Auch in der Altstadt von Jerusalem wurde demonstriert.

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Tel Aviv – Der Konflikt um die umstrittene Justizreform der israelischen Rechtsregierung hat sich am Donnerstag zugespitzt. Trotz anhaltender Massenproteste verabschiedete man am Donnerstag ein Gesetz, das es künftig deutlich schwerer macht, einen Premier für amtsunfähig zu erklären. Diese erste Gesetzesänderung kommt vor allem Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zugute, gegen den ein Korruptionsprozess seit längerem läuft.

In einer TV-Ansprache erklärte der 73-jährige Regierungschef, er sei entschlossen, eine "verantwortungsvolle Justizreform" durchzusetzen, wolle aber gleichzeitig alles tun, um die Lage zu beruhigen und das Land wieder zusammenzuführen. Zuvor hatte Verteidigungsminister Joav Gallant, der Netanjahus Likud angehört, laut Medien Kritik an den Plänen geübt, weil sie die Verteidigungskraft des Landes schwächen. Zahlreiche Reserveoffiziere haben erklärt, sie würden unter einer durch die Reform illegitim gemachten Regierung nicht dienen. Gallan sagte eine geplante Rede jedoch wieder ab, als Netanjahu ihn zum Gespräch einbestellte.

Seit Monaten Proteste

Seit mehr als zwei Monaten gibt es regelmäßig massive Proteste gegen die Pläne der Regierung. Dem Parlament soll es künftig auch möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs aufzuheben. Zudem sollen Regierungspolitikerinnen und – politikerdeutlich mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern erlangen. Die Koalition um Netanyahu wirft dem Höchstgericht eine übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer gefährlichen Staatskrise.

Die am Donnerstag verabschiedete Gesetzesänderung ist besonders umstritten, weil sie als persönlich auf Netanjahu und dessen Bedürfnisse zugeschnitten gilt. Künftig wäre die Amtsenthebung eines Ministerpräsidenten nur wegen psychischer oder anderer Gesundheitsgründe möglich, und nur mit einer Drei-Viertel-Mehrheit. Damit soll eine Einflussnahme des Höchstgerichts oder der Generalstaatsanwaltschaft verhindert werden.

Lieberman will vor das Höchstgericht ziehen

Die Opposition verurteilte das Gesetz als "unanständig und korrupt". Der Oppositionspolitiker Avigdor Lieberman kündigte an, vor dem Obersten Gerichtshof dagegen vorzugehen.

Unterdessen gingen erneut landesweit Tausende Menschen auf die Straßen, um gegen die Pläne zu demonstrieren. In Tel Aviv versammelten sie sich an mehreren Orten und schwenkten israelische Flaggen. Auch in Jerusalem und weiteren Städten kam es zu Kundgebungen. Die Polizei setzte in Tel Aviv und Haifa Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. Vereinzelt kam es zu Festnahmen. (Reuters, dpa, 23.3.2023)