskonferenz.

"Eine Maßnahme wird nicht unbedeutend, nur weil es anderswo ein noch größeres Problem gibt", findet er. Auch wenn eine Gaspreisbremse aus sozialer Sicht wünschenswert sei, könne es aus ökologischer Sicht problematisch sein, das Heizen mit Gas zu fördern.

Schenk fordert als Verbesserungsmaßnahme, bestimmte Kontingente vergünstigt anzubieten und die Energiepreise nach Einkommen zu staffeln. Jene, die mehr verdienen, müssen mehr bezahlen. Sie verursachen aber meist auch mehr CO₂ und könnten so zum Energiesparen angespornt werden.

Noch ein Kritikpunkt: Durch die Bremse wurden Energieanbieter dazu verleitet, ihre Preise zu erhöhen, heißt es etwa bei der Arbeiterkammer – daraus resultierten Neuverträge um 60 oder 70 Cent je Kilowattstunde. Bei der Einführung der Strompreisbremse lagen die Preise noch bei rund 40 Cent.

Und: Die Bremse ist nach vier Monaten noch immer nicht in allen Haushalten angekommen. "Manche Energielieferanten haben es noch nicht geschafft, das in Teilleistungsbeträgen zu berücksichtigen", sagt Sandra Matzinger von der Arbeiterkammer Wien.

Zwar geht Betroffenen durch diese Verspätung kein Geld durch die Lappen, weil die Bremse in der Jahresabrechnung ohnehin berücksichtigt wird. Die Vorschreibungen bleiben bis dahin aber möglicherweise eine finanzielle Belastung. Online können Teilbeträge aber selbstständig reduziert werden. Allerdings sollte man hier realistisch sein, sagt Matzinger, sonst droht eine große Nachzahlung.

Gute Nachrichten

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Mittlerweile werden wieder vermehrt günstige Verträge am Energiemarkt angeboten, bei denen man sich schnell einige Hundert Euro im Jahr spart. Wer die Möglichkeit hat, sollte jetzt vergleichen – vor allem, weil manche Altverträge nun teurer werden. Das geschieht nun auch wieder vermehrt, wie man bei der Vergleichsplattform Durchblicker erzählt.

Die zweite gute Nachricht: Für größere Haushalte wurde im Jänner ein Stromkostenergänzungszuschuss beschlossen. Dieser wird sich erst in den kommenden Monaten in den Rechnungen niederschlagen. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte man sich aber schon vorab beim Energielieferanten dazu erkundigen.

Dieser Bonus wird auch bei der eingangs erwähnten Sarah H. und ihren drei Kindern ankommen – ob er genügen wird, ist fraglich. (Bernadette Redl, Franziska Zoidl, 25.3.2023)