Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ließ Donnerstagabend durchblicken, dass sich nun wohl auch Frankreich auf EU-Ebene für eine weitere Verwendung von sogenannten E-Fuels einsetzen wird.

Foto: APA/BKA/CHRISTOPHER DUNKER

Im Streit zwischen der EU-Kommission und Deutschland sowie einer Reihe anderer Staaten über ein Verbot der Neuzulassung von Verbrennermotoren in Autos und Klein-Lkw ab dem Jahr 2035 zeichnete sich beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in der Nacht auf Freitag eine grundsätzliche Einigung ab. Wie Bundeskanzler Karl Nehammer nach der Sitzung sagte, sei die Forderung, wonach "grüne Verbrenner" von E-Fuels und synthetischen Treibstoffen auch über 2035 hinaus auf den Markt kommen sollen dürfen, "auf große Zustimmung gestoßen. Auch Frankreich unterstützt diese Position jetzt".

Trilog-Einigung torpediert

Dies sei zu verstehen als "wichtiges Signal, dass wir technologie- und innovationsfreundlich bleiben", fuhr der Kanzler fort, "wenn wir den Klimawandel ernstnehmen, müssen wir offen bleiben beim Weiterforschen und E-Fuels ermöglichen, damit auch den Verbrenner".

Wie berichtet, bestehen Italien, Polen, Bulgarien, Tschechien und zuletzt auch Österreich unter Führung von Deutschland darauf, dass es trotz einer Einigung im Trilog mit dem Europäischen Parlament, wonach die Verwendung fossiler Brennstoffe wie Diesel und Benzin ab 2035 bei Neuwagen verboten werden soll, wieder aufgeweicht werden müsse. Es solle Ausnahmen für Autos und Klein-Lkws geben, wenn sie mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden.

Kommission widerspricht deutschem Narrativ

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte bereits zum Auftakt des Gipfels, es gebe dazu "klare Verständigungen in Europa", dass es eine von der EU-Kommission vorzulegende Regelung geben solle, "die sicherstellt, dass nach 2035 Autos, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden, weiter zugelassen werden können". Das sei "schon Konsens", betonte Scholz. Es gehe nur noch "pragmatisch darum, die von der Kommission längst gegebene Zusage umzusetzen". Kritik an Deutschland wies er zurück: "Wenn ich die Gespräche zwischen Kommission und Regierung richtig verstehe, ist das alles auf gutem Weg."

Die EU-Kommission widersprach der Darstellung: Man habe nie einen solchen Vorschlag vor der Abstimmung über das Gesetz versprochen. Vielmehr habe es im November bei einem EU-Botschaftertreffen eine Erklärung gegeben, in der es hieß: "Nachdem die Verordnung durch das Europäische Parlament und den Rat endgültig angenommen wurde, wird die Kommission den potenziellen Beitrag von CO2-neutralen Kraftstoffen zur Erreichung einer klimaneutralen Mobilität prüfen."

Französischer Schwenk durch Kompromiss bei Nuklearenergie?

Aus aktueller Sicht erschient das als formale Spitzfindigkeit. Denn dass sich Frankreich laut Nehammer auf die Seite der Gruppe um Deutschland schlug, verändert vollkommen die Macht und Abstimmungsverhältnisse im EU-Energieministerrat. Dieser tagt am nächsten Dienstag und soll eine Entscheidung nicht nur in Sachen E-Fuels, sondern auch im Bereich EU-Förderung von Nuklearenergie treffen.

Paris drängt seit langem darauf, dass Atomenergie als nachhaltig anerkannt und dementsprechend mit Mitteln der Gemeinschaft unterstützt wird. Nehammer bestätigte auf eine Frage des STANDARD nicht, dass es diesbezüglich einen Deal mit Deutschland bei der Verbrennerfrage gegeben habe. Österreich halte Atomenergie nicht für eine Zukunftstechnologie. Er ging aber nicht darauf ein, wie Wien sich bei einer Abstimmung verhalten würde.

Zurück zum Verbrennerstreit: Der Kanzler verwies darauf, dass Technologieoffenheit bei synthetischen Treibstoffen auch deshalb so wichtig sei, weil Europa nicht Gefahr laufen sollte, sich von China abhängig zu machen, wenn man bei der Mobilität ausschließlich auf Elektrofahrzeuge setze. Man habe im vergangenen Jahr gesehen, was solche Abhängigkeit bedeute, in dem Fall von Gas aus Russland. Es sei also sinnvoll, "sich breit aufzustellen, in beide Richtungen zu gehen", Richtung E-Mobilität und auch E-Fuels. (Thomas Mayer aus Brüssel, 23.3.2023)